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"Morgen Papa" murmelte ich bloß, als er ohne eines weiteren Blickes an mir vorbei huschte.
"Oh, ja, morgen" nuschelte er gedankenverloren und stellte den Aktenkoffer auf unseren Esstisch, damit er Jacke und Schuhe ausziehen konnte.
Er war ganz bleich um die Nase herum und seine sonst so gelassene Miene war wie weggeblasen.
Dann schnappte er seine Tasche wieder und ging in sein Arbeitszimmer, auf leisen Sohlen folgte ich ihm, "Alles okay?" fragte ich schließlich. Nachdem ich eine Weile im Türrahmen gelehnt hatte und er nicht einmal bemerkt hatte, dass ich ihm gefolgt war.
Mein Vater führte sich heute wirklich sehr komisch auf.

Er rang sich ein Lächeln ab "Ja klar, es gibt nur ein wenig Stress auf der Arbeit." Weiterführend hob ich meine Brauen, weil ich ihm ansah, dass das nur die halbe Wahrheit war, woraufhin mein Vater genervt brummte. "Ein Angestellter aus der Entwicklung hat wichtige Akten verloren" sagte er und presste seine Lippen aufeinander.
Lüge.
Wenn er lügte presste er immer die Lippen aufeinander.

"Ah" machte ich und tat so, als ob mir ein Geistesblitz aufgegangen war, obwohl mich die Antwort nicht im geringsten befriedigte.
Papa wühlte in den Blätterstapeln umher und schenkte mir keinerlei Beachtung mehr.
Seufzend ging ich in mein Zimmer und suchte mein Handy in der schwarzen Tasche.

Ich warf mich auf mein Bett und wählte Luisas Kontakt.
Sie ging sofort ran "Alisa, ich dachte schon du hast nicht mehr nach Hause gefunden" lachte sie.
Wir hatten uns gestern im Club einfach verloren und nicht mehr wiedergefunden, aber ich hatte ja gute andere Begleitung an meiner Seite Seite.
"Hab ich. Aber auch erst heute Morgen." stöhnte ich und rieb mir die Schläfen, da mein Kopf immer noch weh tat, wie Hölle.
Ein "Uuuh" drang durch das Telefon "Wie heißt der glückliche." fragte sie sofort. Stockend starrte ich auf mein Handy. Ja. Wie hieß er denn?
"Keine Ahnung." seufzte ich und schob ein kleinlautes "Scheiße" hinterher.

"Das muss ja wirklich ne gute Nacht gewesen sein, sonst hat dich der Name doch auch nie interessiert" sagte sie, wobei ich ihr Grinsen förmlich hören konnte. Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen. "Mhm" murmelte ich, mit dem Gedanken an den braunhaarigen Typen.

"Wollen wir morgen shoppen gehen?" fragte ich schließlich, nachdem Luisa mir erzählt hatte, wie sie Samstag Nacht nach Hause gekommen war.
Meine Freundin räusperte sich "Ne, hab Uni bis halb Vier".
Ich rollte mit den Augen "Och, kannst du das nicht mal ausfallen lassen." meinte ich brummend.
"Nein" zischte sie, "wenn du endlich auch mal etwas machen würdest, würdest du das auch verstehen." Stöhnend drehte ich mich auf den Rücken und starrte die Decke an. Immer dieselbe Leier.
Und sie war noch nicht beendet "Nicht jeder führt so ein Leben, wie du-" meine Augen verdrehten sich und bevor sie weiter reden konnte unterbrach ich Luisa. "Kapiert." seufzte ich halbherzig "Dann lass uns wenigstens morgen Abend was essen gehen" bettelte ich.
Zögerlich stimmte mir die Blondine zu, weshalb wir uns auf Morgen um halb Sieben, vor unserem Lieblings Burgerladen verabredeten.

Als ich später noch im Wohnzimmer saß und mir irgendwelche behämmerten Serien reinzog, kam mein Vater in den Wohnbereich gelaufen. Jedoch machte er einen großen Bogen um mich und verdückte sich in den Garten.
Seufzend dachte ich darüber nach, was ihm momentan wohl alles durch den Kopf gehen mag.
Vielleicht würde ich es sogar wissen, wenn er mal mit mir reden würde, aber immer wenn es ernst wurde ging er mir aus dem Weg, was leider Gottes sehr gut möglich war, in unserem großen Haus.

Manchmal wünschte ich mir, dass wir einfach in einer kleinen Wohnung wohnen würden. Das würde so vieles einfacher machen und vielleicht käme dann auch endlich dieses Gefühl zurück, nach Hause zu kommen. Aber seit Mama nicht mehr hier lebte, war alles so leblos, es herrschte eine blasse Leere in diesem Haus.
Die Probleme die wir hatten blieben immer unausgesprochen, bis sie irgendwann einfach in den Tiefen des Hauses verblasst waren.
Mit Mama wäre das nie passiert, sie war immer ein Herzensmensch, mit dem man über alles sprechen konnte.
Aber sie musste es ja darauf anlegen uns zu verlassen.
Und das werde ich ihr wohl nie verzeihen können.

°°°

Nachdem ich am nächsten Morgen mal wieder richtig schön ausgeschlafen hatte, machte ich mich gut gelaunt auf den Weg in die Küche.
In der Nacht wurde es ziemlich spät, bis ich meine Augen zu bekommen hatte. Ich dachte viel über früher nach, als wir noch eine glückliche Familie waren und wie es so weit kommen konnte, dass wir beide nur noch so vor uns hin lebten.
Der einzige Grund meine Gedanken zu besänftigen, war dieses verdammte Lächeln, dass sich immernoch in meinen Gedanken abspielte. Und zwar auf Dauerschleife.

Auf Wunsch meines Vaters sollte ich noch einkaufen gehen, wofür er mir schon zwei 50€ Scheine auf dem Küchentisch hinterlassen hat. Deshalb machte ich mich gegen Mittag auf den Weg in den Supermarkt, kaufte die nötigsten Sachen und fuhr wieder nach Hause.
Einkaufen hatte ungemein eine beruhigende Wirkung auf mich. Alle anderen sehen zu können, wie sie durch den ganzen Supermarkt hetzten und ich ganz seelenruhig, suchte langsam meine Sachen zusammen.

Zuhause hatte ich dann nichts mehr zu tun, weshalb ich mir schon mal meine Klamotten für den Abend nach draußen legte und mir ein bisschen self-care Zeit widmete.
Etliche Produkte später fühlte ich mich so gut, dass ich voller Elan begann mich zu schminken und meine Haare zu locken, bis ich dann fertig in meinem Schlafzimmer stand.
Zufrieden musterte ich meinen Look, der aus einer schwarzen Jeans mit Löchern, einem weißen spitzen Top und meinen schwarzen High Heels bestand.

Schnell schnappte ich mir meine Tasche, packte den Geldbeutel und Handy hinein, nahm noch meine Jacke mit und griff nach dem Autoschlüssel.
Mit einem piepsen riegelte ich den Audi auf und stieg in den weißen Wagen ein.
Summend zur Musik kurvte ich durch die Straßen der Münchner Innenstadt und fand wenig später sogar einen Parkplatz, in der Nähe des Restaurants.

Schon von weitem sah ich meine beste Freundin, die wild winkte. Voller Vorfreude begrüßten wir uns und begaben uns dann auch schon in das Innere des Gebäudes, weil wir einen mords Hunger hatten.

"Jetzt erzähl mal von Samstag." forderte Luisa mich auf, als wir schon unsere Getränke vor uns stehen hatten. Ich nippte an meiner Cola, konnte ein Grinsen jedoch nicht unterdrücken. Bis unsere Burger gebracht wurden, erzählte ich ihr also von Marius und dem gutaussehenden Typen, mit braunen Locken, dessen Name ich nicht kannte.

Ich fühlte mich fast wie bei Rumpelstilzchen, vielleicht sah ich ihn ja auch um ein Feuer herumspringen, ein Lied über seinen geheimnisvollen Namen singend.
Innerlich lachte ich über diesen Gedanken.

"Würdest du ihn wiedersehen wollen?" hakte Luisa schließlich nach. Ich zuckte mit den Schultern und rang mit mir selbst bloß nicht Ja zu sagen.
Zögerlich schüttelte ich den Kopf "Ach, ich weiß nicht, irgendwie ist es komisch-" seufzte ich frustriert "Aber für ihn war das bestimmt auch nur eine einmalige Sache" zustimmend nickte meine Freundin. "Wahrscheinlich" murmelte sie.
"Wie groß wäre denn die Chance ihn überhaupt wiederzusehen, wenn ich nicht mal seinen Namen weiß, das würde ein riesen Zufall sein. " meinte ich und wandte geknickt meinen Blick ab.
Ich war es gar nicht von mir gewohnt so viel in etwas rein zu interpretieren, das vermutlich nie geschehen wird.

Ich war vielleicht zuversichtlich und optimistisch, aber lange nicht so, dass ich einem Typen hinterher hänge, der aussieht, als ob er vermutlich jeden zweiten Tag eine neue anschleppt.
Luisa räusperte sich "Schicksal" sagte sie bloß. "Hä" irritiert zog ich meine Augenbrauen zusammen.
Grinsend verriet sie mir ihre Gedanken "Na vielleicht wäre es gar kein Zufall, wenn du ihn wieder sehen würdest. Sondern eben Schicksal. Das wäre doch ein gutes Zeichen."
Lachend schaute ich sie an "Wie poetisch." meinte ich und machte eine tragisch aussehende Handbewegung, woraufhin wir beide los prusteten.

Als unser Essen dann endlich vor uns stand dachte ich nochmal über ihre Worte nach. Wie genau sollte ich denn Unterscheiden, was Schicksal und was Zufall war?

~~~

Halloo,

Ich habe es endlich geschafft das Kapitel fertig zu bekommen hehe.

Passend zu diesem Kapitel eine Frage:

Glaubt ihr eher an Schicksal oder an Zufall?🔮

Polaroid  - Leon GoretzkaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt