Kapitel 11

506 32 2
                                    

Selbst mit Nachtschicht habe ich meine Koffer nicht fertig gepackt bekommen und so befreie ich mich früh am nächsten Morgen aus den Armen meines Drachens und mache mich wieder ans Einräumen meiner gesamten mitgebrachten Habe.

Wahnsinn, wie viel sich in den Jahren ansammelt. Und dabei habe ich schon einiges verschenkt, nach Hause zurück oder vorausgeschickt.

Aber trotzdem sind allein drei Koffer Kleidung, zwei weitere nur Bücher und der restliche Krimskrams füllt noch zwei. Ein Rucksack wird mein Reisegepäck und alles für den heutigen Tag aufnehmen. Wahnsinn. Ob jeder so viel Gepäck hat? Na gut, andererseits ziehe ich quasi aus meiner Wohnung aus. Seit ich Alec habe ist klar, dass ich mit ihm gehen werde, also habe ich auch einige Dinge geliefert bekommen, dich ich ansonsten nicht geholt hätte und ein paar werden direkt ins Königreich der Drachen geschickt.

"Kleiner? Du bist mal wieder viel zu früh wach." Verschlafen kommt Alec herein. Seine Augen weiten sich erstaunt, als er das leere Zimmer sieht. Wow, jetzt weiß ich auch, warum.

"Ich hätte eindeutig früher beginnen sollen."

"Und wie. Aber jetzt bist du ja so weit. Frühstück steht schon am Tisch, kommst du?"

"Klar. Sobald ich diesen Koffer zubekommen habe." Entschlossen drücke ich den Deckel zu, doch der wiedersetzt sich weiterhin.

"Du bist echt ein hoffnungsloser Fall." Alec drückt den Koffer mit Leichtigkeit zu und schließt die Schnallen. "Du musst nicht mehr alles alleine schaffen", sagte der Drache.
Schmollend stehe ich auf, doch sein liebevolles Lächeln macht alles vergessen. Wir lassen uns Zeit beim Frühstücken, wir sind sowieso zu früh dran und wir merken nur zu deutlich, dass es unser letztes hier ist. Die wehmütigen Blicke auf den Teller, dessen Sprung wir zu verantworten haben, zu den Sofas, auf denen wir so oft saßen und den Tischen, auf denen wir spielten. Selbst der Kühlschrank scheint seltsam leer.

George ist einer der ersten, der zu uns stößt, doch wir bemerken ihn kaum. Heute ist es leise. Jeder ist in seine Gedanken versunken, statt wie sonst lauthals zu erzählen. Nur ab und an macht jemand einen Witz oder eine Anmerkung, um die Stimmung zu lockern, dann erfüllt vertrautes Lachen den Raum, doch es wirkt fast schon unwirklich. So anders als sonst.

Schließlich halte ich es nicht mehr aus und flüchte aus dem Raum.

Ich muss mich ablenken.

Es macht mich schon nervös genug, in ein paar Stunden endlich mein Zeugnis zu bekommen, da brauche ich nicht auch noch diese Stimmung. Und ich weiß auch schon, wer mich ablenken wird.

"Nani!" Erleichtert stürme ich in den Gemeinschaftsraum der Elfen. Zu meinem Erstaunen ist allerdings nicht Cole bei ihm. Der kleine Vampir neben ihm lächelt mich überrascht an, als ich zu ihnen komme, doch das kann ich nur erwidern. Was macht der denn hier?

"Hast du Zeit für mich?", frage ich hoffnungsvoll.

"Dann lasse ich euch lieber mal alleine", verabschiedet sich der weißhaarige Vampir schnell.

Sofort legt Anani die Hand auf seine. "Wir lernen gerade, aber wir können natürlich eine kleine Pause machen. Oder du hilfst uns. Es geht um Biologie und Heilkunde."

"Natürlich. Ich sehe es mir mal an und beantworte euch Fragen." Erleichtert, überhaupt Ablenkung zu finden, lasse ich mich neben sie in eine Sitznische des gewaltigen Elfenbaumes sinken. Vermutlich hat Nani zwar schon jetzt so viel Ahnung von Bio wie ich, aber immerhin bin ich so beschäftigt. Außerdem beruhigt der Geruch des Buches und die vertraute Atmosphäre. Hier scheint es wie an jedem anderen Tag auch zu sein. Alle sind entspannt und genießen die Zeit mit ihren Freunden.

Der Kontrast zu den Drachen ist fast schon unheimlich, aber so sind wir nun mal.

Keine Stunde später ist Cole auch schon bei uns. Natürlich begleitet von Sirius und Remus. Wie könnte es anders sein?

Alle drei sind nervös. Natürlich, sie geht es heute genauso um alles, wie für mich und Alec. Die drei Werwölfe werden zwar noch ein Jahr an der Schule bleiben, allerdings nur, um auf meinen kleinen Bruder aufzupassen. Ich kann verstehen, dass Cole ihn nicht alleinlassen will. Selbst ich mache mir manchmal Sorgen um Alec und der ist ein Drache. Nicht, dass ich mir nicht auch Sorgen um meinen Bruder machen würde, doch ich kann nicht länger so auf ihn aufpassen. Das wird sein Gefährte für mich übernehmen und ich könnte mir niemanden vorstellen, dem ich da mehr vertrauen würde, als Cole. Und natürlich dessen Rudel, die gut auf ihre Luna aufpassen werden.

Nicht, dass es unsere Absicht wäre, aber ich erwische uns alle, wie wir dem Vampir neben dem kleinen Elf Blicke zuwerfen, die man wohl schwer als freundlich beschreiben kann. Nur Ananis trotziger Blick ändert das langsam. Selbst der Vampir – Nani hat ihn als Valentin vorgestellt – scheint nur dadurch am Platz gehalten zu werden.

Hätte ich je Zweifel an den Führungsqualitäten meines Bruders gehabt, jetzt hätten sie sich eindeutig in Luft aufgelöst. Wir alle entspannen uns, während wir reden und vom Lernen abschweifen. Auch, wenn ein Vampir unter uns ist, nehmen wir ihn immer weiter als Person war und ich muss tatsächlich sagen, er ist nett.

"Es gongt gleich zum ersten Mal zur Zeugnisausgabe und ich habe dann Schicht", beendet Valentin schließlich unsere Unterhaltung und bringt uns zum Aufspringen. Wir alle müssen uns noch fertig machen. Direkt nach den Zeugnissen beginnt der Ball und der erste Gong heißt, wir haben kaum noch eine Schulstunde bis dahin.

Ein Fluch, den ich bestimmt nicht von Alec aufgeschnappt habe, rutscht mir über die Lippen, als ich zu meinem Zimmer sprinte. Das wird knapp!

Hätten wir doch nur auf die Uhr gesehen!

Und zu allem Überfluss will ich natürlich perfekt für Alec aussehen. Nicht nur, dass wir heute wohl zum ersten Mal gemeinsam gemalt werden, nein, ich will auch, dass der Abend unvergleichlich wird und dazu will ich unvergleichlich gut aussehen. Für Alec und wie es sich für einen Prinzen und Königsgemahl gehört.

Zum Glück wurde mir das oft genug eingebläut. Das macht natürlich kein bisschen nervös.

"Öffentliche Anlässe sind immer eine Bühne für uns. Wir müssen sie nutzen, gut aussehen, respektvoll, höflich und politisch sein und am besten einen guten Eindruck hinterlassen. Allerdings lieber keinen als einen schlechten. Sei dir immer deiner Rolle bewusst. Schon beim Einkleiden. Wer sich nicht einmal ordentlich anziehen kann, kann auch kein Königreich in Ordnung halten!" Die Worte seines Vaters hallen in meinen Gedanken wider, während ich die Edelsteine in meinen Haaren befestige. Das erste gemeinsame Bild meiner Eltern wurde damals in allen Zeitungen gedruckt, das ist Normalität für uns. Und heute wird es das erste Bild von Alec und mir geben. Gruselig und ganz bestimmt nicht einschüchternd.

Der DrachenprinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt