Seit der Feier war nun eine Woche vergangen und ab heute durfte Victoria auch wieder in den Außendienst. Denn nach ihrer endgültigen Rückkehr nach Köln, hatte sie noch zwei Wochen aussetzen müssen. Auch wenn sie am liebsten sofort wieder gearbeitet hätte, verstand sie die Ärzte die ihr diese Ruhephase vorschrieben. Und schließlich hatte sie sich auch nicht gegen Klaus stellen wollen, welcher nach der ganzen Sache kein Risiko eingehen wollte. Denn sein wir mal ehrlich, sie hätte eh den kürzeren bei der ganzen Sache gezogen. Diese zwei Wochen hatte sie genutzt um sich mit ihren Freunden nochmals in Ruhe auszusprechen und auch um Kommissar Gomez ein wenig zu unterstützen. Denn auch wenn sie nun nicht mehr an dem Fall der korrupten Polizeibeamten arbeitete, interessierte sie doch der Ausgang der Ermittlungen. Daher war sie froh das der Kommissar und sie sich in zwischen ganz gut verstanden und er versprochen hatte sie auf dem laufenden zu halten. Heute war Tori zusammen mit Mark auf Streife. Aufgrund eines Verkehrsunfalls mit Personenschaden kamen sie etwas später zur Wache zurück als eigentlich geplant. Während die Beiden auf das Gebäude zu gingen, konnten sie bereits mehrere laute Stimmen aus dem Inneren des Gebäudes vernehmen. „Was ist denn hier los?", fragte Mark und sah zu Tori hinüber. Diese zuckte nur ratlos mit den Schultern,aber auch sie fand das ganze komisch. Mark öffnete die Eingangstür und beide betraten das Gebäude. Auch hier waren die lauten Stimmen zu hören und so langsam konnten sie Bruchstücke von dem verstehen, was gerufen wurde. „Wo steckt der denn?" Das war eindeutig Paul gewesen. „Ich glaube hier ist er", hörten sie nun die Stimme von Tom. Und dann vernahmen sie Heidi's Stimme: „Bubble, komm doch her. Wir tun dir doch nichts." Wieder tauschten Mark und Tori verwirrte Blicke. Was war denn hier bitte los? Gerade als die Beiden nachsehen wollten was los war, kam ein kleiner Junge auf sie zu gerannt. Da er immer wieder hinter sich sah, bemerkte er Tori und Mark zu spät und stieß mit letzterem zusammen. Ängstlich versuchte er sich zu befreien und schlug dabei wild um sich. Als der Junge die Stimmen von Tom, Paul und Heidi vernahm, welche sich näherten, schlug er nur noch wilder um sich. Mit einem seiner Schläge traf er Mark unsanft im Schritt und dieser ließ ihn dadurch reflexartig los. Schnell löste sich der Junge von Mark und versuchte an diesem vorbei zum Ausgang zu gelangen. Nun hatten auch Tom, Heidi und Paul den Flur erreicht. Als sie den Jungen erblickten, rief Tom: „Nun bleib doch stehen. Wir wollen dir doch nichts tun, aber du musst zurück." Mark stand immer noch leicht vorn übergebeugt da und wartete darauf das die Schmerzen nachließen. Derweilen versuchte der Junge an Tori vorbei zum Ausgang zu kommen. Doch da hatte er die Rechnung ohne Tori gemacht. Auch wenn sie immer noch nicht wusste was genau hier los war, konnte sie doch nicht einfach zu lassen das dieser kleine Jungeeinfach so abhaute. Ohne groß nachzudenken schnappte sie sich den linken Arm des Jungen, als dieser an ihr vorbei huschen wollte. Sofort fing der Junge wieder an um sich zu schlagen und zu schreien. „Nein, los lassen", flehte er. Vor irgendetwas schien er panische Angst zu haben und diese versteckte sich durch Tori's Griff nur noch. Instinktiv ließ sie den Arm des Jungen los. „Aber was machst du denn?", fragte Paul überrascht. Doch anderes als erwartet rannte der Junge nicht weg, sondern blieb wie angewurzelt neben Tori stehen. Langsam hob er seinen Kopf und sah in Tori's Richtung. Sowie er sie ansah, hatte er nicht damit gerechnet das sie ihn einfach so wieder los ließ. Dementsprechend stand er nun etwas ratlos, aber immer noch ängstlich, neben ihr. Diese hockte sich langsam vor ihn, so das sie auf gleicher Augenhöhe mit ihm war. Der Junge zitterte am ganzen Körper, zeigte ansonsten aber keine Regung. Ohne zu Zögern zog Tori den Jungen an sich und umarmte ihn. Anfangs verkrampfte er sich, doch mit der Zeit entspannte er sich und das Zittern hörte auf. Mark hatte sich derweil wieder aufgerichtet und neben die anderen Beamten gestellt. Fasziniert beobachteten die vier Tori und den Jungen. Nach einer Weile löste Tori sich von dem Jungen und schob ihn ein Stück von sich weg. Besorgt musterte sie sein Gesicht. Erst jetzt bemerkte sie das blaue Veilchen, welches sich um sein rechtes Auge gebildet hatte. Bei näherer Betrachtung entdeckte sie zudem an seinen Armen deutliche Hämatome, solche die entstanden wenn man jemanden fest anpackte. Kein Wunder das er Panik bekommen hatte, als sie ihn festgehalten hatten. Nach einer Weile durchbrach Heidi die Stille, die entstanden war: „Lasst uns doch in den Aufenthaltsraum gehen. Da können wir über alles sprechen." „Klingt gut", stimmte Tori ihr zu und wandte sich dann wieder dem Jungen zu. Dieser stand immer noch etwas unsicher neben ihr und schien nicht so recht zu wissen, was er machen sollte. „Kommst du auch mit?", fragte Tori ihn und hielt ihm ihre Hand hin. Einen Moment schien er zu überlegen, ob er mitgehen sollte oder nicht. Schlussendlich entschied er sich fürs mitgehen und griff nach ihrer Hand. Hand in Hand folgten die beiden Paul, Tom, Mark und Heidi zum Aufenthaltsraum. „Was war das denn eben für ein Geschrei?", erkundigte sich Klaus sofort. „Ach das? Das war nur unserer kleiner Gast", erklärte Paul und goss sich erstmal eine Tasse Kaffee ein. Auch Mark, Tom und Heidi schnappten sich jeweils eine Tasse mit dem heißen Getränk. „Was für einen Gast denn?", wollte Micha nun wissen. „Na der kleine Junge da", sagte Paul und wies mit seinem Kopf zur Tür. Dort stand Tori immer noch mit dem Jungen an der Hand. Doch als sich nun alle Blicke auf ihn richteten, versteckte dieser sich ängstlich hinter Tori. „Na wenn haben wir denn da?", fragte Hannah und ging auf Tori und den Jungen zu. Vor Tori blieb sie stehen und hockte sich hin, um auf Augenhöhe mit dem Kleinen zu sein. Doch dieser verkroch sich nur noch mehr hinter Tori. „Da scheint aber jemand schüchtern zu sein", stellte Muri sachlich da. Und Arne fügte hinzu: „Da hast du recht, aber zu Tori scheint er Vertrauen zu haben." Das sahen auch die anderen Kollegen so.„Möchtest du auch einen Kaffee, Tori?", fragte Hannah, welche sich wieder erhoben hatte und sich einen Kaffee holte. „Nein danke, aber ein Glas Wasser wäre nett", antwortete Tori und versuchte einen Schritt weiter in den Raum zu machen. Doch weit kam sie nicht, da sich der Junge fest an ihre Beine klammerte. „Hier dein Glas Wasser", Hannah reichte ihr ein Glas und setzte sich dann wieder an den Tisch. Statt was zu trinken, stellte Tori das Glas jedoch in das nahestehende Regal und löste vorsichtig und langsam die Hände des Jungen von ihren Beinen. Als sie dies geschafft hatte, drehte sie sich zu ihm um. „Willst du vielleicht auch was trinken?" Unsicher nickte er nach kurzem Überlegen. Schnell organisierte sie noch ein Glas mit Wasser. Dann stellte sie dieses und ihr eigenes auf dem Tisch ab. Daraufhin ging sie zu dem Kleinen zurück, welcher sich keinen Millimeter bewegt hatte und nahm ihn auf dem Arm. Sofort schmiegte er sich an sie und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Mit dem Jungen auf dem Arm kehrte sie nun an den Tisch zurück und setzte sich neben Martin. Nachdem Tori einen Schluck von ihrem Wasser getrunken hatte, wollte sie nun wissen was los war: „Also dann erzählt mal." Dabei sah sie Heidi, Paul und Tom gespannt an. Kurz tauschten die drei Blicke, so als ob sie besprachen, wer zu erzählen beginnen durfte. Die Wahl schien auf Heidi gefallen zu sein, denn die hessische Beamtin richtete sich etwas auf und begann zu berichteten: „Paul und ich haben heute während unserer Streife den Funkspruch rein bekommen, das ein kleiner Junge aus dem Kinderheim „Sonnenschein" ausgebüxt ist. Wir sind also zum Kinderheim gefahren und haben uns da mit den Erziehern unterhalten. Die meinten das sie sich vorstellen könnten das er zum Grab seiner Mutter gelaufen ist. Also sind wir dorthin und haben ihn dort tatsächlich gefunden. Doch als er uns gesehen hat, ist er stiften gegangen." Heidi sah kurz zu Paul rüber und dieser fuhr dann fort. „Nach mehreren Minuten konnten wir ihn dann endlich festhalten. Doch er fing sofort an zu schreien und um sich zu schlagen. Dadurch hat es recht lange gedauert bis wir wieder am Streifenwagen waren. Wir haben dann dort versucht mit ihm zu sprechen, doch er hat einfach nur vor sich hin gestarrt und keinen Ton gesagt, also haben wir beschlossen ihn erstmal mit zur Wache zu nehmen. Als wir dann hier ankam, wollte er schon wieder stiften gehen, doch das konnten wir gerade so verhindern. Jedenfalls als wir dann im Büro versucht haben im Kinderheim jemanden zu erreichen, ist er einfach ausgebüxt. Auf der Suche nach dem Kleinen habe ich dann Tom getroffen und er hat uns dann suchen geholfen." Nun war Tom an der Reihe zu erzählen: „Wir haben alles abgesucht und ich hatte schon gedacht das er schon ausder Dienststelle raus wäre. Doch dann haben wir ihn bei Mark und dir entdeckt." „Der Kleine hat's anscheinend faustdick hinter den Ohren", schmunzelte Martin und schaute zu diesem hinüber. Der Junge kuschelte sich immer noch an Tori und entspannte sich immer mehr. Beruhigend strich Tori ihm immer wieder um den Rücken. „Und wie heißt der Kleine?", erkundigte sich nun Mark. „Thore. Thore Weigel", beantwortete Paul seine Frage. „Und wie alt ist der Kleine?", wollte nun Tori wissen. „Er ist 6 Jahre alt", klärte Heidi auf. Thore hatte sich immer mehr beruhigt und Tori bemerkte seine ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge. Der Kleine war eingeschlafen. Vermutlich war der ganze Tag ziemlich anstrengend für ihn gewesen. „Hat er den überhaupt schon mit euch geredet", harkte nun Hannah nach. „Bis jetzt noch nicht, aber vielleicht ändert sich das ja jetzt", meinte Paul. Er hatte die Hoffnung noch etwas von dem Jungen zu erfahren, doch daraus sollte nichts werden. „Das glaub ich weniger", meinte Tori und lächelte leicht. Überrascht sahen sie die anderen an und Klaus erkundigte sich: „Wie kommst du denn darauf?" „Der Kleine hier, ist nämlich eingeschlafen", klärte sie die anderen auf. Immer noch verwundert, aber gleichzeitig überrascht besahen sich die Polizisten ihre Kollegin mit dem kleinen Jungen auf dem Schoß. Es war schon ein merkwürdiges Bild und trotzdem sah es so richtig aus. „Das ist ja schön, aber was machen wir jetzt mit dem Kleinen?", erkundigte sich Paul und fügte dann noch hinzu, „Versteht mich nicht falsch, aber er kann er nicht ewig hierbleiben." Klaus nickte: „Da hast du recht. Ich würde sagen Paul, du und Heidi, informiert das Kinderheim und erkundigt euch was die zu der ganzen Situation meinen. Und Tori..." Er sah zu der jungen Kollegen hinüber. „Bleibe einfach hier und habe ein Auge auf unseren Besucher", meinte sie. Nun mussten alle Anwesenden schmunzeln. „Ja das klingt nach einem Plan." Klaus war immer wieder beeindruckt wie reif Tori in manchen Situationen wirkte. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken sie wäre schon jahrelang dabei und nicht erst seit etwas mehr als zwei Jahren. Da seine Beamten noch immer versammelt um den Tisch saßen, erkundigte er sich nach einem kräftigen Räuspern: „Habt ihr etwa nichts mehr zu tun oder was ist los?" Wie aus einer Trance erwachten die anderen, lösten ihren Blick von Tori und dem Jungen und machten sich wieder an ihre Arbeit. Tori hingegen blieb auf ihrem Stuhl sitzen und sah auf den Jungen hinunter, welcher sich durch den ganzen Trubel, der momentan um ihn herum herrschte, gar nicht stören ließ. Wie lange er wohl nicht mehr durchgeschlafen hatte?, überlegte Tori und ein trauriges Lächeln zierte ihr Gesicht. Sie konnte sich noch sehr gut an ihre erste Zeit im Kinderheim erinnern. Es gab soviel neues, an das man sich gewöhnen musste und zu dem musste man mit dem Verlust klar kommen. Und das ist bei wahr gar nicht so leicht. Nach dem alle anderen den Aufenthaltsraum verlassen hatten, stand Tori langsam und vorsichtig auf und ging genauso langsam und vorsichtig hinüber zur Couch. Dort ließ sie sich wieder nieder und sah das der Kleine noch immer friedlich schlief. Je länger sie so dasaß und die Ruhe genoss, desto öfter fielen ihr die Augen zu und schließlich schlief auch sie ein.
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Gefühlschaos und unliebsame Erinnerung
FanfictionZwei Jahre sind nach der Ankunft von Victoria in Köln vergangen. Viel war passiert, doch so langsam kehrte Ruhe in ihrem Leben ein, bis ein kleiner Junge auftaucht und alte Erinnerungen weckt. Zudem kommt das allgemeine Gefühlschaos und der langerse...