Kapitel 13

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Kapitel 13

Mein Herz pochte wie wild. Nur leider war es nicht dieses Pochen, was man vor seinem ersten Date verspürte, wenn man Bauchschmerzen vor Aufregung hatte und dazu einem noch das Herz bis zum Hals schlug. Nein, es war dieses Pochen, bei dem man wusste, dass in jeden Moment alles zusammenbrechen konnte.
Es hatte keinen Zweck Theo was vorzumachen, ihn mal wieder eine Lüge vorzuspielen, dass ich die Nachricht nur aus Versehen im Vorbeigehen gesehen hätte, zumindest einmal musste ich ihm die Wahrheit sagen.

„Theo, wer ist Janine?", probierte ich möglichst sicher zu fragen, doch das Bröckeln in meiner Stimme war nur schwer zu ignorieren.
„Eine Arbeitskollegin, sie arbeitet seit ein paar Wochen in meiner Abteilung", antwortete er ohne jegliche Emotion.
Ich könnte hier raus nun eine Art Verhör machen, ihn irgendwie auf die Folter spannen oder einen mitleidigen Monolog starten, doch ich hatte keine Lust auf all dies. Ich wollte einfach Antworten, und falls es sich nur um ein Missverständnis handelte, hatte er es nicht verdient, dass ich eine Sekunde länger Schlechtes über ihn dachte.
„Hast du ein Verhältnis mit ihr? Sie hat dir geschrieben", nervös hielt ich ihn die Nachricht vor sein Gesicht, sodass durch das Handylicht seine Mimik noch mehr zum Vorschein trat und das ganze doch etwas von einem Polizeiverhör hatte.

In diesem Moment hatte ich mit womöglich Allem gerechnet, nur nicht mit dem was er jetzt tat.
Er brachte in Gelächter aus. Kleine Falten legten sich neben seinen Augen ab, die wie immer wenn er lachte, ganz klein wurden. Als sich meine Miene jedoch um kein Stück veränderte, klärte er mich schließlich auf.
„Das ist doch gerade ein Scherz, hast du wirklich eine Sekunde lang gedacht, dass ich dir fremdgehe?", immer noch sehr belustigt schaute er mich mit seinen blauen Augen an. Die Augen, die zuerst wie ein strahlender Himmel glitzerten, doch als er realisierte, dass ich gerade absolut nicht in der Laune für Scherze war, plötzlich ganz kalt wurden, als hätte sich eine dunkle Wolke vor den blauen Himmel geschoben.
„Juliette", er schaute mich ungläubig an. „Du- Du hast an meiner Liebe zu dir gezweifelt?", Theo schien es immer noch nicht zu glauben und probierte in meinem Gesicht irgendein Anzeichen darauf zu finden, dass er im Unrecht stand. Dass ich niemals an seiner Liebe gezweifelt hätte. Doch sobald man selbst anfängt an seiner Liebe zu zweifeln, traust du es auch allen Anderen zu.

Zum ersten Mal in all den Monaten sah ich echte Enttäuschung in seinem Gesicht.
„Janine ist eine Arbeitskollegin, die ihren Partner vor etwa einem Jahr an einem Unfall verloren hat. Momentan ist sie partnerlos und wartet auf das Zweitverfahren. Du weißt nicht wie Leute sind, wenn sie keinen Partner haben, keine Liebe bekommen. Diese Frau ist verrückt, sie denkt aus uns beiden könnte etwas werden, dabei weiß sie, dass ich eine Partnerin habe. Die Menschen, die plötzlich ohne Partner da stehen können nicht ohne Liebe, deswegen suchen sie sich möglichst schnell nach einem Ersatz. Sie glauben, sie sind stärker als das Verfahren und könnten sich zwischen zwei Menschen drängen, die für einander bestimmt sind, was natürlich unmöglich ist, diese Leute sind verrückt und brauchen dringend einen neuen Partner.", klärte er mich fassungslos auf.

Das Zweitverfahren war für all die, dessen Partner umgekommen ist oder für die, dessen Partner sie auf Grund gewisser Krankheiten nicht mehr glücklich machen konnte. Bereitet einem der Partner mehr Anstrengung als Zufriedenheit, so ist das eigene Glück gefährdet. Ich habe von einer Klassenkameradin erfahren, dass ihre Schwester durch einen Schicksalsschlag starke Depressionen bekommen hatte und ihr Partner sie dann der Regierung gemeldet hatte und sie zu einem Ort verfrachtet wurde, wo sie die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen würde, um wieder glücklich zu werden. Der Partner durfte also am Zweitverfahren teilnehmen und bekam eine neuen Partnerin zugewiesen. Am Ende sollten wohl beide wieder glücklich gewesen sein.

Insgesamt wurde aber nie viel über das Zweitverfahren erzählt. Die Informationen, die uns über schwere Krankheitsfälle und Todesfälle eines Partners erzählt wurden, hielten sich sowieso in Grenzen. Wenn es so sein sollte, sollte man sich nur an die Regierung wenden und alles würde wieder gut werden. Da es uns ein Leben lang von allen Seiten so eingetrichtert wurde, hat man sich nie viel Gedanken darüber genacht, weder hat man es großartig hinterfragt, die Regierung sei ja auf das Glück der Bevölkerung bedacht und zu viele Gedanken seien nur schlecht für uns.

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