Kapitel 6

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Am nächsten Morgen wache ich endlich mal wieder auf und bin wirklich wach, nicht wie in der letzten Woche, wo alleine die Augen zu öffnen eine Herausforderung war, der ich mich nicht vor 11 Uhr stellen konnte. Nein, heute fühle ich mich wach und energiegeladen wie schon lange nicht mehr. Enthusiastisch wecke ich also Alec mit einem Kuss auf die Stirn und einem Glas Wasser, da er davon natürlich nicht aufgewacht wäre. Während er also geschockt nach dem Übeltäter sucht und sich fluchend wieder trocknet, verschwinde ich im Bad und bereite mich mit einer Dusche, einer ganz bestimmten Kette und einem Weihnachtspulli von Alec, diesmal lediglich mit Schneeflocken ohne Drachen, psychisch auf die Prüfung vor. Diese Gewohnheiten lassen mich zwar nicht mehr wissen, aber es beruhigt mich ungemein, zu wissen, dass ich etwas von meinem Partner bei mir trage. 

„Bist du so weit?“ Zufrieden streicht Alec über einen hellroten Fleck an meinem Hals, der noch von gestern Nacht zu sehen ist und greift nach meiner Bürste.

„Ja. Denkst du, dass wird sehr schwer?“

„Sweety, du hast so viel gelernt, ich bin mir sicher, es wird dir leicht fallen.“ Sanft lässt er die Bürste durch meine Haare gleiten während er sie trocknet, bis sie mir wieder schimmernd und glatt über die Schultern fließen. Schnell lasse ich sie mir noch durch Magie flechten, dann gehen wir erst einmal frühstücken. 

„Oh Gott, ich kann Geschichte überhaupt nicht.“ Aufgewühlt lässt Cole sich neben mich fallen. 

„Du kannst das, glaub mir. Du warst schon immer klasse in Geschichte.“

„Aber doch auch nur, weil ich wissen wollte, wann die Typen gestorben haben und ob die Todesart gerechtfertigt war!“

„Das nenne ich mal gesundes Interesse.“ Grinsend nimmt Alec ihm die Karteikarten ab und sieht sie sich an. „Das ist doch niemals deine Schrift, hat Anani die geschrieben?“

„Ja, nachdem er mich das ganze Wochenende damit genervt hat, dass er Geschichte gar nicht kann, habe ich ihn abgefragt und dabei gelernt, dass ich es nicht kann, aber er kann sogar das Zeug aus dem ersten Jahr noch.“ Wie gerufen erscheint auch mein kleiner Bruder und lässt sich neben Cole fallen, wo er sich genüsslich einem Schokocroissant widmet.

„Remus gibt Sirius gerade auch einen Schnellkurs, ich glaube von uns hat keiner außer ihm gelernt.“ Lachend klaut Cole seinem Mate das Croissant und beißt auch ein Stück ab. Jedenfalls wollte er das, denn das Gebäckstück löst sich in Luft auf und landet unbeschadet wieder in den Händen des Elfes, der glücklich weiter isst, während Cole sich doch ein Brötchen nehmen muss.

„Naja, Geschichte weiß man immerhin, wann man dran kommt. Ihr habt doch auch diese Losprüfungen, oder?“ Melde ich mich auch mal wieder zu Wort.

„Losprüfungen? Was soll das denn sein?“ Anscheinend haben die Werwölfe das tatsächlich nicht, ansonsten wüsste auch Cole was das ist, Alec’ gequälter Blick spricht derweil nämlich Bände.

„Na die Prüfungen, bei denen zufällig ausgewählt wird, wer am jeweiligen Tag dran ist. Bei uns beginnen die Morgen mit Magie und ich würde wetten, der komplette Jahrgang wäre lieber menschlich, als morgen direkt ausgewählt zu werden.“

„Warum denn, dann hat man es immerhin hinter sich?“

„Schon, aber dann hast du auch keine Ahnung, was dran kommt und laut Gerüchten vom letzten Jahr fragen sie genau nach dem, was du nicht konntest. Und wirst du später ausgelost, hast du natürlich länger Zeit, zu üben.“ 

„Verständlich. Ich bin froh, dass wir so einen Quatsch nicht haben, wenn-“ Doch was Cole dann tun würde bleibt wohl ein Geheimnis denn in diesem Moment gongt es und die Panik kehrt in seinen Blick zurück. „Viel Glück euch.“ Und schon ist er aufgesprungen und strömt mit den anderen Werwölfen zur Tür, die den weitesten Weg zu ihrem Klassenzimmer haben. Alec und ich können uns da schon etwas mehr Zeit lassen. Anani wünscht uns allen viel Glück, als auch wir uns auf machen und so schreibe ich schließlich drei Stunden lang Aufsätze über verschiedene Episoden unserer Geschichte, wie wir Kriege gegen die anderen Arten führten, Pakte mit den Werwölfen schlossen, diese mit den Drachen verhandelten, wir die Vampire kennen lernten, wie Frieden geschlossen und wie dieser durch Schulen wie unsere gesichert wurde. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit fertig bin und mich umsehe, ist der Rest der Klasse noch immer in ihre Aufsätze versunken, spielen nachdenklich mit ihren Füllern oder überlegen verzweifelt, was sie schreiben sollen. Noch immer haben sie über eine Stunde Zeit, um etwas aufs Papier zu bringen. Selbst nachdem ich noch einmal alles durchgelesen habe, ist kaum Zeit vergangen und schließlich gebe ich bei einem überaus verblüfften Lehrer ab, der mir das Versprechen abnimmt, leise zu sein und mich dann gehen lässt.

Also laufe ich durch die ungewohnt stille Schule und überlege, was ich nun tun soll. Jedenfalls bis mir ein Gedanke kommt, der mich in Windeseile in mein Zimmer rennen und warme Kleidung anziehen lässt. So ausgestattet beeile ich mich, raus zu kommen und sprinte los. Ja, das ist nicht wirklich kreativ oder sinnvoll, aber es fühlt sich wundervoll an, einfach zu rennen, den Wind in meinen Haaren zu spüren, die Kälte zu vergessen und durch den Schneebedeckten Wald zu rennen, während einzelne Tiere flüchten oder still  verharren und sich zu tarnen. Ich genieße das Gefühl der Freiheit, das mich durchströmt und reine Euphorie auslöst, während ich mich immer weiter von der Schule entferne. Schließlich bleibe ich glücklich lachend stehen und sehe mich um. Der Wind wirbelt noch immer den Schnee um mich herum auf und scheint meine Freude zu teilen. Langsam legt sich das Schneegestöber um mich herum und offenbart den Blick durch die Büsche des Waldrandes, an deren Zweigen vorbei ich die anliegende Wiese erkennen kann, die durch einen Fluss geteilt ist, der durch die momentan herrschenden Temperaturen zu gefroren ist. Neugierig trete ich aus dem dichten Dickicht und laufe hin, um ganz vorsichtig meinen Fuß auf das Eis zu setzen. Selbst als ich langsam mein Gewicht verlagere hält es unbeeindruckt stand, bis ich schließlich komplett auf dem gefrorenen Wasser stehe und mich vorsichtig etwas weiter vor taste. Vermutlich kommt mir mein leichterer Körperbau als Elf zu Gute, aber das Eis knackt nicht einmal und so traue ich mich immer mehr, bis ich schließlich in der Mitte des Flusses angelangt bin. Doch gerade, als ich beschließe, dass ich mein Glück genug strapaziert habe passiert es. Ein leises Knacken ertönt und als ich meinen Fuß überrascht wieder hebe, sehe ich einen Riss im Eis, der sich durch meine Bewegung noch etwas mehr verästelt und ausbreitet.

Ich habe eindeutig ein Problem.

Der DrachenprinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt