Kapitel 1: EINE DOSE VOLLER BRIEFE

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Schwungvoll schlug Skye die Englischlektüre zu und rollte sich von ihrem Bett

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Schwungvoll schlug Skye die Englischlektüre zu und rollte sich von ihrem Bett. Ihr war ganz schwummrig von der Aufdringlichkeit Shakespeares und so schleuderte sie das Buch auf ihren Schreibtisch und warf einen Blick auf die Uhr. In weniger als einer halben Stunde würde sie sich mit Harper treffen und das war eines der vielen Dinge, die sie gar nicht glauben wollte.

Skye hätte nie gedacht, dass sie sich jemals mit Leuten wie Harper O'Connor anfreunden würde. Leute, die irgendwie rebellisch waren. Anders als andere und ganz und gar nicht der Norm entsprechend. Zweifellos war „rebellisch" eines der letzten Adjektive, mit denen Skye sich beschreiben würde. Und trotzdem verstand sie sich mit Harper besser als erwartet.

Das konnte sie genauso wenig glauben, wie die Tatsache, dass Betty und Padma nun schon seit geraumer Zeit von ihrem Geheimnis wussten. Vor drei Jahren hätte Skye nicht einmal in ihren wildesten Träumen erwartet, dass es so weit kommen würde.

Nicht, dass sie es bereute. Es war mehr als eine Erleichterung, dass ihre besten Freundinnen von dem Zeitumkehrer wussten und sie nichts mehr zu verstecken hatte. Aber unglaublich, unglaublich war es dennoch.

Schmunzelnd bückte Skye sich und angelte die alte Keksdose unter ihrem Bett hervor, in der sie die vielen Briefe ihrer Freundinnen aufbewahrte. Die drei hatten sich in diesem Sommer ständig geschrieben - schließlich gab es viel zu bereden - und ihre erste Vereinbarung war ein Wiedersehen, so bald wie möglich.

Skye blätterte durch die Briefe, bis sie den einen fand, der ihr einen ganzen Tag lang blendende Laune beschert hatte:


Skye,

du wirst ausflippen, wenn du erfährst, was passiert ist: Ich (mit ein bisschen Hilfe von Emma) habe es geschafft, Mum so lange zu nerven, bis sie endlich nachgegeben hat!

Wir dürfen zur Quidditch-Weltmeisterschaft! Das ist mehr als großartig, ich war noch nie bei so einem wichtigen Spiel und Emma ist auch ganz aus dem Häuschen. Weißt du, manchmal ist es recht vorteilhaft, eine Mutter im Ministerium zu haben, denn sie konnte noch Karten ergattern, obwohl diese so begehrt sind. Cho und Marietta kommen auch; ich weiß, du und Cho seid nicht gerade die besten Freundinnen, aber für solch ein Ereignis musst du dich einfach zusammenreißen.

Padma darf sowieso, schließlich ist ihre Mum großer Quidditch-Fan, und du musst natürlich nicht nachfragen.

Also, halt dich bereit! Wir haben noch einiges zu organisieren.

Betty


Skye war schon jetzt schrecklich aufgeregt auf ihr erstes richtiges Quidditch-Spiel. Mittlerweile war alles besprochen: In ein paar Tagen würde sie zum Herrenhaus Mermaid's Pool reisen und von dort aus direkt zum Spiel Irland gegen Bulgarien.

Sie legte den Stapel Briefe von Betty sorgfältig zu den vielen anderen Pergamenten. Nicht alle waren von Betty oder Padma - nein, denn Skye schrieb in letzter Zeit überraschend oft mit Jay.

Ja, Jakob Avery, der Slytherin-Junge, über den sie im letzten Jahr wortwörtlich in der Bibliothek gestolpert war. Zwar hatte er ihr einen Klatscher vor den Kopf gedonnert, war eine Niete in Zauberkunst und oftmals viel zu unverschämt, aber Skye hatte feststellen müssen, dass sie gar nicht so verschieden waren. 

Als dann an ihrem Geburtstag überraschenderweise nicht nur Eulenpost von Betty und Padma, sondern auch von Jay eingetrudelt war, hatte Skye sich ein paar Sekunden lang unschlagbar gefühlt. Seitdem schrieben sie sich oft, über Briefe konnten man alles bereden: Spekulationen über den neuen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, das seltsame Ereignis im nächsten Jahr, von dem scheinbar alle wussten, nur sie nicht, und als Skye davon hörte, dass sie das Finale der Quidditch-Weltmeisterschaft sehen würde, war das erste das sie tat, einen Brief an Jay zu verfassen. Er würde auch da sein, weil sein Vater mit einem Mann befreundet war, der viel mit dem Minister zu tun hatte, und so waren sie an Karten gelangt, ohne überhaupt etwas bezahlen zu müssen.

Andächtig schloss Skye ihre wertvolle Keksdose und schob sie wieder zurück auf ihren staubigen Platz unter dem Bett. Langsam wurde es wirklich Zeit, dass sie sich auf den Weg machte, also prüfte Skye, ob sie ihren Zauberstab hatte - den sie immer unauffällig unter ihrem T-Shirt verbarg -, warf einen Blick auf ihren Kleiderschrank mit den versteckten Hogwarts-Schulbüchern und lief dann aus dem Zimmer.

Schnell polterte sie die Treppe hinauf und steckte die Nase aus dem Fenster. „Ich treffe mich mit Harper", teilte sie ihren Eltern mit, die auf dem Balkon saßen und an ihren Kaffees nippten. 

„Viel Spaß", antwortete ihr Vater.

„Diese Harper", begann ihre Mutter, „mit der verstehst du dich gut, nicht?"

Skye nickte etwas perplex über diese Frage. „Ja."

Ihre Mutter lächelte zufrieden. „Dann bis später."

„Bis später", antwortete Skye und wollte sich schon umdrehen, da hielt ihre Mutter sie auf.

„Ach, und Skye, Schatz, bitte räum' später noch dein Zimmer auf."

Skye verdrehte die Augen. „Ist gut, Mum."

Dann sauste sie die Treppe nach unten und huschte aus der Haustür.

Das Wetter in Rosewood war gut, so gut, dass Skye ein Eis bei Giulia's fast nicht mehr erwarten konnte. Mit eiligem Tempo marschierte sie durch die Straßen, und als sie auf dem Marktplatz ankam, wartete Harper schon auf sie. Skye fragte sich wirklich, wie man es aushielt, selbst im Sommer so viel Schwarz zu tragen.

„Hey", begrüßte Harper sie grinsend, als Skye hechelnd auf sie zulief. „Du siehst verschwitzt aus."

„Bin ich auch." Skye fächerte sich Luft zu. „Liegt wahrscheinlich an diesen unverschämten Temperaturen, die im Moment herrschen." Als könnten sie Gedanken lesen, schlugen die beiden Mädchen gleichzeitig den Weg zur Eisdiele ein.

„Hast du schon die Hausaufgaben gemacht?", fragte Skye.

Harper schüttelte den Kopf. „Wenn du mich fragst, ist Sommerlektüre das Idiotischste, was man sich jemals ausgedacht hat."

„Ich glaube, das sieht Mr Brewer nicht so."

„Juckt nicht." Harper zuckte mit den Schultern. „Ich hatte in den Sommerferien Besseres zu tun."

„Wie zum Beispiel?", fragte Skye stirnrunzelnd.

„Also, weißt du", begann Harper. „Meine Mutter schleppt mich jedes Jahr in so ein blödes Reitercamp. Und da war so ein Mädchen, die hatte schrecklich Heimweh, und alle haben sich darüber lustig gemacht."

„Und dann?"

„Dann habe ich beschlossen, nicht so zu sein. Ich will nicht mehr einfach nur dabeistehen, sondern etwas tun."

Skye hörte überrascht zu. Sie hatte immer gedacht, dass Harper einer dieser Menschen war, die überzeugt gegen Ungerechtigkeit kämpfen.

„Also, du willst praktisch deine Persönlichkeit umkrempeln", fasste Skye zusammen.

„Ein bisschen", antwortete Harper.

„Ich glaube, ich wäre zu feige für so etwas", gab Skye zu.

„Das ist schlecht."

„Ich weiß."

Harper hob belehrend den Zeigefinger. „Du musst es wollen."

Skye zuckte mit den Schultern. Im Moment war sie eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Sommer. Im Grunde konnte es so bleiben. Denn Skye fühlte sich irgendwie glücklich.

𝐒𝐤𝐲𝐞 𝐓𝐡𝐨𝐦𝐚𝐬 ~ Um Welten Entfernt #4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt