Kapitel 8

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Kapitel 8

Es war noch ziemlich früh am Morgen, als ich mich auf den Balkon setzte, um ein wenig auf meiner Gitarre zu klimpern. Ich spielte „Let her go" von Passenger, eines meiner Lieblingslieder. Die zwitschernden Vögeln untermalten die entspannten Klänge der Gitarre und die warmen Sonnenstrahlen, die sich gerade durch die Wolken kämpften und vervollständigten die idyllische Atmosphäre. Ich genoss jeden einzelnen Ton.

„Same old empty feeling in your heart", sang ich leise mit, doch bemerkte dann schnell, dass es einfach schrecklich klang und hörte schnell auf. Irgendwie war die schöne Atmosphäre dann auch hin. Ich legte meine Gitarre ab und drehte mich gerade nach hinten, als ich Theo im Türrahmen stehen sah. Abrupt zuckte ich zusammen. „Oh Gott hast du mich erschreckt", fasste ich mir ans Herz und wurde rot. Wundert mich, dass er bei meinem Gesang nicht gleich die Tür zugeknallt hat.

„Das war wunderschön", lächelte er mich an und zog mich näher zu sich. „Theo, das ist wirklich lieb von dir, aber Singen gehört echt nicht zu meinen Stärken", machte ich ihm weiß und lächelte schief. „Dafür kannst du andere Sachen umso besser", er grinste frech und wackelte mit seinen Augenbrauen. Natürlich war das auf gestern Nacht bezogen.

Irgendwie war mein erstes Mal ganz anders, als ich mir es vorgestellt hatte. Theo hat an Alles gedacht und war die ganze Zeit darauf bedacht, dass es mir gut ginge. Es war außerdem unglaublich komisch, mich das erste Mal nackt vor einem Menschen zu zeigen. Ich bin zwar im Großen und Ganzen recht zufrieden mit meiner Figur, aber trotzdem fühlte ich mich ein wenig unwohl, woran das liegt, weiß ich auch nicht wirklich. Wir schliefen Arm in Arm ein, doch irgendwas in mir ließ mich die Situation nicht so genießen, wie ich es eigentlich sollte. Wahrscheinlich einfach, weil ich mich dran gewöhnen muss.

Nach dem Frühstück, welches Theo mit Liebe zubereitet hatte, waren wir mit Alicia und ihrem, uns noch unbekannten, Partner zum Skypen verabredet. Ich hätte sie gerne in echt gesehen, doch sie ist direkt nach den fünf Tagen mit ihrem Partner verreist, sodass wir uns nun mit einem Skype-Call begnügen mussten.

„Heyy Juliette Süße, ich freue mich so dich zu sehen!", begrüßte sie mich herzlich und schaute dann zu Theo. „Du musst Juliettes Partner sein, freut mich dich kennenzulernen", sie lächelt und machte eine kurze Pause. „Du kannst froh sein, dass sie dein Testergebnis war", sie zwinkerte mir zu und grinste stets, als würde sie es kaum erwarten können, mir ihren Partner zu zeigen. Als wir sie danach fragten, wurde ihr Grinsen noch breiter. „Juliette, weißt du wo wir gerade sind?" Verwirrt schüttelte ich den Kopf, sie hatte ihr genaues Reiseziel nie gesagt. Sie schwenkte mit der Kamera umher und in dem Moment als ich den Schriftzug einer „Boulangerie" sah, wurde mir klar, dass sie in Frankreich, an einem ganz bestimmten Ort war. Mit einem ganz bestimmten Menschen.
„Nein", fassungslos starrte ich sie an und musste unwillkürlich lachen. In dem Moment sprang Matt in mein Blickfeld und küsste Alicia.

„Ich hab's schon die ganze Zeit gewusst! Euer ständiges Necken, und Matt, wie du Alicia manchmal angeguckt hast."
„Und das war der Grund, warum ich mit ihr nie über meinen Typ sprechen wollte. Sie war, und ist, nämlich hundertprozentig mein Typ", erneut gab Matt ihr einen Kuss auf die Stirn und ich strahlte mindestens genauso sehr wie meine beiden Freunde auf der anderen Seite des Bildschirm. Es freute mich unglaublich, sie so glücklich und zufrieden zu sehen, dass fast etwas Neid in mir aufkam.
„Du weißt ja noch, unser verkacktes Französisch-Projekt, wodurch wir uns kennengelernt haben. Das hier ist die Stadt, über die wir den Film gedreht haben", strahlte sie. „La Rochelle, natürlich", schmunzelte ich. „Alicias Französisch ist aber nach wie vor so schlecht wie in der 10. Klasse", neckte er sie, woraufhin sie entsetzt das Gegenteil behauptete. Irgendwann kamen wir dann auch auf Naomi zu sprechen und ich erzählte ihnen alles.

„Ich weiß nicht, seitdem ist das Verhältnis zwischen uns irgendwie komisch, und ihren Partner kann ich ehrlich gesagt auch nicht wirklich leiden. Wir haben seitdem auch nicht mehr gesprochen, ich werde mich aber bald mal bei ihr melden und fragen, ob alles gut ist", beendete ich meine Erzählung.
„Armer Artur", Alicia strich ihre blonden Haare nach hinten. „Wir konnten ihn bisher auch noch nicht erreichen, ihm muss es echt dreckig gehen", ergänzte Matt sie. Wir redeten noch ein wenig über all das, was bisher passiert ist und nach etwa zwei Stunden neigte sich der Call langsam zum Ende.

Wir hatten noch einen Schwimmbadbesuch für heute geplant. Von der Regierung wird geraten, möglichst viele Aktivitäten, gerade am Anfang zu tätigen, sodass wir uns letztendlich für das Schwimmen entschieden, zu Freuden von Theo, denn Schwimmen war sein größtes Hobby. Angekommen in der Schwimmhalle wurden wir freundlich begrüßt. „Ihr seid aber ein schönes Paar", schaute er uns lächelnd an, doch irgendwas in seinem Lächeln war nicht echt. Schnell kauften wir die Tickets und machten uns auf den Weg zur Umkleide. „Der Typ hat mir irgendwie Angst gemacht", sagte ich und schaute skeptisch zurück zu dem Mann, welcher bereits de nächsten Besucher mit diesem gruseligen Grinsen begrüßte. „Schon irgendwie", er nahm meine Hand und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, ohne weiter auf den Mann einzugehen.

Wir zogen uns um und schwammen unsere Runden – Theo natürlich fünf Mal schneller als ich. Vergeblich probierte ich mir nicht anmerken zu lassen, wie kaputt ich danach war.
Vielleicht sollte ich doch wieder mit dem Joggen anfangen. Nach ein paar Stunden Schwimmen und einer großen Portion Pommes machten wir uns wieder auf den Weg zur Umkleide. Theo verschloss die Tür und drückte mich plötzlich gegen die Wand. Erschrocken schaute ich ihn an. „Du willst wirklich - also hier und jetzt?"
„Ja Juliette, du hast mich schon die ganze Zeit verrückt gemacht mit deinem sexy Bikini", hauchte er und fing an meinen Hals zu küssen. Als er an meinen Brüsten angelangt ist wurde meine Atmung langsam flacher. Ich realisierte gerade selber nicht, dass wir es in einer Umkleide machten. Ich realisierte all das nicht. Hätte ich anders reagiert, wenn er mich wirklich gefragt hätte und nicht einfach angefangen hätte?

Als wir auf dem Weg zur Haltestelle waren hielt Theo die ganze Zeit meine Hand und machte mir Komplimente. Komplimente, die irgendwie wie an einer Wand bei mir abprallten. Seit dem Sex in der Umkleide war ich irgendwie wie von einer Blase umhüllt und nahm meine Umgebung und Theo nicht mehr richtig war, einzig meine Gedanken waren klar. Als würden sie sich durch die Blase durchkämpfen wollen, gelangten sie ganz automatisch zu mir.
Ich blickte in den Sternenhimmel hinauf und fixierte mich auf den hellsten, perfekten Stern. Dann schwenkte mein Blick zu den anderen Sternen, und erst als ich sie mir genauer ansah, bemerkte ich ihre Schönheit und wollte nie wieder auf den hellsten, perfekten Stern zurückschauen.

Die nächste Bahn kam in 3 Minuten und noch immer faszinierte mich der Sternenhimmel. „Wollen wir gleich noch was zusammen kochen?", fragte mich Theo lächelnd und strich eine Strähne aus meinem Gesucht. „Ich habe nicht so Hunger", antwortete ich und lächelte ihn entschuldigend an. Viel mehr hatte ich gerade das Bedürfnis mich auf den Balkon zu setzten und ganz ungestört Gitarre zu spielen und unter dem Sternenhimmel meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Aber diesmal lieber ohne Singen.

Plötzlich sah ich eine dunkle Gestalt auf der anderen Seite des Bahnsteigs. Sie sammelte Sachen vom Boden auf und trug schwarze Kleidung, sodass sie fast von der dunklen Nacht verschluckt wurde. Doch eins verriet sie. Die grauen, leuchtenden Augen. Für einen kurzen Moment schauten mich diese Augen emotionslos an. Ich war mir sicher - Da hinten stand Artur.

„Artur!", rief ich laut, woraufhin mich die Person mit dem selben ausdruckslosem Blick wie eben anschaute. Genauso schnell wand er den Blick dann auch wieder ab. „Hey Artur, ich bin's, Juliette", probierte ich es erneut, doch er schenkte mir keinerlei Beachtung.

„Bist du dir sicher, dass er es ist? Er scheint dich nicht zu erkennen", fragte mich Theo stutzig. „Ja, das ist er, ich bin doch nicht verrückt", antwortete ich vielleicht ein bisschen lauter als gewollt.
Die Bahn fuhr ein und ich als zurück guckte, war Artur verschwunden. Verwirrt schaute ich aus dem Fenster und folgte der vorbeiziehenden Landschaft. „Du hast ihn bestimmt verwechselt, so jemanden wie dich muss man doch erkennen", er beugte sich zu mir rüber und küsste mich.

Verzweifelt ließ ich meinen Kopf nach hinten fallen lassen. Irgendwas hier stimmte gewaltig nicht.

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