Jean Kirschstein

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Die Musik war auf voller Lautstärke und fast alle die eingeladen waren, waren auch gekommen. Bertholds Party war in vollem Gange und die Stimmung war perfekt. Nur Jeans Laune war nicht sonderlich prächtig. Er hatte Marco in der Menge verloren, dabei wusste er genau das sein bester Freund sich leicht zum trinken überreden ließ und er dann blitzschnell besoffen war. Außerdem wusste er nicht wo sich Mikasa aufhielt und die Vorstellung dass sie irgendwo mit irgendwem rumknutschen könnte, bereitete ihm noch schlechtere Laune. 

Komischerweise regte sich in ihm nichts, wenn er sich vorstellte sie zu küssen aber das führte er auf den wenigen Alkohol den er vor der Party getrunken hatte zurück. 

Genervt schob er fremde, tanzende Menschen aus dem Weg und suchte nach bekannten Gesichtern. Auf der Treppe zum ersten Stockwerk traf er auf Connie. Als dieser bemerkte das Jean alleine war, lachte er und zeigte auf eine angelehnte Tür im ersten Stockwerk:“Die anderen sind dort drin, sie haben auch schon nach dir gesucht, weil Marco nicht ohne dich anfangen wollte. Ich glaube die wollen so lustige Partyspiele spielen.“ Diese Situation erinnerte Jean an seine Kindheit. Auch damals hatte sein bester Freund, ihn seinen Freunden vorgestellt und wegen ihm hatten sie ihn meistens, wenn auch widerwillig, akzeptiert. 

„Kommst du auch mit rauf?“, rief Jean Connie zu um die Musik zu übertönen. Bei dieser Frage errötete Connie und guckte ans Ende der Treppe. Dort stand Sasha, beziehungsweise sie tanzte hibbelig auf der Stelle, und winkte Connie wild zu. „Ich würd voll gerne mit euch spielen aber ich hab schon was vor.“, erwiderte der Junge mit den sehr kurzen Haaren und zuckte entschuldigend mit den Schultern. 

Wohlwollend schaute Jean Connie hinterher, dieser stolperte die Treppen runter zu seiner Freundin und zog sie lachend mit sich in die tanzende Menge. 

Jean gönnte den beiden ihr Glück, es schien, als wäre aus ihrer jahrelangen Freundschaft endlich etwas ernsteres geworden. Das leicht verfressene und lustige Mädchen passte perfekt zu dem Klassenclown. 

Jean erinnerte sich an Connies Tipp und ging die restlichen Treppenstufen hoch. 

Bertholds Eltern waren sehr reich und besaßen ein Villen-artiges Haus, das drei Stockwerke hatte und von Bertholds Freunden oft aus Spaß ‚Märchenschloss‘ genannt wurde. Seine Eltern waren fast immer auf einem anderen Kontinent, auf Geschäftsreise oder im Urlaub. Perfekt für Partys. 

Es waren echt verdammt viele Leute zur Party gekommen und irgendwie war auch verdammt harter Alkohol in den Umlauf geraten, getarnt als harmlose Bowle. 

Als Jean die angelehnte Tür aufstieß, sah er zuallererst Erens Rücken. Nach dem sich seine Augen an das leicht dämmrige Licht gewöhnt hatte, sah er noch Mikasa, Marco, Mina, Armin und Annie. 

Die sechs saßen in einem Kreis zusammen, verteilt auf ein Sofa, eine Bettkante und den Boden. Stöhnend ließ sich gegenüber von Marco auf den Boden fallen, dieser saß ebenfalls, auf einem Kissen, auf dem Boden. 

Die Musik war in diesem Raum nur noch leise zu hören, dennoch hörte man immer noch die Bässe wummern und man bekam sogar noch etwas von den Texten mit. >>Everytime I close my eyes, it’s like a dark Paradise. No one compares to you, I’m scared that you, won’t be waiting on the other side.<< Eine Nightcoreversion von ‚Dark Paradise‘ lief, Jean hasste dieses Lied. 

Nachdem Mikasa die Tür geschlossen hatte, hörte man nur noch ganz leise die Melodie. 

Sie setzte sich wieder im Schneidersitz auf das Bett und erklärte die Regeln für ein bekanntes Partyspiel:“Wir spielen Flaschendrehen. Armin und ich haben eine Flasche besorgt, Eren fängt an zu drehen. Zweimal, die Leute auf die die Flasche gezeigt hat, müssen sich dann küssen und bitte nicht nur so ein Busse. Wir sind nicht mehr in der Grundschule. Jetzt ist Action angesagt.“ 

Sie knallte eine Flasche in die in die Mitte des Kreises, zum Glück war diese aus Plastik, sonst hätte es Scherben gegeben. Man sah ihr an das sie leicht betrunken war, vor allem hörte man es an ihrer, sonst so kalten und jetzt sehr vulgären, Ausdrucksweise. 

Eren beugte sich zu der Flasche runter, er saß neben Mikasa auf der Bettkante. Als erstes landete die Flasche auf Mikasa und dann auf Annie, was eine unangenehme Stille verursachte. 

Schließlich raffte sich die halb-asiatin auf und ging zu Annie rüber, die ihr gegenüber auf dem Sofa saß. Sie versuchte Annie aus dem stehen zu küssen, was sich als schwer herausstellt, da diese sich weigerte aufzustehen. Mikasa seufzte und ließ sich auf dem Schoß der Blonden nieder, jetzt war sich Jean zu Hundert Prozent sicher das die schwarzhaarige sturzbesoffen war. 

Annie richtete augenblicklich ihren Oberkörper auf, sie war knallrot angelaufen und starrte Mikasa böse an. Diese kicherte bloß betrunken und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Here we go!“, murmelte sie und küsste Annie. 

Und was für ein Kuss das war! Das war definitiv kein Grundschule-Bussi mehr. Leicht verstört  wendete Jean den Blick ab und schaute stattdessen in Marcos Richtung. Dieser war wie gebannt von dem Kuss von Mikasa und Annie. Eindeutlich betrunken, war Jeans gedanklicher Kommentar dazu. 

Nach einer langen Minute ließ Mikasa von Annie ab und ließ sich mit einem zufriedenen Grinsen wieder neben Eren auf die Bettkante fallen. Nun war sie dran mit Flasche drehen. 

Die leere Colaflasche drehte sich erst rasend schnell, nur um dann ungefähr bei Annie zu verlangsamen, doch sie drehte sich noch weiter. Im Schneckentempo drehte sie sich an Armin vorbei und landete schließlich auf Jean. Innerlich schrei er vor Freude, er hatte es noch niemandem erzählt aber das würde sein erster Kuss werde. 

Selbst Marco wusste es nicht. Er versteckte seine Hände in seinem Schoß und drückte sich selbst die Daumen, dass die Flasche auf einem der Mädchen landen solle, am besten auf Mikasa. 

Diese drehte gerade ein zweites mal und Jean schloss die Augen, er wollte sich überraschen lassen. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, zu dem er vermutete das die Flasche stoppen würde, hörte er Eren genervt aufstöhnen und aus Marcos Richtung ein gedämpftes Geräusch das er nicht identifizieren konnte. 

Jean öffnete die Augen und wollte gerade anfangen zu protestieren, weil er dachte er müsste Eren küssen, als er bemerkte das die Flasche auf Mikasa zeigte. 

Er versuchte seine Vorfreude zu verbergen, während er zu ihr hinging. Im Gegensatz zu dem vorherigen Kuss fand dieser im stehen statt und war erstaunlich schnell vorbei. Bevor Jean überhaupt realisierte was passierte, ließ sich Mikasa schon wieder auf ihren Platz fallen. Verwirrt ließ er sich wieder auf sein Kissen nieder und war so abgelenkt das er seine Umgebung überhaupt nicht mehr richtig wahrnahm, nicht einmal Marco der ihn besoffen anstarrte. 

Hatte es ihm selbst nun gefallen oder nicht? Jean war sich nicht sicher. Er hatte… Gar nichts gefühlt. War das nun eingutes oder ein schlechtes Zeichen? Plötzlich war ihm alle Lust am Flaschendrehen vergangen. Wie in Trance stand er auf und ging zur Tür. 

Er hörte noch wie Marco sich für ihn entschuldigte, selbst mit ein wenig zu viel Alk intus war er noch höflich wie eh und je, doch Jean hatte keine Lust auf ihn zu warten. 

Auf dem Flur knutschte ein Pärchen wild rum und zwei Mädchen lehnten an der Wand, kichernd mit jeweils einem Becher der alkoholhaltigen roten Bowle. Im vorbeigehen schnappte sich der deprimierte Junge beide Becher und exte sie binnen Sekunden. Hinter sich hörte er die Mädchen meckern, doch das interessierte ihn nicht. 

Er stieß ein paar Türen auf, in der Hoffnung ein ruhiges Plätzchen zum Nachdenken zu finden und seine Hoffnung wurde erfüllt. Das Zimmer das er fand war höchstwahrscheinlich ein Gästezimmer, ohne jegliche persönliche Gegenstände, bloß mit einem breiten Doppelbett, einem etwas älterem Sessel, einem leeren Kleiderschrank und einer Stehlampe in der Ecke. 

Er schloss die Tür hinter sich und freute sich das er sogar abschließen konnte. Der Alkohol fing an zu wirken, was auch immer in der Bowle war, es war gut. 

Jean fing langsam an sich zu entspannen als plötzlich jemand aggressiv an der Tür klopfte.

Don't leave my sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt