»Ne, nix passiert«, gab der Mann an und verschränkte wieder die Arme, was dem Polizisten gar nicht behagte.
Beschwichtigend gestikulierte er zu dem Mann. »Können Sie bitte die Hände wieder runternehmen, so dass ich sie sehen kann?«, bat er den Mann höflich, aber mit Nachdruck, der seinen Anweisungen glücklicherweise Folge leistete. Damit war er gleich beim Richtigen, für den nächsten Punkt. »Was ist mit der Wunde an Ihrem Kopf? Wollen Sie da vielleicht mal jemanden draufgucken lassen?« Mit verletzten Menschen konnte es sein wie mit verletzten Tieren. Es war besser, wenn man den wunden Punkt versorgte, damit man nicht versehentlich genau diesen traf. Und eine körperliche Auseinandersetzung mit diesem Herrn wollte er, der eigenen Gesundheit zuliebe, möglichst vermeiden.
»Sie sind sich auch sicher, dass alles in Ordnung ist?«, hörte er Ingrid die Frau fragen, welche ein zaghaftes »Ja« als Antwort entgegen brachte.
Ganz im Gegensatz zu ihrem Mann, der den Kopf schüttelte. »Ne, das is' nix. Nur 'ne Schramme.«
Dass Herr Bachmann immer wieder zu seiner Frau herüber sah, entging Paul nicht. Und er fasste einen Entschluss. »Dann bleiben Sie hier bitte einmal stehen.« Er trat einen Schritt zurück und aktivierte sein Funkgerät, ohne den Herrn aus den Augen zu lassen. »Arnold für den 14/21.« Es dauerte nicht lang, bis er eine Antwort zurück bekam. »Ich brauche einmal eine Abfrage zu Ronny Bachmann, geboren in Thüringen am einunddreißigsten Juli neunzehn-fünfundachtzig.« In der Tat war er überrascht, als Arnold meldete: »Keine Einträge.«
Dennoch war ihm die Lage suspekt. Paul Richter schaute zu seiner Kollegin, die ihn ebenfalls im Auge hatte, nickte zu der Frau herüber und danach zu Herrn Bachmann, als Zeichen, dass er vorhatte, die beiden zu trennen.
Ingrid gab ihm zu verstehen, dass sie verstanden hatte. Sie stand immer noch bei der total verängstigten Frau, die sich kaum traute, ein Wort zu sagen.
Abermals neigte Paul seinen Kopf in ihre Richtung, um auch den Rettungskräften zu bedeuten, sich der Dame des Hauses anzunehmen. Aber nur zum Teil. Als sich beide in Bewegung setzten, winkte er Franco zu sich heran. Dann wandte er sich wieder an Herrn Bachmann. »Können wir zwei noch mal in den Flur gehen? Dass wir uns in Ruhe unterhalten können?« Vermutlich wäre die Frau redseliger, wenn ihr Mann nicht in der Nähe war und jedes Wort mitbekam, was sie sagte.
Genervt seufzte Herr Bachmann, nickte dann aber und trottete vor dem Polizisten in den Flur, öffnete die Tür zum Nebenzimmer, das bis auf einige Stühle, die hier offensichtlich zwischengelagert wurden, leer war.
Es genügte Paul schon, dass sich die beiden Parteien nicht mehr sehen konnten. »So, und jetzt noch mal zum Mitschreiben und mit ein oder zwei Worten mehr«, forderte der Polizist seinen Gegenüber auf, der genervt den Blick gen Decke richtete und schon wieder drauf und dran war, seine Arme zu verschränken. »Und lassen Sie doch einfach mal die Arme unten. Ich kann dat nich' haben. Weswegen hatten Sie sich denn so in'ne Wolle?«
»Hab ich doch schon gesagt«, begann der mutmaßliche Delinquent und zum ersten Mal klang er nicht nur genervt, sondern bekam seine Stimme einen bedrohlichen Unterton, der Pauls Alarmglocken schrillen ließ. »Eine Meinungsverschiedenheit, mehr nicht. Die Wohnung hallt eben noch sehr, weil keine Möbel drinstehen. Vielleicht war es deshalb so laut. Jedenfalls wollte Sandra den Tisch näher an der Küche stehen haben und ich meinte, am Fenster wäre es wegen des Lichts besser. Darüber haben wir diskutiert. Mehr nicht. Ich weiß auch gar nicht, weshalb man wegen so 'was gleich die Polizei holen muss. Die Nachbarn hätten einfach klingeln können!«
Skeptisch musterte der Polizist sein Gegenüber. Er hatte dem Tonfall nach mit einer fadenscheinigeren Aussage gerechnet. Aber das klang fast schon glaubwürdig. Und in Teilen gab er Herrn Bachmann sogar Recht. Manchmal wünschte er sich auch, die Menschen würden schlicht und ergreifend mehr miteinander reden. So hätten sich manche Vorfälle direkt von selbst geklärt. Andererseits hatte Herr Uland auf ihn nicht den Eindruck gemacht, sonderlich kontaktscheu zu sein. »Ich nehme mal an, dass es von außen bedrohlicher geklungen hat, als Sie es jetzt hier schildern«, brachte der Kommissar sachlich an. »Oder Ihre Nachbarn haben es einfach anders empfunden als Sie. Wir wissen ja nicht, was war, deshalb fragen wir Sie ja. Sie sehen doch, dass Sie sich ganz normal mit uns unterhalten können.«
In den Augen des Gegenübers schimmerte weiterhin Verärgerung. Er hob erneut die Arme, ließ sie aber wieder sinken, noch bevor der Beamte etwas sagen konnte. Seine skeptisch erhobenen Augenbrauen reichten vollkommen aus. Aber er nickte, hob dann doch wieder seinen Arm und fuhr sich damit durch die Haare. Dabei blieb er an seiner Kopfwunde hängen, verschmierte das dünne Rinnsal, dass ich seitlich seinen Kopf entlang wand und fuhr zusammen.
»Ker, getz lassen Sie die Leute vom Rettungsdienst doch mal draufgucken«, warf der Polizist ein, der langsam den Eindruck bekam, dass Herr Bachmann an einer Eskalation so wenig interessiert war wie er selbst. Mit welcher Motiven war fraglich und natürlich behielt Paul im Hinterkopf, dass er damit falsch liegen konnte. Doch dem Gedanken, einen vorwiegend friedfertigen Menschen vor sich zu haben, erwehren, konnte er sich nicht.
Nachdem seine Funktion endlich mal erwähnt worden war, meldete sich Franco zu Wort. »Wir sind ja sowieso schon da.«
Mit Argwohn beäugte Ronny Bachmann die beiden Amtsmänner und schlug das erneute Angebot mit einem Kopfschütteln aus. Stattdessen wandte er sich an Paul und tat, als hätte dieser den Vorschlag gar nicht gemacht. »Ich bin dann etwas lauter geworden, Sandra auch und dann war auch gut. Beim Umzug is' nich' alles glatt gelaufen. Erst war der gemietete Wagen doch nicht verfügbar, dann stand unser alter Keller unter Wasser und die Farbe in der Küche is' auch nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten. Das musste halt mal raus. Tut uns auch leid, dass das jetzt so gelaufen ist. Sicher nicht der beste Einstand in der Nachbarschaft.« Und in der Tat wirkte er unerwartet reumütig. Es hatte den Anschein, als sei ihm die ganze Angelegenheit vorwiegend peinlich, als dass er sich über die Anwesenheit der Polizei selbst ärgerte.
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Blaulicht-Kurzgeschichten
FanfictionEin paar kürzere Fanfictions, die ich hier in dem Buch sammle. Maximal fünf, sechs Kapitel lang. Querbeet von Verkehrsunfällen, Streitereien, Missverständnissen bis zu Großschadenslagen.