Kapitel 19

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Hinatas POV:

Eigentlich hatte Haru ursprünglich vor gehabt, in einem kleinen Hotel zu übernachten, das er sich für die Woche mieten wollte. Anscheinend war das nun nicht mehr nötig, denn als ich ihm vorgeschlagen habe, dass er auch gerne die Woche bei mir bleiben konnte, hatte ich mehr als nur Glück gehabt, dass meine Knochen nicht sofort, mit einem Schlag, gebrochen waren und ich mir, wohl, keinen Termin beim Ohrenarzt besorgen musste, da Haru es wohl nicht nötig hatte sich... Nunja... Leise zu freuen.

,,I-Ist alles in Ordnung? Ich hatte nicht vor so zu überreagieren...", fragte er mich vorsichtig, während ich dabei war, mir die Schläfen zu reiben.

,,Es ist alles in Ordnung. Mach dir mal keine Gedanken, außerdem sind beste Freunde doch für einander da, nicht wahr?"

Still sah er mich für einige Sekunden an an und nickte dann, daraufhin, wie ein aufgedrehter Hundewelpe.
,,Ja. Sind sie!"

,,Nah dann...", fing ich an und setzte mich auf mein Bett drauf, auf welchem immer noch der Koffer Harus lag.
,, ...mal sehen wo wir deine ganzen Sache verfrachten."

,,Hm? Oh! Nein, Nein... Das ist nicht nötig! Wirklich nicht. Ich kann ihn auch einfach auf dem Boden lassen. Das geht schon. Ich möchte dir keine Umstände bereiten..."

,,Nicht?", fragwürdig sah ich ihn an.
,,Bist du sicher? Ich meine, ich hä-"
,,Es ist alles gut. Wirklich!", sagte er lachend und ließ mich etwas dumm dastehen.

,,Ist ja gut.", schmollte ich.
,,Ich wollte nur nett sein."
,,Das bist du auch so Hinata! Hör auf dich selber runter zu ziehen!"

Versicherte mir Haru und schmieß sich, zum dritten Mal an diesem Tag, auf mich drauf. Und er war gerade mal eine halbe Stunde hier...
,,HARUUU!! WENN DU SO WEITER MACHST, VERRECKE ICH WIRKLICH NOCH, IRGENDWANN, WEGEN DIR!!"

Anscheinend schien das bei ihm durchzudringen, denn augenblicklich lockerte sich sein Griff und er klammerte sich in meinen Rücken, als ginge es um Leben oder Tod.
,,Hey du..."

Seine Stimme war leise. Sehr leise. Wahrscheinlich so leise, dass ich der Einzige war, welcher sie hören konnte, wenn noch weitere Leute mit uns ihm Raum wären.

,,Hm?"
,,Ich...", fing er an, als seine Stimme brach.
Sein Körper zitterte und seine Atmung verschnellerte sich in sekundenschnelle. Seine Schluchzer drangen zu mir durch und ich spürte, wie meine Schulter nass wurde.
Haru weinte.

,,Haruki..."
Meine Hand streichelte seinen Rücken.
,,I-Ich... Hab dich wirklich... Wirklich vermisst... Ich hatte schon Angst...", fing er an und machte eine kurze Pause.

,,Es ist gut. Lasse es raus. Ich bin da..."
Fürsorglich legte ich meine Arme um seinen Rücken.

Still saßen wir da, bis er fortfuhr.
,, ...Ich hatte schon Angst, dass ich N-Nachts kein Auge mehr zu bekommen würde... Meine Mutter musste mir, anfangs, Schlaftabletten und Beruhigungsmittel besorgen, weil ich s-so am Ende war..."
Tief atmete er, zitternd, einmal ein und wieder aus.
,,Ich bin so glücklich..."

Die letzten Wörter flüsterte er, während seine Haltung wieder aufrecht wurde und ich nun in sein geschwollenes, rotes, von Tränen durchnässtes, Gesicht blicken konnte. Trotzdem schmückte ein kleines Lächeln seine Lippen.

Seufzend streckte ich schnell meinen Körper zu meiner Kommode, neben dem Bett, aus und holte ein paar Taschentücher hinaus, mit welchen ich sein Gesicht abtrocknete. Er tat mir momentan mehr als nur leid und wenn es eine Sache gab, welche ich unglaublich verabscheute, dann war es die, wenn es meinen Freunden schlecht ging.
Ich hasste es.
Und ich werde es auch immer tun.

,,Hör zu...", begann ich meinen Aufmunterungsversuch.
,, ...Ich bin da. Schau...", sagte ich und nahm beide seiner Hände um sie auf meine Wangen zu legen.
,,Ich bin da, also wein nicht. Weinen steht dir nicht und ich finde es wesentlich schöner, wenn du lächelst und deine aufgedrehte Art beibehälst.
Ich versprech dir, dass wir diese Woche alles nach holen, was wir die letzten Jahre verpennt haben, also lass den Kopf nicht hängen, ja?"

Haru sah mich aus traurigen Augen an. Seine Hände zitterten auf meiner Haut. Sie waren kalt und knochig. Fühlten sich extrem dünn an und hinterließen trotzdem einen angenehmen Schauer auf meinen Wangen.

,,J-Ja. Danke Hinata...", sagte er etwas weggetreten und nickte mit dem Kopf.

Langsam ließ er wieder los. Seine Hände fielen faul in seinen Schoß und kaum hatte ich mich versehen, füllte Haru den Raum wieder mit seinem wunderbaren Lachen.
,,Du hast Recht! Trübsal blasen is nicht!"
Er stand auf und kramte in seinem Koffer herum um, anscheinend, frische Kleidung heraus zu holen.
,,Es ist noch ziemlich früh. Wie wär's, wenn du mich ein wenig in der Stadt herum führst?"

Ich starrte ihn an.

,,Ja. Kann ich machen. Klar."
Etwas verwirrt stand ich auf und blickte kurz zu meinem besten Freund herüber, welcher sich gerade entscheiden musste ob er das dunkelblaue, weiße oder schwarze Shirt anziehen sollte.

Du erinnerst mich an jemanden...

,,Weiß.", war das das Einzige, was ich sagte, bevor ich meine eigenen Sachen packte und im Badezimmer verschwand.
Kurz sah ich noch einmal zu Haru herüber und sah ihn lächelnd das Shirt, mit einer Hose, zur Seite legen. Seine Augen waren noch etwas rot und brannten wahrscheinlich von den Tränen, aber trotzdem versuchte er stark zu bleiben.

Seufzend schloss ich die Badezimmertüre und packte meine Zahnbürste um mir, endlich mal, an diesem heutigen Tag, die Zähne zu putzen.
Wurde auch mal Zeit.

Irgendwie fand ich es immer noch extrem surreal, dass Haruki gerade in meinem Zimmer stand und bei mir war. Das letzte Mal, als ich so glücklich war, ist schon so lange her, dass ich mich eigentlich schon garnicht mehr daran erinnern kann.

Leise klopfte es an der Türe, welches mich aus meinen Gedankengängen heraus holte.
,,Hinata? Bist du fertig? Ich müsste auch kurz rein, falls es dir nichts ausmacht."
,,Ja, warte kurz."
Schnell säuberte ich meinen Mund und wusch mein Gesicht.

,,Jetzt kannst du", sagte ich, während ich die Türe öffnete und Haru direkt ins Gesicht blicken konnte.
Sein Blick sah wie vernebelt aus. Seine Augen hatten mittlerweile wieder ihre normale Farbe zurück gewonnen und sein Gesicht sah wieder so makellos, wie davor, aus.
Neben ihm kam ich mir vor wie ein Haufen Elend auch, wenn ich mich mit dem glücklich schätzen konnte, was ich hatte.
Irgendwo war ich ja stolz, so einen Freund wie ihn zu besitzen.

Kurz zuckte ich zusammen, als ich spürte, wie seine Hand sich auf meinen Kopf legte.
,,Mach ein Foto. Hält länger, Kleiner.", sagte er, quetschte sich an mir vorbei und schloss hinter mir die Türe.

Komplett überfordert lief ich in mein Zimmer und blieb mitten im Raum stehen.

Hat er nicht gesagt...

𝐊𝐨𝐦𝐚𝐇𝐢𝐧𝐚 ¦ 𝐒𝐓𝐑𝐀𝐍𝐆𝐄 𝐍𝐄𝐈𝐆𝐇𝐁𝐎𝐔𝐑𝐒 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt