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Stephan, welcher heute die Nachtschicht hatte, betrat gerade die Wache. Auf dem Flur zum Aufenthaltsraum begegnete er Heidi und Paul. Die beiden tuschelten gerade und bemerkten ihn daher erst als er direkt hinter ihnen stand. „Was gibt es denn da zu tuscheln", wollte er, mit einem Grinsen im Gesicht, wissen. Wie zwei Teenies die man bei etwas Geheimen entdeckt hatte, sprangen beide auseinander und drehten sich überrascht um. „Stephan, hast du uns erschreckt", meinte Heidi und hielt sich die Hand an die Brust. „Tut mir leid, aber das beantwortet meine Frage noch nicht. Und vor allem, warum steht ihr hier draußen auf dem Flur und geht nicht rein." Damit ging er an ihnen vorbei und betrat den Aufenthaltsraum. Dieser war leer und das verwunderte Stephan noch mehr. Gerade als er sich zu Heidi und Paul umdrehen wollte, entdeckte er Tori auf der Couch mit einem kleinen Jungen auf dem Schoß liegend. Beide schliefen und jemand hatte eine Decke über ihnen ausgebreitet. Mit einem Lächeln drehte er sich nun wieder zu seinen, auf den Flur stehenden Kollegen um und deutete mit dem Fingen in Richtung Couch: „Bekomme ich dafür eine Erklärung oder lasst ihr mich raten." Nun grinsten auch Paul und Heidi und zu dritt machten sie sich auf den Weg in eines der Büros um Stephan die ganze Geschichte zu erzählen. Tori ließen sie währenddessen weiter dem Jungen im Aufenthaltsraum schlafen.



Nachdem Heidi und Paul ihrem Kollegen die ganze Geschichte erzählt und mit dem Kinderheim gesprochen hatten, machten sie sich zu dritt auf den Weg zurück zum Aufenthaltsraum. Dort angekommen öffneten sie leise die Tür. Eigentlich hatten sie erwartet das Tori und der kleine Junge noch schliefen, doch da hatten sie sich geirrt. Denn Tori hatte die Augen offen und hob den Kopf in Richtung Tür. Stephan betrat den Raum und ging neben der Couch in die Hocke. Er warf dem Jungen einen besorgten Blick zu. „Und alles gut?" Tori nickte und antwortete: „Bei mir schon, bei ihm wäre ich mir da nicht so sicher." Auch Tori schaute den Kleinen besorgt an. „Damit könntest du recht haben", stellte auch Heidi fest. Paul nickte: „Wir haben mit dem Kinderheim telefoniert und sie warten schon auf uns. Soweit die Erzieherinnen wissen, gab es in den letzten Tagen keine Vorkommnisse wodurch die Verletzungen entstanden sein könnten." Langsam regte sich der Kleine auf Tori's Schoss. Allmählich öffneten sich seine Augen und er richte sich zaghaft auf und wischte sich ein paar mal über die Augen. Tori streichelte ihm wieder über den Rücken und schaute ihm liebevoll an. „Na alles gut?", fragte sie ihn besorgt. Zuerst überlegte er kurz, dann nickte er und lächelte zaghaft. Tori rutschte auf der Couch hoch und so konnte Heidi sich neben sie setzen, Das ganze wurde von Thore skeptisch beäugt und er verkroch sich nun wieder mehr bei Tori. Diese streichelte einfach nur weiter seinen Rücken und versuchte dann vorsichtig mit ihm zu reden: „Möchtest du uns vielleicht erzählen, wie du zu den Verletzungen gekommen bist?" Ohne zu überlegen schüttelte er mit dem Kopf. „Das ist okay, aber der Paul und die Heidi", sie zeigte auf ihre beiden Kollegen, „müssen dich jetzt wieder zurück ins Kinderheim bringen." Fast panisch riss Thore seine Augen auf und schüttelte wild mit dem Kopf. Heidi, Paul und Stephan, welcher inzwischen neben Paul stand, warfen sich wissende Blicke zu und waren bereit den Kleinen wieder einzufangen, sollte dieser wieder versuchen abzuhauen. Und diese Vorsicht war durchaus berechtigt, denn Thore wurde immer unruhiger und schien wohl zu überlegen ob es Sinn machen würde einen Fluchtversuch zu starten. Ganz schien er sich noch nicht entschieden zu haben und das nutze Tori aus. Ohne Umschweife sprach sie weiter und versuchte den Kleinen auf ihrem Schoß wieder zu beruhigen. „Ich weiß, das es nicht immer schön im Kinderheim ist, aber die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wollen doch nur das Beste für Kinder wie dich. Als ich damals im Heim war, gab es auch eine ganz liebe Mitarbeiterin, Frau Ahrens. Sie hatte immer ein offenes Ohr für die Probleme von uns Kids und hat uns wieder aufgebaut. Auch wenn es nicht das selbe ist, als wenn man bei seinen eigenen Eltern ist, aber sie schaffte es das wir uns nicht mehr ganz so einsam fühlten. Bei euch im Heim gibt es doch bestimmt auch so jemanden oder?" Thore überlegte einen Moment, dann nickte er. „Na siehst du. Und dieser Jemand fände es sicher schade,wenn du nicht wieder zurückkommst, denn sie macht sich bestimmt schon große Sorgen. Also was hälst du davon, wenn die Beiden dich nun wieder dorthin zurückbringen, damit sie sich keine Sorgen mehr machen muss?" Während Tori versuchte den Kleinen dazu zu bringen wieder zurück ins Heim zu gehen, beobachteten ihre Freunde das Geschehende gespannt. Auch wenn sie in der Zwischenzeit viel über Victoria's Vergangenheit erfahren hatten, so gab es doch immer noch neues zu erfahren. Denn wer redete schon gerne über die schwerste Zeit seines Lebens? Richtig keiner und vor allem Tori war in diesem Bereich mehr als schweigsam. Währenddessen hatte Tori es geschafft den Kleinen zu überreden, auch wenn er immer noch nicht ganz überzeugt aus sah. Das bemerkte auch Tori, daher hörte sie auch auf ihren Bauch und zog eine ihrer Visitenkarten hervor. Diese reichte sie Thore und erklärte: „Hier hast du meine Visitenkarte und wenn irgendetwas sein sollte oder du reden möchtest, dann kannst du mich jederzeit anrufen." Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht und umarmte sie dann. „Danke", flüsterte er ihr ins Ohr. „Kein Problem und jetzt los. Du solltest so langsam mal was Essen und dann ab ins Bett." Nach noch einer langen Umarmung kletterte Thore zögerlich von Tori's Schoß und stand dann etwas unschlüssig im Raum herum. Heidi war inzwischen auch aufgestanden und hielt ihm nun die Hand hin. Mit genügend Vorsicht griff er nach der Hand und verließ, nach einem kurzen Blick zu Tori, zusammen mit Heidi und Paul den Aufenthaltsraum. Tori lächelte dem Kleinen noch hinterher, stand dann auf und gesellte sich zu Stephan, welcher sich gerade eine Tasse Kaffee organisierte. „Möchtest du auch eine?" Er zeigte auf seine Kaffeetasche, doch Tori schüttelte nur mit dem Kopf. „Das hast du übrigens sehr gut gemacht." „Kann sein", meinte sie und zuckte mit den Schultern. „Ist so", stellte Stephan klar, zog seine beste Freundin in eine kurze Umarmung und sah auf seine Armbanduhr, „ich sollte mich mal langsam an die Arbeit machen, sonst fragt mich Klaus noch was ich den ganze Nacht getrieben habe."„Okay mach das. Auf mich warten auch noch einige Berichte. Ruhige Nacht und sei vorsichtig." „Bin ich doch immer. Wir sehen uns Morgen." „Bis Morgen." Während Stephan sich also auf den Weg zum Streifenwagen machte, wo bereits sein heutiger Streifenpartner André wartete, ging Victoria in ihr Büro und tippte ihre Berichte ab.

Gefühlschaos und unliebsame ErinnerungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt