Kapitel 4

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Langsam beruhigte sich mein Kreislauf wieder, ich konnte wieder klarer sehen. Noch immer hielt ich meinen Kopf gesenkt. Jetzt musste ich abwarten. Erneut ertönte ein schweres seufzen von Harry. In der nächsten Sekunde erhob er sich auch schon wieder vom Sofa. Nach wenigen Sekunden kehrte er mit einem Glas Wasser zurück. "Trink erstmal" forderte er mich auf. Das Glas hatte ich in einem Zug geleert. So nett war seit Jahren keiner mehr zu mir. Daher sah ich ihm, zum ersten Mal seit wir uns kennengelernt hatten, direkt in die Augen. Er hatte tolle Augen. "Danke" flüsterte ich heiser. Harrys Augen weiteten sich minimal. Ehe er sich schnell wieder zu mir auf das große Sofa setzte. "Woher hast du das?" zaghaft deutete er auf mein linkes Auge. Das hatte ich ganz vergessen. Mein blaues Auge musste wohl noch immer in allen Farben des Regenbogens schimmern. "Aus einer kleinen Prügelei" dass das Veilchen erst wenige Tage alt war und es das Resultat einer versuchten Vergewaltigung war, verschwieg ich erstmal geschickt. Bei den Erinnerungen an diese Nacht kamen mir augenblicklich die Tränen, weshalb ich meinen Kopf schnell wieder senkte. Jetzt bloß nicht losheulen. Ermahnte ich mich selbst. "Louis, wo schläfst du zurzeit?" fragte er erneut mit Nachdruck. Leise seufzend machte ich mich kleiner und nannte ihm die Adresse, in welcher ich meine alte Decke zurück gelassen hatte. Vielleicht würde er dann endlich denken ich hätte ein reguläres Zuhause. "Dann fahren wir dort jetzt hin, ich will immerhin sehen wer für dich deine Erziehung übernimmt. Deine Eltern können es ja immerhin nicht sein oder?" scharf musterte mich Harry und erhob sich auch sogleich vom Sofa. Nein, nein, nein! Er würde sehen, dass ich auf der Straße wohne. Panisch schüttelte ich daher meinen Kopf. "i...ich nicht nötig ich m...muss nicht gefahren werden" murmelte ich sogleich schüchtern. Ich konnte ihm einfach nicht zeigen wo ich lebte. Das war zu peinlich. Er war reich, gut aussehend und bis jetzt der erste der seit Monaten nett zu mir war. "Doch, das ist nötig. Komm zieh deine Schuhe an" abwartend stand er mit verschränkten Armen vor mir und schüchterte mich somit wohl unbewusst noch weiter ein. Verzweiflung machte sich in mir breit. Wie sollte ich aus dieser Situation wieder heraus kommen? Langsam aber sicher konnte ich die Tränen nicht mehr zurück halten. Das alles war zu viel Stress für mich. Zaghaft lösten diese sich aus meinem Wimpernkranz und fielen vor mir auf das Sofa. Noch bevor ich meine Tränen wegwischen konnte, kam mir eine große Hand zur Hilfe. Augenblicklich zuckte ich zurück. Solche Art von Körperkontakt war ich absolut nicht gewohnt. Schnell wischte ich meine Tränen also selbst weg und rutschte sogleich ein Stückchen von Harry weg. Dieser hatte sich, ohne dass ich es bemerkt hatte, neben mich gesetzt und starrte mich nun entsetzt an. „Du hast kein Zuhause oder?" fragte er zaghaft. Schüchtern schüttelte ich den Kopf und wischte auch sofort trotzig die restlichen Tränen von meinen Wangen. "Hast du für heute Nacht einen Platz zum Schlafen?" schnell nickte ich. "Ein Platz welcher nicht die Straße ist?" bohrte er weiter nach. Unsicher schüttelte ich drauf hin den Kopf. „Dann bleibst du erstmal hier" entschloss er auch sofort. Erschrocken blickte ich auf. Er wollte so etwas wie mich hier bei sich haben? Das konnte ich nicht annehmen. Verneinend schüttelte ich daher auch schon meinen Kopf, doch der Fremde fiel mir sogleich ins Wort. „Oh doch. Ich Kann so jemanden wie dich doch nicht auf der Straße schlafen lassen. Hast du noch etwas bei deinem üblichen Platz, was du unbedingt brauchst?" löcherte er auch sofort weiter. Perplex starrte ich ihn an. So jemanden wie mich? Er wollte wirklich, dass ich hier schlief. „Ich... ich kann nicht" versuchte ich abzuwehren. „Louis, du kannst diese Nacht erstmal hier bleiben. Danach schauen wir weiter okay? Es soll kein Gefängnis für dich sein. Und natürlich könntest du jederzeit gehen. Aber heute Nacht sollen es bereits Minusgrade werden. Ich wäre ein Ungeheuer würde ich dich auf die Straße setzten." Versuchte er mir sachlich zu erklären. Zaghaft wanderte mein Blick zu der großen Terrassentüre aus Glas. Draußen wehte noch immer ein kalter Wind und langsam aber sicher wurde es dunkel. Nur eine Nacht. Ich könnte mich etwas erholen und morgen mit neuer Kraft in den Tag starten. Vorsichtig nickte ich, nur eine Nacht. „Danke Harry" flüsterte ich. 

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