Wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, habe ich Doctor Stranges Arbeitsplatz nach Massachusetts verlegt. Nehmen wir einfach an, er und Christine Palmer wären sowieso dorthin versetzt worden, wenn Strange den Unfall nicht gehabt hätte.😉
***
Wenige Stunden, aber dafür umso mehr Sicherheitshinweise meines Vaters später landete ich den Quinjet – ständig in Stealth-Mode natürlich – auf einer der Freiflächen in der Nähe des Massachusetts General Hospital.
Seymour – noch einmal würde ich ihn sicher nicht allein lassen! – sprang zufrieden von seinem neuen Lieblingsplatz auf dem Armaturenbrett auf meine Schulter. Es hatte ihm wunderbar gepasst, dass er durch die Frontscheibe des Jets alles beobachten konnte; er hatte sich wohl wie der König gefühlt, für den er sich auch sonst hielt.
Nun, da er auf sein übliches Transportmittel zurückgekehrt war, wartete er unberührt darauf, dass es endlich losging.
Wir hatten Sonntag, also würde ich Strange höchstwahrscheinlich in seiner Wohnung antreffen – und die steuerte ich jetzt auch an. Sie lag in einem Loft in einem der höheren Gebäude Bostons, und ich war mir ziemlich sicher, dass man das Krankenhaus durch die Fensterfront beobachten konnte.
Ein Fahrstuhl beförderte mich direkt zu Stranges Eingangstür – also, normalerweise brauchte man einen Code für diese Etage, aber als Stark war ich definitiv nicht normal – und klopfte aus Mangel einer Klingel.
„Ist offen!", ertönte eine melodisch-männliche Stimme, wohl nur Bekannte hier erwartend.
Auch wenn ich das nicht war, trat ich ohne zu zögern ein und streifte meine Schuhe ab. Ich war ja höflich.
Nebenbei setzte ich Seymour auf der Kommode im Flur ab und zog eine Dose Katzenfutter aus der Seitentasche meines Rucksacks. Es war schon fast zu spät für die übliche Mahlzeit meines Katers, obwohl ich sonst immer auf Regelmäßigkeit achtete.
Ich trat zu dem Zimmer, aus dessen Richtung die Stimme gekommen war. Der Gesuchte saß mit dem Rücken zu mir auf einem Sofa, eine Akte auf dem Schoß. Zögernd verharrte ich im Türrahmen: „Doctor Strange?"
Geschockt fuhr er herum. „Wer bist du und wie kommst du hierher?", fragte er mit verengten Augen, zwar in Hab-Acht-Stellung, aber er blieb sitzen.
„Ich bin Gracie Stark." Das dürfte beide Fragen beantworten. Ich musste mich schnell entscheiden, wie ich vorging... Hau-drauf-ohne-Konsequenzen war zwar ganz nett, aber ziemlich problematisch, wenn er den Stein doch nicht hatte.
„Die Zeitungen werden sich interessieren, wenn eine Stark Hausfriedensbruch begeht."
„Sie werden sich auch interessieren, wenn ein renommierter Arzt mit unbekannten Mitteln Tode rückgängig macht." Ach, seien wir doch ehrlich: Wenn ich vermutete, dass er den Stein hatte, dann hatte er ihn auch.
Strange stand jetzt auf. „Du kommst in mein Haus, fragst nicht um meine Erlaubnis und glaubst, du kannst mir drohen?"
„Ich möchte Ihnen nicht drohen", versicherte ich, „Ich möchte Sie bitten. Haben Sie die Kontrolle über die Magie bereits erlangt?"
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Wovon redest du eigentlich?"
Ich verdrehte die Augen. „Sie sagen, Sie seien ein Genie, da haben Sie sicher schon verstanden." Ich nickte in Richtung des verdeckten Faches unter dem Wohnzimmertisch. Oscar hatte während unseres kurzen Gespräches natürlich bereits den Raum gescannt und die Energiequelle lokalisiert.
Ebenjene Schublade öffnete sich jetzt und ein Umhang entfaltete sich daraus, schwebte seitlich auf Strange zu und überkreuzte die vorderen Zipfel. Ich sag ja, es ist keine gute Idee, mich wegzustopfen, schrie sein gesamter Ausdruck. Und ja, mir war bewusst, dass ich über den Ausdruck eines Stückchen Stoffs redete.
Der Doc hob sein Kinn in meine Richtung. „Und was wollen die Avengers von mir?"
„Ihre Hilfe", sagte ich schlicht, „Und Gewissheit, dass Sie Ihre Macht nicht missbrauchen."
„Sie wollen mich überwachen", übersetzte Strange.
Da musste ich ihm jedoch widersprechen: „Nein, die Magie gehört nicht zu unserem Metier. Wir stehen in Zusammenarbeit mit Wong, einem Zauberer, der Sie unterstützen könnte."
Stranges Blick wanderte durch den Raum, man konnte seine Gedanken förmlich rasen sehen.
Dann fanden seine Augen wieder meine: „Warum sollte ich das tun?"
Musste ich meinen Rectus inferior noch erwähnen? „Ich lasse mal die Schicksal des Universums-Rede stecken und kürze es auf ‚Allgemeinwohl' ab, ja?"
„Wie du so treffend erkannt hast, rette ich Menschenleben mit dem Zeitstein. Reicht dir das für das Allgemeinwohl?", fragte er spöttisch.
Ich stöhnte auf und barg mein Gesicht in den Händen. „Angriff ist die beste Verteidigung, hm? Ich weiß, dass diese neuen Welten, die sich Ihnen jetzt eröffnen, bedrohlich wirken... Ich weiß es. Ich wollte das nie so erfahren... ich bin vierzehn, verdammt."
Erstaunlicherweise steckte hinter diesem Geständnis nur ein Bruchteil Schauspielkunst. Strange hatte etwas an sich, dass ich ihm auf merkwürdige Art und Weise vertraute... Sein Blick wurde weicher.
„Können wir das später ausdiskutieren?", bat ich, „Ich bin einfach nur noch müde."
Wieder sah er mich lange Zeit an, dann erhob er sich und steuerte die Küche an.
„Zweite Tür links", rief er noch über die Schulter.
Ein kurzer Blick auf den holographischen Grundriss bestätigte mir, dass ich dort ein Gästezimmer finden würde.
„Ach ja, Stark?", rief Strange mir noch hinterher, und ich trat in seine Sichtweite. „Glaube bloß nicht, dass ich dir vertraue. An meine Tränendrüsen reichst du nicht heran."
Ich lächelte unwillkürlich. „Natürlich nicht, Strange." Und dann, wie nebenbei, rutschte mir ein „Danke" heraus.***
Über Kommentare würde ich mich freuen 🙃
Ich stecke gerade in einem kleinen Motivationstief, also wenn ihr irgendwelche Anmerkungen oder Wünsche habt, bin ich dafür offen. 😉
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Iron Kid
أدب الهواةGracie Stark. Iron Mans Tochter mit einem merkwürdigen Faible für grüne Augen, Fantasyliteratur und den Musculus rectus inferior. Sie mischt das Leben der Avengers - oder dem, was nach dem Civil War davon übriggeblieben ist - gehörig auf, würde am l...