Chan-Königin der Oni
Kız-Tochter
oğul-Sohn
Nine-Großmutter
Noch ein letztes Mal ließ ich den Blick über die Vorhalle meines Tempels schweifen. Mein Armband hatte mal wieder gejuckt, eigentlich ein Zeichen für einen Eindringling. Was in der Regel neue Schüler bedeutete, wenn ich sie rechtzeitig erwischen und festsetzen konnte. Kopfzerbrechen machte mir allerdings die Tatsache, dass ich mich vor kurzem an mein belauschtes Gespräch erinnert hatte und das Gefühl nicht los wurde, dass der Eindringling damit in Verbindung stand. Mein Blick blieb an einem Punkt in der Nische neben der Tür hängen. Langsam nährte ich mich der kleinen Gestalt.
Mir den Rücken zugewandt, war die Gestalt ein perfektes Opfer. Sie trug ein Tuch über Mund und Nase, eine schwarze Kampfhose und eine gleichfarbige Jacke. Ich schätzte das Mädchen auf ca. zwanzig oder einundzwanzig. Ohne zu zögern, griff ich sie an den Handgelenken und meine Magie strömte durch sie hindurch. Die Fremde hatte eine starke, aber sichtlich verwirrte Eigenmagie, welche ich nicht definieren konnte. Es war fast schon schade, dass sie kein Mensch war.
Ihr Geist wies dieselben Irritationen auf, die sich auch nach einem Anstupsen nicht veränderten. Stattdessen wurden die Irritationen auf mich aufmerksam und wehrten sich. Der Schmerz begann in den Händen und im Kopf und breitete sich rasch aus.
Gerade noch rechtzeitig schob ich den rechten Ärmel des Mädchens nach oben und erschrak über meinen fatalen Fehler. Sie war zwar meine letzte Chance, konnte aber auch genauso gut mein Todesurteil sein. Denn das Armband der Oni verriet mir alles über die geschwächte Gestalt:
Oni. Keine ist wie die andere, der Tee der einen ist das Todesurteil der anderen.
Schwarzmagierin. Berühre auch nur das Blut der Falschen und die Eigenmagie bringt dich um.
Meisterin der Zeit. Die Gabe, über den Lauf der Dinge zu herrschen.
Chan. Ihr Wort steht über allem, sie ist deine Gebieterin und dein Schutz gegen das Licht. Die einzige kız meines ersten oğlu.
Urplötzlich hatten die Schmerzen ein Ende.
Der Himmel war dunkel, der Mond verbreitete nur einen sanften Schimmer. Das grüne, saftige Gras war kurz, abgestorben und durchzogen von der kalten Flamme. Die langen Halme bogen sich und zitterten in der leichten Briese, obwohl keinerlei Wind zu spüren war. Mit einem Tosen spülte das Meer seine Wellen lautlos direkt neben mir an die Steine des meilenweit entfernten Sandstrandes. Alles um mich herum war ein einziges Paradoxon. Als ich mich aufrichtete, bemerkte ich eine Anhäufung der Kalten Flamme, nicht weit entfernt. Schritt für Schritt ging ich vorsichtig auf die Kalte Flamme zu. Die Flamme erhob sich zu einer merkwürdigen Gestalt.
Sie hatte den buschigen Schwanz einer Wildkatze, Beine eines Oni, der Körper war in Gestalt eines Menschen und die Arme waren zugleich pechschwarze Flügel. Das Mädchen hatte pechschwarzes Haar und die linke Hälfte des Gesichtes war von einer langen Narbe grausam entstellt worden, welche geistergrün schimmerte. Die eigentlich schwarze Pupille ihres rechten Auges war in ein dunkles Lila getaucht und wurde von einer Iris aus vier Ringen in den Farben der Zeit umgeben. Der Augapfel selbst war pechschwarz wie die Kleidung des Mädchens.
Ebenso hatte sie den Kopf einer Oni mit den pechschwarzen Hörnern. Sie war kein Mensch, sondern eine Oni. Auf ihrer linken Brust prangten die ineinander verschnörkelten Symbole „Oni", „Schwarzmagierin" und „Meisterin der Zeit". Die Magierin selbst saß schwach auf der Wiese, die Beine angewinkelt und auf die Arme gestützt. Unter ihr lag eine Urschlange, etwa so groß wie ein Kampfmesser.
„Wer...? Wo...? Wie...? Sind wir...?" war alles, was ich herausbrachte, bevor meine Beine nachgaben und ich in das trockene Gras voller Morgentau stürzte. „...tot?" vervollständigte sie mit einer rauen Stimme, die sanft an mein Ohr drang und fuhr fort: „Nein, aber wir waren kurz davor. Sieh selbst". Sie strich mit der Hand über das Gras und in dem Flimmern der Halme sah ich von oben herab in die Eingangshalle des Tempels. Das Bild, dass sich mir bot, war erschreckend. Krämpfe durchzogen meinen Körper, sie lag regungslos da und die Urschlange war nicht zu sehen. „Wie hast du...?" stotterte ich.
„Bewusstseinsverschmelzung" gab sie nur zurück. Hä? In ihrem Zustand? „Aber deine Magie...sie ist irritiert!" fuhr ich verwirrt fort. Sie schüttelte den Kopf. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus und der grünliche Schimmer begann, zu verblassen. „Es hat begonnen!" seufzte die Magierin und sank vollends in das Gras. Dabei rollte sie sich sachte ab und fiel neben die Urschlange. Während sie und die Schlange langsam verblassten, verwandelte sich das Kribbeln in Schmerzen. Unaufhörlich wurden die Schmerzen intensiver, schlimmer. Schließlich lag ich krampfend auf dem Rücken, meine Schreie hörte ich längst nicht mehr.
Ich stand in einem Zimmer, es war das Palastzimmer der Chan. Urplötzlich erschien Lelahs Geist und zog ein schlafendes Mädchen aus ihrem Körper. Neben dem Mädchen lag ein Junge, ebenfalls schlafend. „Mitkommen, Kleines" befahl sie dem Mädchen und zog sie mit, geradewegs auf eine Wand zu. „Was habe ich denn jetzt wieder angestellt?" fragte das Mädchen noch etwas benommen. Mich schienen die beiden nicht zu bemerken. „Jene Sprache, auf der du Jiro gesprochen hast, wie gut beherrscht du diese?" fragte sie mit ihrer wie üblich rauchigen Stimme. „Muttersprachlerin" gab die Jüngere nur zurück. Lelah zog sie durch die Wand und sie standen im staubigen Nebenzimmer. Meinem Zimmer. „Diese Räumlichkeiten waren einst Kodokuna vorbehalten, seit seiner Verurteilung wurden sie nicht mehr gepflegt" erklärte sie. Wofür die Spinnenweben und der Staub sprachen. Ohne auf eine Antwort zu warten, griff sie nach einem der staubigen Zettel auf dem Schreibtisch und hielt ihn dem Mädchen hin. Ich erkannte ihn als eine meiner Kritzeleien, geschrieben irgendwann tagsüber. „Kannst du das lesen?" fragte sie bestimmt. Das Mädchen nahm ihr den Zettel ab und erschrak. Sie konnte es sehr wohl lesen. „Und das hat wirklich Kodokuna geschrieben?" hakte sie ungläubig nach. „Nine hat ihn dabei beobachtet. Kannst du das lesen?" gab Lelah nur zurück. Seufzend erklärte die Kleine ihr: „Diese Zeilen sind sehr alt, jedenfalls für Menschen. Ich kenne diese Zeilen aus dem Musikunterricht in den Welten" „Und das soll jetzt ein Grund sein, tagsüber um 14 Uhr so einen Radau zu veranstalten?!" unterbrach ein Junge, etwas jünger als das Mädchen, die beiden, woraufhin wir alle uns erschraken und zu ihm umblickten. Ich erkannte ihn als den Jungen aus dem Nebenzimmer. Auch er schimmerte geistergrün. „Hat Morro das schon einmal gemacht?" wandte Lelah sich an das Mädchen, dass nur langsam den Kopf schüttelte und den Blick nicht von dem Jungen nehmen konnte.
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Hi!
Ich weiß die/der ein oder andere von euch frisst mich jetzt wegen dem langen Absatz da oben, aber Rückblende ist Rückblende. Die zerreiße ich nicht! Ansonsten freue ich mich, dass das erste Kapitel so gut ankam und möchte meinen neuen Follower justCroissantGZ ganz herzlich begrüßen! Weitere Tags gibt es erst am Wochenende, weil jetzt sowieso alle online sind. ;)
Eure Maria
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Kodokuna, Kuraiko, Krux
Fanfiction(Fortsetzung von Zeit und Wind, Kuraiko und Morro, Teil 1 nicht aus ihrer Sicht beschrieben, Warnung vor finsteren Gedanken) Teil 1: Wieder einmal ist Kuraiko dem Tod im letzten Moment entkommen. Geschwächt von dem Kampf gegen das Ultra-Böse und der...