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Bakugou tippte genervt auf das Lenkrad, während er auf das Grün der Ampel wartete. Aus dem Radio dröhnte wieder in voller Lautstärke ein Lied seiner Lieblingsband, was ihm einige vorwurfsvolle Blicke einbrachte. Doch er kümmerte sich nicht weiter darum.
Schließlich konnte er nichts dafür, dass die einen schlechten Geschmack hatten.

Er war auf dem Weg, um seine Eltern zu besuchen. Offenbar waren die Bretter nach einer Woche endlich angekommen und seine Eltern, die nichts davon gewusst hatten, hatten ihm eine verwirrte Nachricht geschickt. Normalerweise ließ er sich Bestellungen nämlich zur WG liefern. Seine Erklärung war, dass er auf einer Seite bestellt hatte, in der er schon mal seine alte Daten eingegeben und vergessen hatte, sie zu ändern. Seine Mutter hatte sich natürlich kurz darüber aufgeregt, aber letztendlich freute sie sich vermutlich, ihn zu sehen.
Schließlich besuchte er seine Eltern nicht sonderlich oft.

Bakugou war kein Familienmensch. Nein, er war schlichtweg kein Menschen-Mensch. Würden Kirishima, Kaminari oder Sero plötzlich beschließen, aus der WG auszuziehen, würde er sich mit Sicherheit nicht darum kümmern, sie mal in ihrem neuen zu Hause zu besuchen. Nicht dass sie ihn nicht gegen seinen Willen dort hin schleppen würden.
Dasselbe war mit seinen Eltern. Er rief an ihren Geburtstagen an, schrieb ihnen kurz über den Erfolg eines Tests, besuchte sie an Weihnachten. Das reichte ihm vollkommen. Sein Vater hatte diese Tatsache schon vor Jahren akzeptiert, während seine Mutter es sich nicht nehmen ließ, Bakugou bei jeder Gelegenheit daran zu erinnern, dass er seine "Familienpflichten" vernachlässigte. Ein weiterer Grund für ihn, nicht so oft aufzutauchen.

Er bog in seine Straße ein. Häuser reihten sich aneinander, das eine größer als das andere, Poolwasser glitzerte auf, gestutzte Hecken säumten Gärten. Bakugou hatte diesen lächerlichen Luxus schon immer gehasst. Fadenscheiniges Lächeln hier und da, Bling-Bling um die Handgelenke, das wie eine Glocke funktionierte, überdimensionale Sonnenbrillen für den Libellen-Look. Er verabscheute diese Menschen, die glaubten, sie hätten durch ihr geerbtes Geld so viel erreicht, ohne auch nur einen Tag lang zu arbeiten. Zumindest nicht richtig. Als Hobby fingen sie dann zu malen an, schrieben Bücher oder posteten ihren Reichtum als Influenzer - alles Zeug, mit dem er nichts anfangen konnte. Tatsächlich besaß er nur einen Social Media Account weil seine sogenannten Freunde ihn dazu gedrängt hatten und weil er in den Bereichen, die ihn wirklich interessierten, auf dem Laufenden bleiben konnte.
Dennoch, er war in diesem Luxushölle aufgewachsen. Obwohl er selbst die Meinung vertrat, dass seine Eltern zumindest etwas bodenständiger geblieben waren.

Er parkte sein Auto vor der Garage. Tatsächlich hatten sie nur eine - unterdurchschnittlich viele in dieser Gegend - und seine Eltern besaßen auch nur ein Auto. Der Ökobilanz wegen benutzten sie es kaum.
Bakugou durchquerte den Vorgarten mit dem perfekt rasierten Rasen und fürsorglich platzierten Steinen rundherum. Bevor er klingeln konnte, wurde schon die Haustür aufgerissen.
Seine Mutter stand im Türrahmen und funkelte ihn bösartig an.
Mitsuki Bakugou war beruflich Model gewesen. Das ist nun zwar zehn Jahre her, aber man sah es ihr noch immer an. Auch wenn er es ihr niemals ins Gesicht sagen würde, war sie eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte. Sie sah extrem jung aus für ihr Alter, die Schwangerschaft hatte keine Spuren hinterlassen, Make Up war kaum welches nötig. Da er schon die blonden, stacheligen Haare von ihr geerbt hatte, hoffte er insgeheim, auch den Rest in sich zu tragen.
"Du tauchst auch nur auf, wenn du etwas brauchst, oder? Undankbare Göre", zischte sie abwertend.
Okay, vermutlich war er ein Ebenbild seiner Mutter.
"Bist du jemals mit irgendetwas zufrieden, alte Hexe? Ich bin doch jetzt da", keifte er zurück.
"Was war das?"
Sie wollte ihn gerade an seinem Ohr näher ziehen, als sein Vater sich in den Türrahmen drängte und ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legte.
"Mitsuki, du hast doch gekocht. Lass uns essen."
Irgendwie war sein Masaru Bakugou das genau Gegenteil zu seiner Mutter und ihm selbst: Er war ruhig, friedliebend, nervös wenn etwas aus dem Ruder lief.
Bakugou schien also absolut gar nichts von ihm geerbt zu haben. Er sah ihm nicht mal ähnlich, und mittlerweile war er sogar größer als Masaru.
"Hey Dad", presste er hervor. Eigentlich hatte er nichts gegen seinen Vater, wirklich nicht - ohne ihn hätten sich Bakugou und seine Mutter wahrscheinlich schon umgebracht - aber es fiel ihm nie so einfach, mit ihm zu reden. Sein Vater schaute ihn immer mit diesem 'Ich verstehe dich' - Blick an, so als hätte Bakugou etwas falsches getan und würde darauf warten, dass man ihm verzeihe. Es irritierte ihn ohne Ende.
"Ja, lass uns essen", antwortete Mitsuki.
"Und du isst besser mit uns", fügte sie noch an Bakugou gewandt hinzu.
Das war ihre Art und Weise, ihn einzuladen.

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