Kapitel 9

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„Nun denn, beginnen wir mit etwas Einfachem. Wie du vermutlich schon weißt, werden wir dich mit unseren Aufgaben zum einen auf eine Affinität zu den Elementen testen, zum anderen werden wir natürlich deinen Wissensstand und dein Können in Magie überprüfen.“ Die Worte des Alten überraschen mich tatsächlich nicht, wir waren bereits im Unterricht ausgiebig auf diese Prüfung vorbereitet worden. „Und die erste Prüfung hast du bereits bestanden, daher nun die zweite, eine simple Verwandlung, aus deiner Kugel soll ein Gegenstand deiner Wahl werden.“

Nachdenklich sehe ich auf meine Kugel. Ich weiß, wie es funktioniert, aber ich glaube nicht, dass es nur darauf ankommt, ob es geschafft wird, sondern auch, was ich als Ziel wähle.

Ich könnte es mir leicht machen und lediglich einen Würfel formen, etwas komplizierter einen Ring, noch schwerer eine kleine Schneekugel oder aber etwas ganz anderes. Jetzt musste ich mich nur noch entscheiden.

„Du hast noch 3 Sekunden.“

Das ganze ging auf Zeit? Erschrocken nehme ich die erstbeste Form die mir ein fällt und augenblicklich spüre ich, wie sich das Metall in meinen Händen verformt und leicht warm wird, was den Vorgang noch beschleunigt. Dann erstarrt das Metall wieder, dessen Oberfläche sich nun ebenfalls verändert hat und nun das blau-grüne Gefieder eines kleinen Vogels darstellt. Die kleine Figur schüttelt ihr Gefieder und schwingt sich dann elegant in die Lüfte. Als sie dann auch noch vor den Prüfern, mit Flügelschlägen, die nur noch schemenhaft zu erkennen sind, in der Luft stehen bleibt, staunen alle. Selbst ich wusste nicht, dass das Wesen diese Fähigkeit besitzt. Schließlich beendet das Vögelchen seine Vorführung auf meiner Hand, bevor es noch einmal sein Gefieder putzt und sodann in Starre verfällt.

„Beeindruckend“, urteilt der jüngste und notiert sich etwas. 

„Ganz meine Meinung. Nun denn, die nächste Aufgabe.“ Der älteste stellt eine Blume am Tisch ab und sieht mich gespannt an. „Bring sie doch bitte zum Blühen.“

„Klar.“ Unsicher sehe ich auf die Rose vor mir, die noch nicht einmal den Ansatz einer Blüte zeigt. Ich habe es zwar mit Alec’ Hilfe bereits geschafft, dennoch habe ich Angst hiervor. Allerdings muss ich es jetzt schaffen. Ich kann jetzt nicht einfach scheitern, nur, weil ich nervös bin oder mich nicht konzentrieren kann. Also erweitere ich meinen Geist und taste mit ihm vorsichtig nach dem Lebewesen vor mir. Doch nichts. Nicht einmal ganz schwach, ich kann die Blume einfach nicht spüren. Verbissen erhöhe ich meine Anstrengung noch, jedoch ebenfalls erfolglos. Was mache ich nur falsch? Vielleicht soll es so sein und ich werde diese Prüfung wirklich nicht schaffen, was soll ich nur tun? Enttäuscht stoße ich den angehaltenen Atem aus und will gerade sagen, dass ich es nicht schaffe, als ich etwas bemerke. Ganz zart berührt etwas meine Gedanken, fast hätte ich es nicht einmal wahrgenommen, doch plötzlich spüre ich die Pflanze ganz deutlich. Es wird zum Kinderspiel, ihr einen kleinen Schubs zu geben und sie zum Bilden einer Knospe und dann zum Blühen zu bringen.

„Okay, wenn auch etwas langsam“, urteilt der Jüngste und notiert etwas. 

„Stimmt. Auf jeden Fall interessant.“

Der mittlere kann sich der Faszination seiner Begleiter wohl nicht wirklich anschließen, denn er nickt lediglich und reicht mir eine kleine Kugel, in deren Glaskörper immer wieder unkontrollierte Blitze zucken. Verwirrt sehe ich ihn an. Im Unterricht hatten wir so etwas nie. Was will er also von mir?

„Deine Aufgabe ist es, einen Blitz eine Minute lang in derselben Position zu halten.“  Wie soll ich das anstellen? So etwas hatten wir noch nie, überhaupt, wie soll das bei einem Blitz funktionieren? Andererseits ist ein Blitz in Wirklichkeit auch nur Energie und wenn wir Magie wirken machen wir ja eigentlich nichts anderes, als unsere Energie auf andere Dinge und das zu lenken, was geschehen soll. Könnte ich mich also auf das innere des Glases konzentrieren und es dazu bringen, seine Energie zu zeigen? 

Unbewusst lasse ich mich in den Schneidersitz sinken und betrachte den Gegenstand in meinen Händen nachdenklich. Die beiden jüngeren scheinen davon gar nicht begeistert zu sein, denn kein Elf darf über seinem Herrn stehen und somit müssen auch sie sich nun setzen, doch das nehme ich kaum wahr, zu sehr bin ich mit meiner Herausforderung beschäftigt. Schließlich wage ich die Probe und lenke meine Magie auf die Kugel, taste sie mit meinem Geiste ab und entdecke, dass die Oberfläche, die ich bisher für Glas hielt in Wahrheit aus verschiedenen Stücken Bergkristall zu besteht. Dieser schöne Schmuckstein bringt nämlich wie viele andere Kristalle die Eigenschaft mit sich, Energie zu speichern und sogar einzelne Befehle dauerhaft ausführen zu können. Scheinbar ist das auch das Geheimnis der Kugel, denn sobald ein Blitz im Inneren erscheint, spüre ich, wie das Energielevel eines Splitters sich verändert und in andere Splitter übertragen wird. Natürlich kann das Ganze nicht unendlich lange laufen, da der Übergang als Blitz einen Teil der Kraft verbraucht, aber es ist schön an zu sehen und mit einer andauernden Ladung an einer Stelle müsste ich eigentlich einen einminütigen Blitz hinbekommen können. 

Vorsichtig beginne ich damit, mich auf ein Stück zu konzentrieren und Energie hinein zu leiten während ich gleichzeitig an den Blitz denke, den ich sehen möchte. Und kaum habe ich die Übertragung begonnen gehorcht die Kugel auch schon und ein wunderschöner Blitz entsteht, verästelt sich quer durch die Kugel und wechselt immer wieder Einschlagort, doch er hält. Selbst als der Prüfer sagt, die Minute sei um, spüre ich kaum die Anstrengung, die ich eigentlich erwartet hatte. 

„Außergewöhnlich, wirklich außergewöhnlich“, befindet der älteste, während der mittlere mir ein zufriedenes Lächeln schenkt und sich einen kurzen Vermerk macht. Dann übernimmt der Älteste wieder die Führung.

„Damit kommen wir zur letzten Prüfung. Du folgst einfach meinen Anweisungen.“ Verdutzt nicke ich. Was das wohl wird?

„Gut, dann entspann dich und lass deine Gedanken schweifen.“ Er wartet eine Weile, während meine Gedanken vom Lernen der letzten Wochen, zu meinem Freund, den Ausflügen mit ihm und immer weiterwandern. Dann spricht er weiter. „Dann möchte ich, dass du dich an eine Situation erinnerst, in der du absolut zufrieden warst.“ Sofort denke ich an die Kuscheleinheiten mit Alec zurück und wie wir letztens eine Schneeballschlacht mit Anani, Cole, Sirius und Remus gemacht hatten zurück. 

„Als nächstes will ich, dass du dich an einen Moment erinnerst, in dem du absolut wütend, verwirrt oder aufgebracht warst.“ Auch da muss ich nicht lange überlegen. Zu lebhaft ist noch die Erinnerung, wie Peter meinen kleinen Bruder verletzt und bedroht hat, allerdings ist es diesmal anders. Meine Tattoos kribbeln vor Energie und ich bin nicht einfach sauer, die Umgebung scheint mit mir wütend zu sein. Sobald mir nämlich diese Situation in den Sinn kommt, streicht eine Windböe um mich herum, die sich verstärkt, während ich mich weiter erinnere und als ich schließlich die Augen wieder öffne, bemerke ich nicht nur den Wind, der um mich her peitscht und die Prüfer sicherheitshalber einen Schild um sie her erstellen ließ, sondern auch das Kaminfeuer, dessen Flammen nun bereits fast durchsichtig in den Schlot steigen.

Der DrachenprinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt