1.6. Frauen schlägt Mann nicht

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Er hat es ja nicht so gemeint. Wie oft hatte er das schon gehört? Er hatte aufgehört zu zählen. »Trotzdem müssen Sie sich dafür nicht als Sandsack verdingen«, hielt Paul Richter dagegen. »Um das mal auf deutsch zu sagen: Was Ihre Frau da gemacht hat, wenn Sie mit Hanteln auf Sie losgegangen ist, war gefährliche Körperverletzung.«

»Ach, die paar blauen Flecken«, widersprach der Mann vehement und machte mit dem linken Arm eine wegwerfende Bewegung, die ihm seiner gequälten Mimik nach, danach nur noch halb so intelligent vorkam. »Und ich zeig' meine Frau sowieso nicht an. Das können Sie gleich vergessen.«

Offenbar war bei ihm nicht angekommen, was Paul damit hatte sagen wollen. »Ob Sie Ihre Frau anzeigen oder nicht, Sie bekommt eine Anzeige von uns. Von Amtswegen. Sagen Sie mal, kriegen Sie das überhaupt mit? Ihre Frau hat gerade mit Hanteln auf Sie eingedroschen. Klingt das für Sie normal?«

»Sie waren doch gar nicht dabei!«, konterte Herr Bachmann, deutlich engagierter als zuvor. Das Problem, vor dem Paul hier stand, nannte sich Liebe. Denn die empfand der geprügelte Ehemann offensichtlich für seine Frau. Anders war nicht zu erklären, weshalb er sie versuchte zu schützen. Doch, eine Erklärung gab es noch. Scham.

»Ne, war ich nicht, aber was ich sehe und gehört habe, reicht mir«, kommentierte der Polizist die bekannten Fakten. »Ich jedenfalls würd' das nicht so hinnehmen.«

Wütend sprang Herr Bachmann auf. »Sie ...!«

»Setzen!«, fauchte der Polizist und der Mann verstummte. »Ich kann verstehen und ich finde es auch gut, dass Sie nicht mit Ihrer Frau das Auge-um-Auge-Spiel spielen! Dass wir uns da nicht missverstehen. Aber dass Sie dieses Verhalten auch jetzt noch in Schutz nehmen, halte ich, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken, für falsch. Das ist doch keine Art miteinander umzugehen. Andere Menschen klären das doch auch vernünftig. Machen'Se 'ne Therapie, oder Ihre Frau, klären Sie das irgendwie oder trennen sich, aber nur, weil es heißt, man dürfe keine Frauen schlagen, heißt das nicht, dass das für Männer nicht auch gilt. Das ist respektlos und gefährlich noch dazu. Das hat mit Liebe oder Partnerschaft überhaupt nichts mehr zu tun. Aber das geht uns alles nichts an.« Nun wandte er sich an die Frau, die immer noch hinter ihm stand und angstvoll den Boden fixierte. »Sie bekommen Post von uns. Beide. Dann können Sie sich zu dem Vorfall äußern. Frau Bachmann, Sie begleiten uns für die erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf die Wache. Des Weiteren sprechen wir ein Rückkehrverbot von zehn Tagen gegen Sie aus. So lange haben Sie hier nichts verloren. Sie können gleich ein paar Sachen packen und dann hat sich die Sache für Sie hier erledigt.« Damit ließ er sie stehen und sah wieder zu ihrem Ehemann. »Ihnen würd' ich raten, sich noch mal von den Kollegen durchchecken zu lassen und dann gegebenenfalls mit ins Krankenhaus zu fahren. Zum Arzt müssen Sie sowieso, wegen der Dokumentation der Verletzungen. Das mit dem Rückkehrverbot haben Sie ja mitbekommen. In der Zeit können Sie sich ja überlegen, wie Sie das in Zukunft handhaben wollen. Wenn Sie wollen, lassen wir Ihnen auch noch ein oder zwei Adressen da, bei denen Sie sich melden können.«

»Nein«, murrte der Herr kopfschüttelnd.

»Auch gut. Ist nur ein Angebot«, kürzte Paul die Sache ab. »Dann kommen Sie jetzt mit und holen sich Ihre Sachen.«, winkte er Frau Bachmann heran, die jedoch an Ort und Stelle verwurzelt blieb. »Oder haben Sie noch was zu der Sache zu sagen? Ich muss Sie vorher belehren, dass Sie Beschuldigte in einer Strafsache sind und daher keine Angaben machen müssen.«

Mit wässrigen Augen starrte sie weiterhin auf ihren Mann. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. Und das tat es vermutlich wirklich. Aber am Ergebnis änderte das nichts.

»Vielleicht merken Sie ja jetzt, dass Sie da an sich arbeiten sollten«, gab Paul ihr mit auf den Weg und folgte ihr ins Wohnzimmer.

Als sie wieder zurückkamen, hatten die Rettungsdienstler den Arm des Mannes bereits geschient. War wohl mehr als nur ein blauer Fleck. Aber auch um die bunte Schiene herum, konnte man die Prellmarken im Bereich der Rippen auf dem freien Oberkörper gut und deutlich sehen. Die sahen so aus, als würden sie Herrn Bachmann noch einige Tage als schmerzhafte Souvenirs dienen.

Die Kollegen der Feuerwehr kamen alleine klar, so dass sie Frau Bachmann direkt in den Streifenwagen setzen konnten. Als Paul die Tür hinter ihr schloss, seufzte er genervt. »Weißt du, was mir bei diesen Einsätzen am meisten auf den Senkel geht?«, fragte er seine Kollegen.

Die lächelte ihn nachsichtig an. Sie machte den Job schon ein paar Tage länger und wusste vermutlich sehr genau, was Paul jetzt loswerden wollte. Und sie schien zu wissen, dass er sich kurz aussprechen musste, denn sie ließ ihn schweigend ausreden.

»Dass, wäre es andersrum gewesen, das ein riesiger Aufschrei gewesen wäre. Ein Kerl, der seine Frau vertrimmt. Geht ja gar nicht. Aber über so 'was heißt es dann immer, der konnte sich doch wehren und selber Schuld und hasse nich' gesehen. Am Ende hat man da als Mann immer die Arschkarte. Und die wissen das und sagen nix. Glaubt doch auch keiner, dass es so 'was gibt.«

Beschwichtigend klopfte Ingrid ihrem Kollegen auf die Schultern. »Ja, so ist das«, meinte sie nur und ging um das Auto rum.

»So viel zur Gleichberechtigung.« Damit war das Thema für ihn aber auch gegessen. »Fährst du hinten mit?«

Auf Höhe der Beifahrertür gegenüber blieb Ingrid stehen und sah ihren Kollegen forsch an. »Wieso? Weil ich eine Frau bin?«

Paul grinste. Er wusste, dass seine Kollegin ihn nur aufziehen wollte. »Genau deshalb«, antwortete er. »Und, weil ich den Autoschlüssel habe.« Mit diesen Worten ging er um das Fahrzeug herum zur Fahrertür und stieg ein.

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