Kapitel 15

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Ich weiß längst nicht mehr, wie lange oder weit ich gerannt bin, als ich mich endlich wieder, wie ich selbst fühle. Atemlos bleibe ich stehen und schnappe nach Luft. Meine Lunge brennt, ich spüre meine Muskeln noch nachbrennen. Wie sehr ich das doch vermisst habe. Es ist nicht so, dass ich es zu lange nicht mehr gemacht hätte, na gut, beim Lernen kam es auch zu kurz, aber vor allem der heutige Tag war einfach Folter. Die Anspannung, die relative Öffentlichkeit, die Abschiede, die Begrüßung hier durch den König. Einfach alles erscheint mir jetzt wieder leichter und auch unwichtiger, doch natürlich muss ich zurück. Immerhin ist Alec der Prinz. Er kann nicht einfach weglaufen und alleine würde ich es niemals tun.

Also drehe ich mich um und beginne den Rückweg. Jetzt erst spüre ich die Erschöpfung wirklich. Es war wirklich ein langer Tag. Die Dämmerung beginnt schon und die Kälte sickert langsam durch meine Kleidung.

Der leichte Schweißfilm vom Rennen macht es nicht gerade angenehmer. Auch, wenn ich immer wieder eine warme Brise spüre, kann ich deutlich spüren, wie ich auskühle. Meine Kleidung reicht für diese Kälte einfach nicht aus. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Klar schneit es auch bei uns Elfen oder der Schule, aber so kalt war es dabei nie.

Fröstelnd schlinge ich den Umhang um mich und laufe weiter. Vielleicht war das hier doch keine so gute Idee. Alec macht sich bestimmt schon Sorgen und ich habe auch niemandem Bescheid gesagt ... Ganz doofe Idee.

Ich probiere, ob ich Alec mit meinem Bewusstsein erreichen kann, doch entweder will es mir nicht gelingen, oder ich bin zu weit weg. Ich hoffe auf Ersteres. Zu weit weg könnte gefährlich werden. Ich weiß, dass ich in die richtige Richtung laufe, doch wie weit ich noch muss, ist mir unbekannt. Die Kälte kriecht immer weiter durch meine Kleidung, die Stiefel sind innen längst feucht von vereinzelten Schneepfützen und ich habe keine Ahnung, wie schnell und weit die Temperatur abfallen wird, wenn das letzte Licht erstmal verschwunden ist.

Schon beim Gedanken an die baldige Kälte läuft mir ein Schauer den Rücken hinunter, doch wenn ich das Tempo erhöhe, bin ich schneller erschöpft. Nächstes Mal muss ich eindeutig darauf achten, mich beim Laufen nicht zu weit zu entfernen. Doch das hilft mir jetzt auch nicht mehr. Geschehen ist geschehen.

Die letzten Sonnenstrahlen verschwinden und es wird dunkel im Wald. Mit dem Licht schwindet die Wärme rapide und lässt mich zitternd im dunklen Wald stehenbleiben. 

Noch nie in meinem Leben war ich in so einer bescheuerten Situation wie jetzt. Gegen die Natur kann man nicht kämpfen. Andererseits bin ich ein Wesen der Natur und kann sie manipulieren. Da müsste doch irgendwas gehen. Außerdem habe ich zwei Affinitäten ... Als ich an Alec denken muss, fällt mir wieder die Wärme ein, die der Wind seit unserer Bindung mit sich bringt. Wenn ich jetzt empfänglicher für Feuer bin, müsste doch auch Magie damit mir leichter fallen ... Ich konzentriere mich auf meine Handfläche. Erinnere mich daran, wie es ging. Dann lodert das Feuer auf. Es ist größer als gewohnt und wärmer, doch es versengt meine Haut nicht, während es meine Hand umhüllt. Die Kälte weicht, ich kann wieder etwas erkennen und noch dazu habe ich das Gefühl, es würde von ganz alleine brennen.

Die Flamme flattert etwas nach vorne, als würde sie mich zum Weitergehen animieren wollen und wie könnte ich ihr schon etwas abschlagen? Mit neuer Kraft gehe ich weiter und nur ein paar Minuten später kann ich es hören. 

„Lucy! Lucius! Hörst du mich?“ Das ist Alec! Kein Zweifel. Die Flamme in meiner Hand lodert erwartungsvoll auf. Automatisch rufe ich zurück. „Ich komme zu dir! Alles gut!“

Ein paar Schritte weiter kann ich auch das Licht seiner Fackel sehen und dann gibt es kein Halten mehr. Ich renne zu ihm und falle ihm um den Hals. „Tut mir leid! Ich hab mich völlig falsch eingeschätzt. Tut mir so leid!“

Er fängt mich etwas überfordert, doch sichtlich erleichtert.

„Sag nächstes Mal wenigstens Bescheid, dass du gehst oder nimm jemanden mit.“

Ergeben nicke ich und er gibt mir einen Kuss auf den Kopf. Dann trägt Alec mich zum Palast.

„Er ist also wieder da?“ Serafin taucht kurz vor unserer Ankunft ebenfalls aus dem Wald auf. „Dann können wir ja mit Suchen aufhören.“

„Richtig. Geht ins Bett, ihr habt euch wirklich etwas Ruhe verdient.“

„Und wie wir das haben.“ Auch Jade kommt zu uns. „Geht es dir gut, Lucius?“

„Mir ist nur etwas kalt und ich bin echt fertig.“

„Verständlich. Demnächst solltest du das davor bedenken. Gute Nacht.“ Und schon verschwinden Serafin und er in einem Eingang des Palastes, während Alec mit mir durch einen anderen geht und mich in unser Bad bringt.

„Geht es dir wirklich gut?“ Alec dreht den Wasserhahn der Badewanne auf, bevor er mir aus meiner Kleidung hilft.

„Es geht schon. Mir ist zum Glück noch eingefallen, wie man ein Feuer beschwört. Nächstes Mal werde ich besser aufpassen.“

„Das hoffe ich doch. Jade hat mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt, als er gemeldet hat, dass du weg bist. Und dann kamst du auch einfach nicht wieder. Du lebst jetzt hier. Du musst dich nicht davonschleichen, um Zeit für dich zu haben.“

„Ja, ich habs verstanden und gelobe Besserung.“ Genervt verdrehe ich die Augen. Ich habe es doch verstanden!

„Ich habe mir einfach Sorgen um dich gemacht, Lucy, okay?“

Sofort bereue ich das Augenverdrehen wieder. Er hat ja Recht und es war wirklich etwas kritisch, aber jetzt habe ich es ja verstanden. Ich nicke und lehne mich an seinen warmen Körper, während wir darauf warten, genug Wasser in der Wanne zu haben.

„Ich liebe dich, auch, wenn du mich manchmal echt erschreckst.“ Ich komme nicht mehr dazu, es zu erwidern, denn seine Lippen legen sich warm und weich auf meine. Immer wieder berühren seine Lippen mich, auch nachdem er mich in das warme Wasser gelegt hat und zeigen mir, wie sehr er mich liebt. Und ich kann und will gar nicht anders, als darauf einzugehen und ihm meinerseits die Gefühle zu zeigen, die in mir toben. Das macht alle Mühen und Anstrengungen wieder wett. Er macht all das wieder wett.

Er ist mein Schicksal und ich bin seines. Für immer.

Das ist ja nochmal gut ausgegangen. Trotzdem hat Lucius wohl einen Fehler gemacht. Aber das war nach der ganzen Anspannung zu erwarten, oder lag es doch an etwas anderem?

Juli

Der DrachenprinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt