Warum kann es nicht mal brenzlig werden, wenn ich gerade nicht schlafe?!

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„Kein Fangirling!", warnte ich Scarlett ein letztes Mal, bevor ich auf den grünen Hörer drückte.

„Gracie, mir ist was aufgefallen", begrüßte Spidey mich auch sofort hektisch, „Wir müssen uns heute knapp halten, wir haben ja Oscar nicht als Absicherung und... Oh, hey, Freundin von Gracie!"
Ich lachte. „Spidey, das ist Scarlett. Sweetheart... Ich brauche ihn dir nicht vorzustellen."
„Hi!", meine beste Freundin winkte ein wenig zögerlich – diese Schüchternheit kannte ich gar nicht von ihr!

„Ah, du hast grüne Augen!", stellte mein Buddy fest, „War ja klar. Tja, ich nicht, deswegen die Maske."
Und auch das war erstaunlich: Er verhielt sich so gar nicht peinlich! Meine beiden besten Freunde hatte wohl die Rollen getauscht...

„Hör mal, Buddy, ich habe da-" Ich unterbrach mich selbst, ihn mit gerunzelter Stirn beobachtend. „Ist alles in Ordnung?"
„Irgendwas liegt in der Luft... Ich bekomme merkwürdige Signale, aber... Keine Ahnung..." Er sah sich suchend um.
„Dann geh mal ein paar Menschen retten", lächelte ich, „Wir sehen uns!"

Ich legte auf, suchte den Blick meiner besten Freundin – und zog überrascht die Augenbrauen hoch. Scarlett schloss ihren bis dahin weit offenstehenden Mund und verzog ihn zu einem Lächeln mit beunruhigenderweise leicht sadistischen Zügen. „Alles klar, ich shippe euch", stellte sie dann fest. „Was-"
„Erzähl' mir nichts vom Osterhasen, ich mache dann die Trauzeugin auf eurer Hochzeit."
„Scarlett-"
„Ich sehe dieses Gespräch als beendet an."
So, da hatten wir's mal wieder: Auch eine Stark kann sprachlos gemacht werden. Diese Diskussion hatte Scarlett wohl definitiv gewonnen... Naja, es würden noch viele weitere folgen.

*

Entsprechend lang wurde die Nacht, und obwohl wir uns Ewigkeiten nicht gesehen hatten, verschliefen wir den halben nächsten Tag.
Kein Stress, wir würden die nächsten sechs Wochen gemeinsam in Amerika verbringen – und ich wusste, dass mich Scarlett als meine beste Freundin mein Leben lang begleiten würde. Sie scherte sich nicht um den Bekanntheitsgrad Iron Mans und war weder auf Geld noch auf Berühmtheit aus – sie hatte mich schließlich zehn Jahre bis hierhin ausgehalten – und das war einfach sehr angenehm zu wissen. Es war eine Art Absicherung, denn wenn ich mein Leben mit den Avengers nicht in den Griff bekam, hatte ich immer noch einen sicheren Hafen, zu dem ich zurückkehren konnte.

Irgendwann nach dem Brunch tauschte ich dann meine Gammelklamotten gegen ein gesellschaftsfähiges Outfit ganz in schwarz – obwohl mein ‚Giftblatt' sicher kein Grund zur Trauer war.

Nun, die Zeugnisausgabe war größtenteils langweilig, und ich zählte die Minuten, bis ich zu Scarlett in die Freiheit entlassen wurde.
Wir klapperten dann unsere Lieblingsplätze in Leipzig ab, quatschten, kochten zusammen, quatschten noch mehr... es war so herrlich normal. Und trotzdem vermisste ich meinen Dad und mein neues Leben in New York. Scarlett würde Amerika perfekt machen - mein persönliches Paradies, wenigstens für sechs Wochen...

*

Samstag war es auf jeden Fall nicht mehr, als wir dann ruhe gaben und ins Land der Träume drifteten.
So kam es mir vor, als hätte ich nur wenige Minuten geschlafen, als ich von Highway to Hell geweckt wurde... Im ersten Moment dachte ich, ich hätte meinen Wecker vergessen auszustellen, aber mein Starkphone zeigte eindeutig einen Anruf von Dad an.

„Es ist hier mitten in der Nacht!", meldete ich mich schlaftrunken zu Wort.
„Kid, ich will, dass du sofort nachhause kommst", ignorierte mich mein Vater.
„Was?", jetzt war ich nur noch verwirrt, „Unser Flug geht morgen – nee, ist ja schon heute... und ich habe noch gar nichts gepackt!"

Scarletts verwuschelter Schopf tauchte unter ihrem Deckenknäul auf und ich stellte das Telefonat auf laut.
„Der Quinjet landet in fünfzehn Minuten. Wir haben hier Notstand."

 Ich schüttelte den letzten Schlaf ab und beschloss, ihm einfach blind zu gehorchen. „Okay, bin unterwegs."
Auf diesen Kommentar hatte er augenscheinlich nur gewartet, denn er legte sofort auf.
Ich suchte etwas ratlos Scarletts Blick, die mit ihrem kühlen Kopf – ja, sie war ziemlich objektiv, wenn sie nicht gerade fangirlte – die Situation schneller erfasst hatte und mir sofort meine Lieblingsjacke zuwarf. „Mach schon, ich komme nachher wie geplant mit Gepäck und Seymour nach."

Dankbar drückte ich ihr einen Kuss auf die Wange, griff rasch nach dem Nötigsten und schlich die Treppe herunter – es lebten hier ja noch Leute, deren Väter nicht um vier Uhr nachts die Welt retten mussten.

Blieb nur noch eine Frage offen: Wie zum Teufel würde ich den Flughafen überhaupt erreichen?
Ich meine, ich hatte durchaus einen Plan B – ich hatte immer einen Plan B – aber sonderlich angenehm, vor allem nachts in Leipzig bei gerade einmal drei Grad, war der nicht.
Und Scarlett wäre vermutlich eher semi-begeistert davon, mich bei diesen Verhältnissen auf ihrer Vespa zum Flughafen zu fahren.

Aber bekanntlich lösten sich einige Probleme auch von selbst – die wenigsten, bedauerlicherweise – und in mir mischten sich Erleichterung und Resignation, als ich den dunklen Wagen vor Johannsons Haus antraf.
„Happy, was machst du hier?", fragte ich den Beifahrersitz erklimmend.

„Ich bin dein Bodyguard, glaubst du, dein Vater lässt dich jetzt noch allein in der Weltgeschichte herumfliegen?" Er schob sich die Sonnenbrille auf die Nase – nachts! Gehörte das nicht zu unverantwortlichem Fahren oder so? – und startete den Motor.
„So viel zum Fliegen ohne Babysitter", murmelte ich, „Was heißt denn überhaupt jetzt noch? Es hält ja niemand für nötig, mich aufzuklären, was zum Teufel gerade vorgeht!"
„Aufklärungsgespräche gehören nicht zu meiner Stellenbeschreibung", war der einzige Kommentar, den ich dazu erhielt.

Jene Stellenbeschreibung nahm Happy allerdings sehr ernst und ließ mich nicht aus den Augen, bis wir in New York landeten.
Hier war es bereits früher Vormittag, und auch ich dunkelte jetzt meine Brille angesichts des wolkenlosen Himmels etwas ab.

Happy legte nicht einen Stopp ein, sondern fuhr mich direkt zum Tower und schickte mich in den Gemeinschaftsraum. Er selbst wartete im Auto vor dem Eingang und überließ meine Sicherheit Friday.
Sehr zu Begeisterung Oscars, der jetzt alle ihm zugänglichen Geräte auf niedrigste Helligkeitsstufe stellte – seine Version von Schmollen.

***

So, da bin ich wieder - doch etwas früher als geplant. 😉
Seymours Bild befindet sich jetzt auch im vorigen Kapitel.
Irgendwelche Vermutungen, was der 'Notstand' heißen könnte? 

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