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Erleichtert atmete ich auf.
"Wir werden uns dann in Kürze bei dir melden." erfreut erhob sich Bettina von ihrem Drehstuhl und hielt mir ihre Hand hin, die ich dankend annahm.
"Vielen Dank, für diese Möglichkeit." gab ich etwas schüchtern von mir.

In der letzten halben Stunde hatten wir erstaunlich viel über persönliche Fähigkeiten und meinen Alltag gesprochen. Gar nicht das, was scheinbar üblich war; Ziele, Vergütung, Arbeitszeiten.
Nicht, dass das nicht wichtig wäre, aber mir erschien es, als ob Bettina wirklich über mich als Person erfahren wollte.
Deshalb fiel es mir auch erstaunlich leicht mich zu öffnen.

"Komm gut nach Hause und bis dann." die rothaarige Frau lächelte und zwinkerte mir zu.
Das war doch mal ein gutes Zeichen.
"Dankeschön-" ich drehte mich noch einmal um "Tschüss" rief ich fröhlich winkend über meine Schulter und verschwand dann zwischen den Gängen.

Glückselig schlenderte ich nach draußen an die schwüle, erwärmte Luft.
Für mitte Mai war es wirklich schon extrem warm gewesen.
Es war erst kurz nach 11, Leon hatte gemeint, dass er vor 12 Uhr auf keinen Fall fertig sein würde.
Das hieß für mich, dass ich noch ewig lange Zeit hatte und da ich sowieso noch einige Sachen erledigen musste, passte mir das gerade ganz gut.

Zum Stadtzentrum lief ich keine zehn Minuten, allerdings war ich trotzdem so verschwitzt, dass meine Hose schon unangenehm an meiner Haut klebte.
Schnell huschte ich deshalb in den Drogeriemarkt, in dem mir die kühle Luft wie eine Wand entgegen prallte.
Dort machte ich rasend schnell meine Einkäufe, ehe ich es mir draußen auf einer Parkbank, im Schatten bequem machte.

Erschöpft schlüpfte ich aus den hohen Schuhen und massierte meine Fuß Ballen. Diese Dinger konnten echt tödlich sein.
Warum hatte ich nicht einfach Sneaker angezogen, das wäre so viel einfacher gewesen.
Noch im selben moment klingelte mein Handy, auf dessen Display mir Luisas Name entgegen strahlte.

Meine Miene erhellte sich sofort, sie wollte ich heute sowieso noch erreichen.
"Hallo" flötete ich durch das Handy hindurch und erhielt sogleich ein besonnenes "Hallo" zurück.
"Na, wie lief das Vorstellungsgespräch?" fragte meine beste Freundin sofort.
"Ich denke ganz gut." erwiderte ich fröhlich und betonte dies mit einem Lächeln, welches Lu natürlich nicht sehen konnte.

Hellauf begeistert jubelte sie ins Telefon "Oh, das freut mich so für dich."
Ein Lachen entfloh meinem Mund. Sie freute sich ja sogar mehr als ich.
Wohl erst wenn wirklich alles in festen Tüchern sein sollte, würde die Anspannung von mir abfallen.

Meine beste Freundin quetschte mich noch eine Weile darüber aus, ehe meine Stimmung wieder getrübt wurde.
"Und die erste Nacht zuhause gut überstanden?" hakte sie neugierig nach.

°°°

"Hi" Leon war aus seinem Wagen ausgestiegen und lehnte lässig an der Tür. Ich überbrückte die letzten Meter, Barfuß und mit den High Heels in der Hand.
"Hey" ich schloss meine Arme kurzum um den Bauch des Fußballers.
Diese Nähe hatte ich jetzt wirklich nötig.

"Woah" etwas überrumpelt lachte er auf, legte dann aber auch seine Arme um mich.
"Ist wohl gut gelaufen, nicht wahr?" neugierig hob sich seine Stimme.
Grinsend hielt ich meinen Kopf empor, erschrak jedoch, als ich bemerkte wie nah sich unsere Gesichter waren.
Ich konnte sogar schon die goldenen Sprenkel in seinen Augen sehen, die einen so schönen Kontrast zu dem warmen braun gaben.
Hilfe...

Hektisch löste ich meine Arme von ihm und trat einen Schritt zurück.
Das war nun doch ein wenig zu viel Nähe gewesen.
Schüchtern strich ich mir die Haare hinter die Ohren "Ich glaube schon." antwortete ich schließlich, nachdem ich erstmal seine Frage reflektieren musste.

So abgelenkt war ich gewesen.

Leon lachte verhalten und fuhr sich durch die Haare.
Etwas das Frauen und Männer gemeinsam hatten. Sich bei Nervosität durch die Haare fahren.
Zumindest hatte ich das schon vermehrt festgestellt. Allerdings bezweifelte ich, dass Leon das nur tat wenn er nervös war.
Sonst müsste er nervlich nämlich echt am Ende sein, so oft wie seine Hand durch die Haare wanderte.
Pro Stunde locker über 15 Mal.
Immerhin fiel es dann nicht auf, wenn er mal nervös war.

Während ich vor mich hin philosophiert hatte, waren wir beide schon eingestiegen und Richtung Polizei Wache losgefahren.
Ein bisschen aufgeregt war ich, klar, wenn ich an gestern Nacht dachte.
Luisa war auch äußerst schockiert darüber gewesen und hätte fast selbst die Polizei angerufen, wenn ich sie nicht ein wenig besänftigt hätte.

Als ich Leon an sich erwähnt hatte, war sie jedoch alles andere als ruhig geblieben. Erst als ich ihr verklickert hatte, dass ich heute selbst zur Polizei gehen werde, hatte sie Ruhe gegeben.
Langsam sollte meine Freundin doch wirklich mal merken, dass Leon keine bösen Absichten hatte. Sonst hätte er mir ja wohl kaum geholfen. Außerdem hatte er, jetzt wo ich ihn ein wenig besser kannte, nicht den Anschein nach einem riesen Aufreiser und er war ebenfalls kein schwanzgesteuertes Arschloch.
Wenn, dann hatte er das mit Erfolg vor mir verheimlicht.

Die Sonne stand tief und strahlte mir trotz Sonnenblende mitten ins Gesicht: der Nachteil wenn man so klein ist wie ich.
"Könntest du mir vielleicht meine Sonnenbrille geben?" auch Leon hatte mit den Lichtverhältnissen zu kämpfen und das im regen Feierabend Verkehr.
"Klar" nickte ich und griff nach der kleinen Box, in der er die Sonnenbrille aufbewahrte.

Ich überreichte ihm vorsichtig das teure Ding, ehe ich die Schatulle wieder in das kleine Fach zurück legen wollte.
Doch etwas anderes zog meinen Blick auf sich.
Halb unter einer Packung Taschentücher versteckt, lugte die Ecke eines kleinen Bildes hervor.
Nein kein Bild.
Ein Polaroid um genau zu sein.

Ich hielt die Luft an und schob mit spitzen Fingern die Packung Taschentücher ein wenig auf die Seite.
Mein Herz begann wie wilde in meiner Brust zu toben und ungläubig hielt ich das kleine Bildchen nach oben.

Es zeigte mich und Leon.
Wie wir uns gerade küssten.
"Oh Gott" entkam es mir.
Das Polaroid musste unmittelbar nach meinem entstanden sein sein.
Sogar mein Name stand darunter.

"Oh" Leon hatte seine Augenbrauen in die Höhe gerissen und starrte mich an.
"Süß, oder?" gab er nach kurzer Zeit jedoch völlig gelassen von sich.
Ich musste mich darauf konzentrieren nicht hysterisch aufzulachen, kramte stattdessen mein Polaroid aus der Handyhülle und hielt es daneben.

Augenblicklich verfinsterte sich die Miene des Fußballers.
"Du hast auch eins?" fragte er sichtlich irritiert und nahm mir das Bild aus der Hand.
Gottseidank standen wir gerade an einer roten Ampel.
"Das ist-" er gab mir das Polaroid zurück und machte sich aufs weiterfahren bereit "süß" beendete er nach ein paar leeren Sekunden seinen Satz.

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Polaroid  - Leon GoretzkaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt