Don't leave my side

Jean Kirschstein

Genervt ließ Jean sich auf den Boden in der Ecke fallen. Seit der Party waren schon vier Wochen vergangen und Jean und Marco hatten sich fast jede Pause hinten in ihrer ‚geheimen‘ Ecke getroffen. Sie hatten geredet, gelacht und waren sich noch näher gekommen als sie sowieso schon waren. 

„Ich hab einfach keinen Bock mehr auf diesen scheiß Ackerman Typ. Wieso muss der uns immer Hausaufgaben aufgeben? Ich hab besseres zu tun als eine ganze Seite aus dem Buch abzuschreiben.“, meckerte der Junge mit dem braun-blonden Undercut und zündete sich eine Zigarette an. 

Marco kicherte leise und setzte sich neben ihn:“Du musst die Seite nur abschreiben weil du im Unterricht geschlafen hast. Du solltest echt mehr schlafen.“

Beleidigt drehte Jean den Kopf zur Seite und schmollte einen kurzen Moment, dann fügte er leise hinzu:“Du bist doch schuld dass ich nicht geschlafen habe.“

Bei der Erinnerung an die vorherige Nacht lief Marco leicht rot an. Die beiden hatten bis in die tiefe Nacht hinein geskypt, bis Jean vor Müdigkeit fast umgekippt wäre.

Eine Weile lang schwiegen die beiden bloß andächtig und genossen bloß die Sonne, die sanft durch das Blätterdach des Baumes, der in der Ecke stand fiel. Eine leichte Windbrise blies durch das trockene Laub das unter der alten Eiche stand. Es war Anfang Herbst und bald schon könnten die beiden nicht mehr so gemütlich in der Ecke sitzen, da es sehr nass und kalt werden würde.

Auf einmal fing Marco leise an zu sprechen:“Hör mal, Jean. Ich wollte mich entschuldigen, wegen der Party. Das tut mir voll leid, was ich da gemacht habe, das war nicht cool. Ich hätte mich auch schon viel früher entschuldigen sollen, 'hab mich nur nicht getraut.“

Mit einem schaudern erinnerte sich Jean daran, wie Marco betrunken war und ihn angegriffen hatte.

Er schämte sich selber ein wenig dafür, dass er nicht einmal ansatzweise in der Lage war sich gegen ihn zu wehren. „Ist schon okay, Mann. Das hatten wir doch längst geklärt.“, beschwichtigte er seinen besten Freund und griff nach seiner Hand, „Hat sich schließlich auch gelohnt.“ 

Er zwinkerte schelmisch und sofort besserte sich auch Marcos Laune wieder. Erneut schwiegen die beiden, Jean rauchend und immer noch Marcos Hand haltend. Marco bedeutete es viel, dass Jean seine Hand nicht losließ.

Normalerweise war der impulsive Junge sehr darauf bedacht keine ‚schwulen‘ Sachen zu machen. Es war, als wäre es ihm peinlich oder als hätte er etwas gegen Schwule, dennoch küsste er Marco immer und sie hatten auch oft Sex.

Seufzend wuschelte sich Jean durch die Haare, sein Undercut war schon wieder ein Stück rausgewachsen und er müsste bald wieder zum Friseur gehen.

Er hatte schon immer unten braune Haare gehabt und seine oberen Haare waren ein wenig heller. Schon viele Leute hatten ihn gefragt, ob er sie sich irgendwie gefärbt hätte.

Er antwortete fast immer mit einem sarkastischen:“Ja klar, und ich bin auch Tätowierer und bin drogenabhängig.“

Als die Schulglocke zur nächsten Stunde klingelte blieben die Jungen einfach sitzen. Sie hätten in der nächsten Stunde Herrn Shadis gehabt und in stummer Übereinkunft beschlossen sie mal wieder zu schwänzen.

Die Lehrer hatten die beiden längst als „die abwesenden“ abgespeichert und hatten es auch aufgegeben die Eltern der beiden anzurufen, es lief sowieso immer darauf hinaus dass die beiden Jungs kein Stück auf ihre Mütter hörten und direkt am nächsten Tag wieder blau machten.

Es war nicht so als würden sich ihre Mütter nicht für sie interessieren, ganz im Gegenteil. Ihre beiden Mütter waren total herzlich und verhätschelten ihre Kinder viel zu sehr.