O N E

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Gespielt aufmerksam durchblätterte ich ein Magazin von einem Zeitungsständer eines kleineren Ladens aus Boston, das ich unauffällig mitgingen ließ, doch in Wirklichkeit beobachtete-oder wie es wahrscheinlich andere nennen würden: stalkte-ich die anderen Fahrgäste in meinem Wagon. Mir gegenüber saß ein-ich nehme an Notgeiler-da er die ganze Zeit mich musterte und ekelhafte Bemerkungen willkürlich mir gegenüber seinen Mund verließen. Er war Anfang 30 und verheiratet. Er besaß einen goldenen Ring, den er vorher abgelegt hatte, als er dachte ich würde nicht auf ihn achten. Dazu schätze ich sein Körpergewicht auf 80kg, er war ca. 1,79m groß, war nicht sonderlich durchtrainiert und an seiner Haltung erkannte ich, dass er auch keine Art Kampfsport betrieb. Er hatte eine Aktentasche dabei, sie war nicht sonderlich vollgestopft und als ich mich vorhin hinsaß und sie ‚aus Versehen' herunterfiel, machte sie weder auffällige Geräusche, was auf ein Messer, eine Waffe oder sonstiges hinwies. An seinem Hemd, das etwas spannte konnte ich ebenfalls sehen, dass er nichts sonderlich gefährliches bei sich trug. Nach diesem Schema untersuchte ich die anderen Passagiere. In diesem Wagon waren außerdem noch ein kleines Mädchen mit ihrer Mutter-beide ungefährlich-und ein älteres Ehepaar, das mich beim Einsteigen auffällig anlächelte, jedoch bei näherer Betrachtung ebenfalls ungefährlich war. Der einzige ‚gefährlichere' war die notgeile Pissbirne mir gegenüber, den ich aber ohne Probleme von Hand, mit dem Messer an meinem Gürtel, dem in meinem linken Schuh oder den mehreren kleinen Pistolen, die ich sonst noch bei mir hatte überwältigen könnte.

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Es war sehr spät und ich war nicht in einen sehr gut bestiegenen Zug gestiegen, auch war ich zuerst in die gegengesteuert Richtung meines eigentlichen Ziels gefahren und war mehrmals umgestiegen, um meine Spuren zu verwischen. Ich habe vor drei Stunden meinen Autounfall vorgetäuscht, meine neuen Unterlagen, kleinere Waffen und die nötigste Kleidung mitgenommen, um mich so schnell wie möglich aus Boston zu verschwinden. Zu meiner Tarnung nahm ich noch das Magazin mit, ich schüttelte mal wieder selbstgefällig meinen Kopf über mich, dass ich so genial war, als mir aus dem Augenwinkel auffiel, dass ein Fahrkartenkontroleur einen Wagon weiter die Passagiere mit strengen Blicken bedachte, die daraufhin teilweise panische ihre Fahrkarten suchten. Ich hatte natürlich keine Fahrkarte-war ich gerade nicht noch stolz auf mich, dass ich so schlau war?, naja egal, ich konnte mich später noch ärgern. Schnell schaute ich auf die Uhr, zu meinem Glück hatte ich noch 20min zu fahren. Ruhig schaute ich mich um, es war keine Toilette in Sicht und ich überlegte mir krampfhaft eine Lösung. Aus dem Fenster konnte ich nicht springen, da wir gerade über eine Brücke fuhren, keine Toilette-keine Rettung des kleinen stinkenden Raumes, also hatte ich genau zwei Möglichkeiten. Entweder vertraute ich auf die Nettigkeit des älteren Ehepaares oder ich lenkte den Fahrkartenkontroleur anderweitig ab. Ich entschied mich für die erste Variante, da der Mann den ich gerade mehr verabscheute als meine Dummheit auf meinen Wagon zusteuerte und merklich schlecht gelaunt war. Ich suchte gespielt meine Fahrkarte in meinem kleinen Rucksack und zog gespielt geschockt die Luft ein. Nun lag alle Aufmerksamkeit des älteren Ehepaares auf mir. „Nein, nein, nein, nein...", murmelte ich leise, aber doch so laut, dass sie es hörten. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und ließ ein paar Tränen über meine Wangen laufen. Das ältere Ehepaar murmelte schon etwas wie: „Ich glaube sie hat keine Fahrkarte mehr." und „Wir müssen ihr helfen, die Maßnahmen würden dich verstärkt!" ‚Yeah!' Innerlich gab ich mir selbst schon ein High-Five. „Komm schnell her!", flüsterte mir die Frau zu. Ich wischte mir schnell die Tränen weg und sah ängstlich zu dem von mir sehr gehassten Mann, er war gerade bei der Frau mit dem Kind direkt am Anfang unseres Wagons, ich schlich zu dem älteren Ehepaar, als er nicht hersah. „Du bist doch unter 15 oder?", fragte der Mann. Ich nickte leicht zögerlich, dass sie es mir abkauften, dass ich ein junges, ängstliches Mädchen bin, das nicht verstand was die Frage sollte. Natürlich war ich nicht jünger als 15, doch ich habe mich extra für so einen Fall zum Trug ‚jünger' angezogen und mich entsprechend geschminkt. Ich sah so oder so schon jünger aus als ich war, doch ich wollte kein unnötiges Risiko eingehen und verstärkte das nich etwas. „Wir dürfen jeweils ein Kind unter 15 Jahren um sonst mitnehmen. Und da du offensichtlich deine Karte nicht findest oder keine hast, helfen wir dir.", erklärte mir die Frau die Situation im Flüsterton. Bevor ich mit einem ‚Dankeschön, sie sind wirklich sehr nett' antwortete und mir die letzten Tränen wegwischte, erhellte ich überzeugend meine Mimik.

F.R.E.A.KWo Geschichten leben. Entdecke jetzt