Rotkäppchen und der (nicht ganz so) böse Wolf

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Das letzte Kapitel war natürlich mehr ein Aprilscherz als alles andere und so eigentlich auch gar nicht geplant 😉
Aber es bleibt trotzdem drin, und jetzt geht es in der Storyline weiter...
(Auf dem Bild findet ihr übrigens Scarlett.)

***

Ich fuhr hoch, als mein Wecker klingelte.
Alles klar, was war das gerade für ein Traum gewesen?
Das war doch nicht normal.

Und es war traurig, dass er sogar weitaus mehr Sinn machte als der Gedankenmüll, den mein Kopf beim Schlafen sonst immer produzierte.

Egal. Blieb nur noch eine Frage offen: Warum genau meldete sich ACDC bei mir um – ich checkte kurz meine Armbanduhr – drei Uhr NACHTS?!

Dann fiel mir auf, dass ich Scarlett noch ein paar Informationen zuschieben wollte.
Klar, in Deutschland war jetzt friedlicher Abend.
Wer hatte gleich nochmal die Zeitverschiebung erfunden?
Ja, niemand, das ist mir auch klar, Hirn!

Kaum zu glauben, dass ich noch vor gerade dreißig Stunden mit Scarlett und Seymour in meiner Wohnung- SEYMOUR!!!
Plötzlich saß ich starr vor Schreck auf meinem Bett, dann hechtete ich zu meinem Handy. Auf diesen Schnellstart hätte ich sogar in Leichtathletik fünfzehn Punkte bekommen (und das bekam ich nie).

„Oscar, ruf Scarlett an!", befahl ich knapp und wartete hypernervös auf das Tuten.
Endlich knackte die Leitung.
„Schön, dass du dich auch mal meldest, Honey", meldete sich die ironische Stimme meiner besten Freundin.
„Ich hab da jetzt keine Zeit für, Scarlett, ich bin in Amerika und Seymour ist allein in meiner Wohnung!"

Erstmal nur Stille. Aber auch dann erfolgte keine sonderlich erfreuliche Antwort: „Ich würde ja lachen, aber erstens war das nicht witzig und zweitens kannst du dir nach zwei Tagen Funkstille keinen Prank erlauben."
Ich stöhnte verzweifelt auf. „Hör zu, es tut mir leid. Aber ich meine es ernst, ich bin in Amerika bei meinem Dad."
„Deinem Dad?!"

Ergeben schloss ich die Augen. „Ja. Tony Stark."
„To- Du willst mir doch nicht ernsthaft-... Bitte was?!" Ihre Atmung wurde schwerer. „Erstaunlicherweise... Glaube ich dir. Jesus, das passt wie Arsch auf Eimer. Warum... Wie lange weißt du das schon?"
Sie würde sowas von enttäuscht sein. Aber sie war meine beste Freundin, wenn nicht mit Ehrlichkeit würde ich nicht weit kommen. „Seit ich neun bin."
„Alles klar." Sie lachte freudlos auf. „Schön."

Ich blieb still. Alle Erklärungsversuche von wegen „Ich durfte nichts sagen" würden es nur schlimmer machen – Harry Potter gab da am Anfang von Teil fünf ein hübsches Beispiel ab.
„Zum Abschlusswochenende komme ich wieder rüber, bis dahin brauche ich jemanden, der sich um Seymour kümmert."
Scarlett schwieg für unendlich lange zwei Minuten, dann hörte ich sie etwas murmeln wie „Du bringst mich noch ins Grab". Sie seufzte noch einmal. „Nur, dass das klar ist, du stellst mir die Avengers vor. Und wenn ich in die Hölle komme, schiebe ich das auf deine Terrorkatze."

 Ich grinste unwillkürlich. „Du bist die Beste, Scarlett."
Sie schnaubte, aber ich konnte ihre Augen – wunderschöne Augen, so nebenbei bemerkt – förmlich blitzen sehen. „Ja, ja. Die Welt wird mich vermissen, wenn Scar mich umbringt."

Ja, da machte ich mir auch Sorgen. Aber nicht um sie: Wenn ich ihn nach einem Monat wiedersah, würde mein Kater mir nicht mal mehr die Schwanzspitze zudrehen.

Gott, wie ich ihn vermisste. Und Scarlett auch. Die beiden würden alles so viel einfacher machen...
"Ich rufe morgen wieder an, Sweetheart. Schlaf gut."
"Du auch, Honey!"

„Kann ich dir noch etwas Gutes tun, Gracie?", fragte Oscar dann beinahe sanft, und prompt lächelte ich wieder. Wenigstens er war immer bei mir.
„Danke, Oscar. Aber bei Heimweh hilft nur Ablenkung." Ich hätte nie gedacht, dass ich Leipzig mal vermissen würde.
Aber das Zuhause war eben immer noch da, wo Familie und Freunde waren - und Letzteres hatte ich hier in New York nicht.

Kurzerhand schnappte ich mir meine rote Beanie und meine heißgeliebte olivgrüne Jacke – sie hob meine grünen Augen hervor, die wegen meiner Brille sonst eher blau wirkten – und schlich aus dem Raum.
Oder versuchte es zumindest. Weit kam ich nicht.
Im abgedunkelten Gemeinschaftsraum ließ mich eine Stimme erstarren: „Komm bloß nicht vom Weg ab, Rotkäppchen."
Ich ließ meine angespannte Haltung fallen und drehte mich genervt um. „Wenn ich Rotkäppchen bin, dann bist du der böse Wolf."

Mein Dad richtete sich aus seiner halb liegenden Position auf dem Sofa auf und machte eine einladende Geste. „Komm her, Kid, wir haben einiges zu besprechen."
Ich haderte noch kurz mit mir selbst, zog dann eine Grimasse und ließ mich neben ihn fallen.

 „Du willst mich gar nicht hier haben, kann das sein?"
„Nein Kid, das ist nicht wahr." Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und schien in Erinnerungen zu versinken. „Drüben in Sibirien... Das waren keine schönen Erfahrungen. Sie haben mich verändert."
Ich presste meine Lippen zusammen und musterte ihn mit klopfendem Herzen. „Dann erzähl mir, was passiert ist."
„Das kann ich nicht", antwortete er sofort, „Niemandem."
„So kann ich dir aber nicht helfen!", ich wurde immer verzweifelter.

Mein Dad lächelte halb, oder versuchte es wenigstens. „Du sollst mir nicht helfen. Du bist mein Kind, Gracie – das ist nicht deine Aufgabe."
„Das hat Mom auch immer gesagt." Ich überdeckte meine Angst mit Wut. „Jetzt ist sie tot."
Dad ließ seine Hand sinken und sah mir fest in die Augen. „Kid, ich werden nicht depressiv. Was auch immer passiert, ich lasse nicht zu, dass ich Depressionen bekomme. Versprochen, okay? Weil ich weiß, was das mit dir machen würde."

„Okay", zittrig atmete ich tief durch, versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.
„Geh jetzt schlafen, ja?" Dad klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
„Okay", wiederholte ich, „Du aber auch."
Sein Lächeln war jetzt ehrlich.

***

Habt ihr eigentlich Wünsche für Gracies Zukunft?
Ich hänge gerade etwas bei Teil 2 und würde mich über Inspirationen freuen 😉

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