Kapitel 7

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Kapitel 7

„Und wie sehe ich aus?", Theo zupfte seinen schwarzen Pullover zurecht und fuhr sich durch seine Locken.
„Wundervoll, meine Eltern werden dich lieben", antwortete ich gespielt übertrieben und zwinkerte ihm zu.

Die fünf Tage sind nun um, und wie es die Tradition besagt, treffen sich die Familien der Paare und lernen sich gegenseitig kennen. Meine Mutter hat natürlich gleich angeboten, dass wir uns alle bei uns zuhause treffen könnten. Für manche war das ungewöhnlich, denn eigentlich trifft man sich immer bei der wohlhabender Familie, doch wir schämten uns keineswegs dafür, dass wir vielleicht nicht das schönste, modernste Haus haben. Theos Vater ist Inhaber eines großen IT-Unternehmens und dementsprechend wohlhabend, aber auch für sie war es kein Problem das Kennenlernen bei meiner Familie auszutragen.

„Ich glaube, du bist genau das, was sich meine Eltern für mich vorgestellt haben.", er drückte mir einen Kuss auf die Lippen und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Theo war einfach immer so lieb zu mir.
Ich hatte mich für diesen Tag extra ein wenig mehr zurechtgemacht als sonst, meine Haare geglättet, und einen dunkelroten Lippenstift aufgetragen. Natürlich wollte ich auch einen guten Eindruck bei Theos Familie hinterlassen. Wir haben uns zwar schon viel von unseren Familien erzählt, aber sie in echt kennenzulernen war natürlich nochmal was anderes.

„Achso, ich entschuldige mich jetzt schon mal für die peinlichen Fragen meiner Mutter. Und denke dir Nichts bei dem Blick von meinem Vater, er guckt immer so, als würde er gleich jemanden umbringen wollen, aber das ist sein normaler Gesichtsausdruck. Eigentlich ist er ganz lieb. Und da er noch nicht mal den Wlan-Router einschalten kann, würde er es wohl kaum hinkriegen, jemanden zu töten.", warnte ich ihn lachend vor. Meine Familie war zum Teil ziemlich verrückt, aber sie waren herzensgute Menschen, und ich freute mich schon riesig sie wiederzusehen und war gespannt, wie sie auf Theo reagieren würde.

Nach einer 20-minütigen Straßenbahnfahrt und einem kurzen Fußweg sind wir bei meinem alten Zuhause angekommen, und wie schon vermutet, fiel die Begrüßung sehr herzlich aus. „Oh Juliette, da hast du dir ja ein richtiges Sahnehäubchen rausgeschnappt", begrüßte sie Theo umarmend und lachte übers ganze Gesicht. „Wow, ich dachte die peinlichen Sprüche würden erst später kommen", ich verdrehte die Augen und umarmte sie lachend.
Mein Vater musterte ihn, wie erwartet, erst mit strengen Blick, doch lächelte dann auch, als er ihn begrüßte.
„Und du musst Liv sein, oder? Juliette hat viel über dich erzählt", schaute er meine Schwester an, die mal wieder wunderschön aussah. „Aber hoffentlich nur Positives", sie zwinkerte mir zu. „Da gibt es doch nur Positives", antwortete ich ironisch, sodass wir beide schmunzeln mussten. Als ich dann Kyle sah, musste ich kurz schlucken. Ich erinnerte mich an die erste Phase meines Verfahrens und versuchte den Gedanken schnell wieder zu verdrängen. „Hey Juliette, gut siehst du aus", begrüßte er mich lächelnd. Super.

Einen Moment später klingelte erneut die Tür und Theos Familie trat ein. Es war ein reines Durcheinander, denn unser Flur war nicht der Größte und irgendwie probierte jeder jeden zu begrüßen, sodass man immer einen kurzen Moment davon entfernt war, aus Versehen geschlagen zu werden.
„Hallo, ich bin Maggy, Theos Mutter, freut mich dich kennenzulernen", noch bevor ich antworten konnte umarmte sie mich fest. Ich stellte mich anschließend vor und machte Bekanntschaft mit seinem Vater, welcher einen sehr gepflegten, seriösen Eindruck machte. Geschwister hatte Theo leider keine.
Als wir dann gemeinsam am Esstisch saßen, unterhielten sich alle ausgelassen und die Stimmung wurde immer lockerer, je mehr Zeit verging. Oder je mehr von dem teuren Wein, den Theos Familie mitgebracht hat, eingeschenkt wurde. Und es wurde viel Wein eingeschenkt.

„Und dann hat Juliette den Feuerlöscher ausgelöst, weil sie dachte, das war ein Knopf, um die Tür zu öffnen-". „Mama, da war ich 4", unterbrach ich sie. „Inzwischen bin ich aber hoffentlich nicht mehr so verpeilt", ergänzte ich schmunzelnd, woraufhin mir Liv spaßeshalber einen fragenden Blick zuwarf.

Wir redeten noch über Vieles. Darüber wie das Verfahren verlief, der letzte Urlaub der Warrens, über den Maggy voller Begeisterung sprach, und natürlich viel über Theo und mich, unsere Hobbys und Berufswünsche. Meine Mutter verstand sich blendend mit Maggy, und auch mein Vater wurde ein wenig warm mit Theos Vater, doch beide blieben ein wenig distanziert. Liv und Kyle klinkten sich auch ab und an mal ins Gespräch ein.

Irgendwann lösten wir uns alle in kleine Gruppen auf, und Liv und ich zogen uns in unseren kleinen Garten zurück. „Meinst du wir passen noch ins Baumhaus?", fragte ich sie grinsend. „Also, wenn ich mir so die Schokoladentafeln angucke, die du-".
„Ok habe schon verstanden, dann wird's wohl ein bisschen kuschelig", antwortete ich schmunzelnd.
Als wir oben im Baumhaus waren, was mein Vater und wir einst mit Ach und Krach zusammengebaut haben, stiegen mir zahlreiche Erinnerungen von früher in den Kopf.

„So, jetzt sind wir ja unter uns und du kannst mir die elternfreie Version erzählen", sie wackelte mit den Augenbrauen, woraufhin ich grinsen muss. „Wir wollten warten, bis sich unsere Familien kennengelernt haben", klärte ich sie auf und wurde schon ein wenig nervös, wenn ich an heute Abend dachte. Es würde mein erstes Mal sein und ich hatte keine Ahnung was mich erwartet.
Die Regierung verbietet es Sex zu haben, bevor man seinen Partner zugewiesen bekommt. Nackte Körper waren etwas sehr wertvolles in unserer Gesellschaft und sollten wirklich nur von unseren Lebenspartnern gesehen werden. Es war zwar erlaubt eine Beziehung vorher zu haben, doch intim zu werden war strengstens verboten. Die Regierung führte Stichproben durch und ein Regelverstoß wurde hart bestraft, sodass sich eigentlich jeder dran hielt. Das erste Mal hatte somit für viele von uns eine noch höhere Bedeutung, als ohnehin schon.

„Und wie findest du ihn denn so?", fragte sie mich neugierig. Ich war zuerst ein wenig verwirrt.
So etwas fragte man eigentlich nicht und es galt schon fast als unhöflich, so als ob überhaupt die Möglichkeit bestehe, dass man seinen Partner nicht gut finden könnte. „Ähm, natürlich gut, er ist total nett und wir haben so viele Ähnlichkeiten, das glaubst du gar nicht. Irgendwie sind wir perfekt aufeinander abgestimmt. Er hat zum Beispiel eine total gute Merkfähigkeit und, naja, du weißt ja wie meine ist. Oder er ist manchmal etwas unruhig und ich kann ihn dann mit meiner ruhigen Art beruhigen. Und wenn ich Gitarre spiele, kann er dazu singen, seine Stimme ist so schön-."
„Juliette, ich will wissen, was du fühlst, wenn du ihn siehst, ihn küsst-", plötzlich hörte ich Theo unterm Baumhaus uns rufen.
Ob er uns gehört hatte?
„Eure Mutter hat Apfelkuchen gemacht, kommt ihr?", rief er zu uns nach oben. Und ehrlich gesagt, war ich auch ganz froh, dass das Gespräch unterbrochen wurde.

Die Dämmerung setzte bereits ein, als wir in die Straßenbahn stiegen und Theo einen Arm um mich legte. „Deine Familie ist wirklich süß, ich habe mich sofort wohl gefühlt. Und irgendwie waren sie so", er machte eine kurze Pause und überlegte , wie er den Satz zu Ende führen konnte. „So nicht verurteilend und einfach eben. Bei meinen Verwandten musst du dich immer irgendwie beweisen, meist mit materiellen Dingen, und bei deiner Familie scheint das alles irgendwie so egal zu sein. Sie schauen sich einfach das Herz des Menschen an."
„Ja. Ja das stimmt wirklich", antwortete ich stolz und musste bei dem Gedanken an meine Familie lächeln.

Als wir zuhause ankamen, genoss ich die Ruhe.
„Ich lasse mir ein Bad ein, okay?", sagte ich Theo Bescheid und machte mich auf den Weg ins Bad. Langsam lief die Badewanne voll und ich fing an mich auszuziehen. Vorsichtig stieg ich mit einem Bein in die heiße Wanne und schloss die Augen, als ich mich ins angenehme Wasser gleiten ließ. Der ganze Tag war so turbulent und voller Ereignisse, dass mich die Ruhe ein wenig auffing und mir Platz zum Nachdenken schenkte.

Fast eine Stunde später war ich fertig und öffnete wieder die Tür. Über meine rote Unterwäsche habe ich mir ein weites T-Shirt übergestreift und meine Haare waren noch leicht feucht vom Föhnen. „Theo?", rief ich und blickte mich suchend um.

Als ich ins Schlafzimmer blickte, war alles liebevoll mit Rosen und Kerzen dekoriert. Theo nahm lächelnd meine Hand. „Juliette," er blickte mir tief in die Augen.

„Ich will dich. Jetzt."

Perfect LieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt