Kapitel 7

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"Wir fühlen uns durch jedes Leben angezogen, das für uns etwas Unbekanntes darstellt, durch eine alte Illusion, die erst noch zerstört werden muß." - Marcel Proust

Jace

Das Mädchen von gestern sitzt mit dem Rücken zu mir. Trotzdem sehe ich, dass sie aufhört sich einzucremen als sie meine Stimme hört und wie erstarrt dasitzt.

Vorher stand ich schon am Parkplatz meines Verbindungshauses, als ich ihr Handy in der Mittelkonsole liegen sah. Es hatte eine lächerliche, glitzernde Hülle. Absolut unnötig. Aber was wusste ich schon. Ich verdrehte die Augen. Eigentlich wollte ich nichts anderes als einen starken Drink. Die Besuche bei meinen "Eltern" machten mich immer total fertig und danach brauchte ich einfach eine Ablenkung. Andererseits wollte mir das Mädchen auch nicht aus dem Kopf gehen und ich musste sie einfach wieder sehen. Ich musste wissen, ob es ihr gut geht. Keine Ahnung warum. Aber beim Gedanken an die letzte Nacht kam mein Blut in Wallungen und ich wollte nur noch auf irgendetwas - oder irgendwen - einschlagen. Ich machte mir Vorwürfe, weil ich zum Teil schuld daran war, was beinahe mit ihr passiert wäre. Aber davon durfte sie nicht erfahren. Davon durfte keiner erfahren.

Ich lasse den Blick über die Mädchen schweifen und mein Blick bleibt an einem mir ziemlich bekannten Pulli hängen. An meinem Pulli. Ich grinse. Hatte ich zuvor irgendwie instinktiv gewusst, dass sie es war, so wusste ich es jetzt mit Gewissheit.

Innerlich lache ich mich halb tot über den Anblick der sich mir bietet. Drei Collegetussis liegen in Bikinis in einer Parklücke und reden über mich als wäre ich ein Sexgott oder etwas in der Art. Wo sie recht haben... Ich weiß auch ohne in einen Spiegel zu sehen, dass das Grinsen auf meinem Gesicht arroganter nicht sein könnte. Ich lasse den Blick nacheinander über die Mädels gleiten. Ich kenne den Namen von keiner, geschweige denn könnte ich mich daran erinnern auch nur mit einer von ihnen geschlafen zu haben. "Lasst euch von mir nicht stören. Redet nur weiter darüber, wie heiß ich bin. Ich verkrafte das schon." Lässig lehne ich mich an das Auto neben mir. "Wer sagt denn, dass wir über dich reden, Süßer?" Die Braunhaarige schiebt sich die Sonnenbrille in die Haare und zwinkert mir zu. Okay, ich nehme alles zurück. Sie habe ich ganz bestimmt gevögelt. Sie passt genau in mein Beuteschema. Dumm, billig und eine Schlampe. "Oh, also bin ich nicht 'verdammt heißer Typ' Jace Archer?" Ich ziehe gespielt bestürzt eine Augenbraue nach oben. "Autsch, das hat meinem Ego jetzt aber einen Dämpfer verpasst."

Ich muss zugeben, ich hatte gelauscht. Ich wollte hören was das Mädchen von gestern über mich zu sagen hatte. Und war enttäuscht worden. Anscheinend war sie die Einzige, die gegen das 'Calvin-Klein-Model' Jace Archer immun war. Schade, dachte ich und versetzte mir dafür in Gedanken selbst einen Tritt. Sie ist nicht so eine. Sie ist verletzlich und das genaue Gegenteil von der Braunhaarigen im roten Bikini. Mit ihr kann ich meine übliche Scheiße nicht abziehen. Aber warum bist du dann überhaupt hier?, fragt eine hämische Stimme in meinem Kopf. Tja, warum war ich hier. So recht wusste ich das selbst nicht. Ja, das Mädchen war heiß und ja ich wollte es flachlegen, natürlich. Aber viel wichtiger war mir..., dass es dem Mädchen gut ging. Ich war selbst verwundert über meine Gedanken.

Die Tussis starren mich noch immer sprachlos an. Die Rothaarige bekommt ihren Mund nicht mehr zu und ist hochrot angelaufen. Die andere, bei ihr bin ich mir sicher, dass ich sie nicht flachgelegt habe, weicht meinem Blick aus und die Braunhaarige hofft wahrscheinlich auf eine Wiederholung von was-auch-immer wir miteinander hatten. Was natürlich nicht passieren wird. Ich hatte nie zweimal was mit derselben. Vorausgesetzt natürlich ich erinnere mich, dass es schon ein erstes Mal gegeben hatte. Ich grinste wieder und gebe mich damit zufrieden keine Antwort zu bekommen.

"Süße, du hast dein Handy in meinem Auto vergessen." Ich beuge mich über sie und lege meine Hand auf ihre Schulter. Es hat bestimmt über dreißig Grad und sie sitzt hier in einem Pullover. Meinem Pullover. Ich spüre ein leichtes ziehen in meinem Bauch. Mein Pullover. Was verdammt nochmal ist los mit dir?! Mach dich nicht lächerlich.

"Ich weiß, ich habe es den ganzen Tag gesucht." Jetzt dreht sie sich doch zu mir um. Eine leichte Röte überzieht ihre Wangen und im Vergleich zu ihrer Freundin lässt die Röte sie irgendwie ... süß aussehen. Erwartungsvoll schaut sie mich an und streckt mir ihre Hand entgegen. Aber ich habe das Handy absichtlich in meinem Auto gelassen und es so weit wie irgend möglich von ihrer Parklücke entfernt abgestellt. Ich musste mit ihr reden. Alleine. Ich musste wissen ob es ihr gut ging. Sonst würde ich noch verrückt werden.

Anstatt ihr also das Handy in die Hand zu geben, wie sie es erwartet, nehme ich ihre Hand in meine und ziehe sie hoch. Überrascht verliert sie das Gleichgewicht und ich habe Mühe sie aufzufangen. Ich presse sie an meine Brust und sie wird noch röter. Ihre Augen sind unfassbar blau. Ich kann nicht anders als sie anzustarren und verliere mich für einige Augenblicke in ihrem Blick. "Denk nicht mal dran!" Ihre Braunhaarige Freundin funkelt mich böse an. Mein Mädchen senkt den Blick und entfernt sich einen Schritt. "Woran denk' ich denn?" Ich werfe dem Rottweiler, wie ich ihre Freundin ab jetzt nenne, einen wütenden Blick zu. "Das wissen wir beide ganz genau." Ha, dass ich nicht lache. Natürlich weiß sie woran ich denke und sie liegt verdammt richtig. Das Mädchen ist verdammt heiß. Nicht mein Typ, zugegeben. Aber am liebsten hätte ich sie in mein Auto geschleppt und Dinge mit ihr angestellt, die ich in ihrer Gegenwart nicht einmal zu denken wage, so unschuldig sieht sie aus. Aber genau das ist es, was mich so richtig scharf macht.

"Tja, Süße, dein Handy ist in meinem Auto also musst du wohl mitkommen." Ich zeige mit der Hand über meine Schulter in Richtung Jeep und sehe, wie sich drei Augenpaare auf meinen Bizeps richten. Nur ihres nicht. Sie sieht mir direkt in die Augen und ich muss schlucken. "Klar. Kein Problem." Ihre Stimme ist verdammt klar und geht mir durch Mark und Bein. Ohne auf mich zu warten setzt sie sich in Richtung Jeep in Bewegung. "Autsch, verdammt heiß." Sie hüpft von einem Bein aufs andere und sieht dabei lächerlich und gleichzeitig irgendwie... süß aus. "Damit meine ich nicht dich, damit das klar ist, aber ich wäre echt dankbar, wenn du kommen würdest bevor ich mir die Fußsohlen wegbrenne." Ihre Freundinnen wiehern vor Lachen und ich muss ein schiefes Lächeln unterdrücken. Die Kleine hat eindeutig Humor. Ohne auf ihren Protest zu warten hebe ich sie hoch und presse ihren Körper eng an meinen. Wie automatisch schlingt sie mir die Beine um die Hüfte und krallt ihre Finger in meine Schulter. Meine Nase berührt ihre Halsbeuge und ich nehme den Geruch wahr, der seit gestern in meinem Auto hängt und mich total um den Verstand bringt. Veilchen. Ihr ganzer Körper ist weich und schmiegt sich wie Wachs an meinen. Mein Herz setzt einen Schlag aus, nur um dann umso schneller gegen meine Brust zu klopfen, als wollte es ausbrechen. Was ist bloß los mit mir und warum zur Hölle reagiere ich so auf sie? "Problem gelöst", hauche ich ihr atemlos ins Ohr. Meine Stimme ist kratzig und klingt sogar in meinen eigenen Ohren rauer als sonst. Ohne ihren dämlichen Freundinnen einen weiteren Blick zu schenken gehe ich mit ihr im Arm auf mein Auto zu.

Anmerkung: Ich habe mal etwas Neues ausprobiert und aus einer anderen Perspektive geschrieben. Was haltet ihr davon?

Dark Love - mich kannst du nicht vergessen (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt