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Aufgebracht knetete ich meine Hände, die ich zwischen meine Knie geklemmt hatte und versuchte meine Schnappatmung unter Kontrolle zu bekommen. Irgendwie musste ich mich beruhigen. Der Polizist hatte mich in das Polizeiauto verfrachtet, erklärt hatte mir bisher jedoch immernoch niemand was.
Lediglich die Worte "Wir werden sie erstmal mit auf die Wache nehmen" sollten mich beschwichtigen.
Aber das machte mich tierisch wütend. Hatte ich nicht das Recht dazu, erfahren zu dürfen, warum meine Vater gerade verhaftet wurde.
Passierte nun mal auch nicht alle Tage.

Rebellieren half hier gar nichts, deshalb schwieg ich und ich schwieg auch noch, als wir längst im Revier angekommen waren.
Auf die Frage ob ich etwas trinken wolle schüttelte ich den Kopf und auf den dummen Kommentar, ob alles okay wäre nickte ich.
Was soll denn auch sein? Ist ja nicht so, dass ich kurz davor war durchzudrehen.

"Frau Weber" ich zuckte zusammen und richtete meinen Blick auf den jungen Polizisten, wohl kaum älter als ich, der die Tür zu einem Büro geöffnet hatte.
"Herr Jahn möchte nun mit Ihnen sprechen" sagte er, mit einer tiefen Stimme. Nickend stand ich auf und schob mir mein Handy, das ich auf einen kleinen Tisch gelegt hatte, in die Bauchtasche meines Hoodies.
Der verschwiegene Einsatzleiter räusperte sich, als ich hinein trat und deutete mir an Platz zu nehmen.
Auf einem weiteren Stuhl saß Papas Assistent, Herr Jarisch, und starrte mich mit einer bemitleidenswerten Miene an.
Konnten die auch was anderes, als mich anzuschauen, wie wenn ich ein scheues Rehkitz wäre?

"Alisa, oder?" fragte mich der Polizist, weswegen ich höflich nickte und auch seine zweite Frage, ob es okay für mich sei, wenn er mich duze, bejahte ich kurzum.
"Also Alisa, du fragst dich sicherlich, was passiert ist, dass wir deinen Vater, Herrn Thomas Weber, heute Morgen abführen mussten-" ungeduldig nickte ich, als er eine Pause machte.
"Tatsächlich ist es so, dass wir schon seit längerem gegen deinen Vater ermitteln. Es bestand schon vor ungefähr Vier Jahren der Verdacht auf Steuerhinterziehungen, jedoch kamen damals nicht genug Beweise zusammen, als dass wir einen Befehl für eine Durchsuchung anfordern konnten. Vor einigen Tagen konnten wir, durch einige Aussagen, diesen Antrag von der Staatsanwaltschaft anfordern, der uns heute freigegeben wurde."

Ich schluckte heftig und rieb mir die Schläfen, ließ den Beamten aber weiter sprechen. "Wir sind, mit einigen Ermittlern, direkt zu euch nach Hause gefahren und haben letztendlich Beweismaterial gefunden, dass deinen Vater strafbar macht. Die Akten werden jetzt noch untersucht, aber selbst wir konnten von den Kontoauszügen ablesen, dass diese auf ein geheimes Konto in der Schweiz angemeldet waren, mit welchem in großem Stil an der Börse spekuliert wurde. Somit liegt vorerst ein Haftbefehl vor und dein Vater wird sich wegen Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten müssen."

Die Worte prasselten geradewegs auf mich ein, Konto, Steuerhinterziehung, davon hatte ich doch gar keine Ahnung.
"W-was bedeutet das?" stotterte ich kleinlaut und starrte das Namens Schild von Herrn Jahn an.
"Wenn der Richter sein Urteil auf schuldig fällt, was nach Untersuchung der Dokumente klar sein wird, zieht das ganze eine Freiheitsstrafe und eine Geldbuße mit sich. Das kommt dann aber auch ganz auf die Summe des hinterzogenen Geldes an."
Mein Kopf schnellte zu Paps Assistenten "Gefängnis?" hakte ich ungläubig nach, doch auch Herr Jarisch nickte betroffen.
"Scheiße" fluchte ich, schlug mir im nächsten Moment die Hand vor den Mund und rieb mir die Augen. Vielleicht träumte ich das alles nur 'das war nur ein verdammt blöder Traum' versuchte ich mich selbst zu besänftigen.
Doch nichts nützte, als ich meine Augen wieder aufschlug saß ich noch immer auf dem Stuhl, noch immer im Polizei Revier.

"Aber es ist noch nichts bewiesen" meinte ich aufgebracht und hatte meinen Stuhl mit enormer Kraft zurück geschoben.
Die beiden anwesenden Männer sagten nichts. "Wo ist er?" scharf Schnitt meine Stimme die dicke Luft, in dem kleinen Raum.
Der Beamte räusperte sich "Du kannst jetzt nicht zu ihm. Er befindet sich im Verhörraum-" im nächsten Moment richtete er sich an den bärtigen Assistenten, der mindestens genauso kreidebleich war, wie ich "Sie können auch gleich gehen, Herr Webers Mandant wartet bereits draußen auf Sie." der Polizist war aufgestanden und leitete ihn zur Tür hinaus, wo ich ihn anschließend gedämpft sprechen hören konnte.

Ich war aufgestanden und tigerte in dem kleinen Raum auf und ab, jetzt machte auch das Gespräch Sinn, dass ich letztens belauscht hatte. Auch Papas Verhalten erwies sich jetzt, als sinnvoll.
"Was hast du dir nur dabei gedacht?" flüsterte ich vor mich hin.

Wenig später kam auch Herr Jahn wieder hinzu, er bot mir einen Kaffee an, den ich dankend annahm. Langsam brachte ich meine Emotionen wieder unter Kontrolle, auch wenn ich absolut keine Ahnung hatte, wie jetzt alles weiter gehen sollte.
Mit angezogen Beinen saß ich auf dem Stuhl und nippte an meinem heißen Getränk. Die Flüssigkeit rann meinen Rachen hinunter und hinterließ sofort ein wohliges Gefühl.
"Und es besteht keine Möglichkeit ihn auf unschuldig zu entlasten?" hakte ich ein weiteres Mal nach, doch der Polizist schüttelte den Kopf.
"Es hätte die Möglichkeit bestanden eine Kaution zu bezahlen, wenn dein Vater eine Selbstanzeige aufgegeben hätte, aber da dies nicht der Fall ist stehen die Chancen tatsächlich nicht sehr gut." meinte er ehrlich.

Ich nickte, obwohl ich kein Wort verstanden hatte.
Warum Steuerhinterziehungen?
Es war der einzige Gedanke der mir durch den Kopf ging.
"Du bist schon volljährig, oder?" leicht nickte ich "20" schob ich noch hinterher.
"Dann musst du dir wenigstens keine Gedanken mehr um das Sorgerecht machen" ganz leicht und vorsichtig lächelte mich Herr Jahn an.
"Zum Glück" erwiderte ich seine Aussage mit einem Nicken.
Jedoch änderte das nichts an der Tatsache, dass ich noch nie alleine gewohnt hatte, geschweige denn wusste, wie man kochte oder mit welchen Reinigungsmitteln man die Wäsche machen musste.

Plötzlich rauschte sein Gerät und eine Frauen Stimme leitete einen Einsatz durch, woraufhin der Polizist sofort aufsprang.
"Ich muss los. Du kannst gerne hier bleiben, bis ich wieder zurück bin, bis dahin werde ich dann bestimmt auch wissen, wie es weitergehen wird." rief er mir über seine Schulter hinweg zu, bis er im nächsten Moment auch schon durch den Flur rannte.

Sein Angebot nahm ich dankend an, da ich sowieso nicht weiter wusste. Deshalb setzte ich mich auch wieder auf den Stuhl zurück und legte die Füße hoch. Ich versuchte ein wenig zu entspannen und die Augen zu schließen, doch es hatte keinen Sinn. Vor meinem inneren Auge flackerte immer wieder das Szenario von heute morgen auf, wie mein Vater abgeführt wurde, der niedergeschlagene Blick.
Wie sollte es denn jetzt mit der Firma weitergehen? Daimler hatte nun keinen Chef mehr. Das Geschäft würde bestimmt eine riesen Flaute erleben.

Seufzend stand ich auf und trat an das Fenster, aus dem ich den Parkplatz im Blick hatte. Der Himmel war bewölkt, es sah stark nach regen aus, auf dem Parkplatz standen nur vereinzelt Autos herum.
Interessiert beobachtete ich die Menschen, die in das Gebäude traten und wieder hinaus liefen.

Gerade ging ein Pärchen, Arm in Arm, die Stufen hinunter.
Der Mann drehte sich noch einmal um und als ich sein Gesicht sah traf mich der Schlag. Die braunen Locken, der drei Tage Bart, die unverkennbaren braunen Augen.

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Polaroid  - Leon GoretzkaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt