Kapitel 20

21 3 4
                                    

"Mit dem Wissen wächst der Zweifel." - Johann Wolfgang von Goethe

Ashton

Ich wundere mich über mich selbst, dass ich ausgerechnet beim Fitnessstudio lande. Ich war gerade eine Runde joggen und normalerweise powert mich das für den Rest des Tages aus, aber nicht heute. Heute brauche ich mehr. Ich muss meinen Körper fühlen, ich muss meine Muskeln zum Brennen bringen. Und ich muss nachdenken. Ich muss meine Gedanken sortieren und dabei hilft mir nichts besser, als Sport.

Ich nehme gerade Mias 'Notfall'-Tasche aus dem Kofferraum, um nach dem Sport Wechselkleidung zu haben, als mein Handy klingelt. "Hallo?" Ich halte es mir mit der einen Hand ans Ohr, während ich mit der anderen die Tür des Fitnessstudios aufschiebe. "Hi." Mia klingt seltsam ruhig. "Geht es dir gut?" Ich verdrehe die Augen. Die ganze Woche höre ich von ihr keine Entschuldigung und sehe sie nicht einmal und jetzt will sie wissen, ob es mir gut geht? "Nein, mit geht es nicht gut, danke der Nachfrage.", sage ich schnippisch und bin kurz davor einfach aufzulegen. "Es tut mir leid, okay." Ich merke an ihrer Stimme, dass es sie einige Überwindung kostet sich tatsächlich bei mir zu entschuldigen. "Aber du bist selber schuld. Keiner hat dich dazu gezwungen zu trinken." Da hat sie recht, aber trotzdem macht es mich wütend. Sie ist meine beste Freundin. Sie muss auf mich aufpassen, auch wenn das heißt mich vor mir selbst zu beschützen. Und schließlich weiß sie, was Alkohol mit mir macht. "Ja, aber du hast mich auch nicht davon abgehalten." Ich senke meine Stimme, als ich an einem Ehepaar in abgestimmten Jogginganzügen vorbei in die Umkleide schlüpfe. "Warum hätte ich dich davon abhalten sollen? Wenn du einmal in deinem Leben entscheidest Spaß zu haben." Ihre Stimme ist hoch und schrill. "Geht's dir eigentlich noch gut? Du weißt, was passiert, wenn ich trinke!" Ich bin verdammt wütend auf sie. "Du bist es einfach nicht gewohnt Spaß zu haben." Ich sehe förmlich vor mir, wie sie sich die Haare über die Schulter wirft. "Tut mir echt verdammt leid, dass ich in deinen Augen keinen Spaß habe. Aber ich finde es eben nicht lustig mich jedes Wochenende wegzukippen und mit irgendeinem Typen in die Kiste zu hüpfen, den ich vielleicht zwei Minuten kenne. Erzähl du mir also nichts von Spaß, okay!" Ich knalle ihre Sporttasche in den Spind und bin überrascht, dass er nicht auf der anderen Seite durchs Metall knallt. "Siehst du, genau das ist dein Problem. Du bist so verdammt verklemmt.", sagt sie. Mir treten Tränen in die Augen, vor Wut. Wenn ich wirklich verletzt und wütend bin, dann muss ich immer weinen - und ich hasse es. "Ich bin also verklemmt, weil ich Panikattaken bekommen, wenn ich trinke und 'Spaß' habe?" Ich schreie fast und merke, wie mir komische Blicke zugeworfen werden. "Weißt du was, ich hab' keine Lust mehr auf das Gespräch. Ruf mich an wenn du wieder halbwegs normal denken kannst."

Ich lege auf und knalle das Handy ebenfalls in den Spind. Mein Gesicht ist tränebüberströmt. Ich rüttle an der Tür zu einer Umkleidekabine. Ich muss einfach kurz alleine sein, weg von den Blicken, die mir fragend zugeworfen werden. Gerade als ich es aufgeben will an der Tür zu rütteln geht diese von innen auf und ich laufe direkt in den Typen, der aus der Tür tritt.

Bevor ich den Blick hebe trifft mich sein Geruch und ich weiß, wer vor mir steht. Jace. Als ich den Blick hebe streift dieser über seine breite, muskulöse Brust, die ein dünner Schweißfilm zum Glänzen bringt. "Ashton?" Er wirkt verwirrt und gleichzeitig irgendwie ertappt. Seine Lippe ist aufgesprungen und auf seine Stirn tritt eine kleine Falte, direkt über seiner Nasenwurzel. "Wer ist Ashton? Ich heiße Blair." Hinter ihm tritt ein schwarzhaariges Mädchen aus der Kabine und wirkt wütend, bis sie mich sieht. Das Haar reicht ihr bis unter den Sport-BH und ihr Lippenstift ist verwischt. Wer trägt auch bitte Make-Up im Fitnessstudio und... "Oh." Als ich realisiere, was sich in der Kabine wohl gerade abgespielt hat werde ich rot und drehe mich weg. Ich muss hier raus. Ich bin wirklich froh, dass ich nicht mir Jace geschlafen habe aber gleichzeitig habe ich ein seltsam mulmiges Gefühl im Magen. Ich bin eifersüchtig... und verletzte. Verletzt, weil ich offensichtlich etwas für ihn empfinde und er offensichtlich nichts für mich.

Ich schnappe mir Tasche und Handy aus dem Spind und haste zum Ausgang, so schnell ich kann. Alles geht den Bach hinunter. Ich bin kurz davor erneut zu weinen zu beginnen und ich will ihm nicht die Genugtuung geben zu sehen, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle. Verdammt, verdammt, verdammt. Als ich gerade aus der Tür trete werde ich am Ellenbogen zurückgezogen und pralle gegen seine Brust. "Hör zu, es ist nicht so, wie du denkst." Er wirkt ehrlich aufgewühlt und vielleicht sogar nervös. Jace fährt sich mit der Hand durch die Haare, hält mich mit der Anderen aber noch immer fest. "Sie... ähm... also es war nichts... wir haben nicht...", stottert er und ich wundere mich schon wieder darüber. Ich habe immer gedacht, er ist ein Arschloch mit zu hohem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Das Stottern passt so gar nicht in das Bild, das ich mir von ihm gemacht habe. Er ist verdammt süß, wenn er stottert. Ich will mich an ihn schmiegen, ihn zu mir herunterziehen und ihn küssen. Das Verlangen ist so groß, aber in meinem Inneren habe ich bereits die Mauer hochgezogen, die ich immer aufziehe, wenn ich merke, dass mich jemand verletzen kann. "Hör zu, du musst mir nichts erklären, okay. Du bist mir keinerlei Rechenschaft schuldig." Ich versuche zu lächeln und mir nicht anmerken zu lassen, wie verletzt ich bin. Ihn mit einer Anderen zu sehen zerreist mich beinahe, obwohl ich ihn nicht einmal kenne und somit auch keinen Grund dazu habe.

Er hebt die Hand und streift mir die Tränen von der Wange, bevor er mich näher an sich zieht. "Doch, das bin ich. Ich mag dich. Ich weiß nicht, was mit mir los ist, aber ich mag dich. Ich kann an nichts mehr denken, als an dich." Seine Stimme ist weich und sanft, aber er sagt nicht die Wahrheit, das weiß ich.

Wenn er es würde, dann würde er nicht mit einem anderen Mädchen rummachen oder was-weiß-ich mit ihr treiben. Er will mich nur ins Bett kriegen, wie jede andere auch. Und, dass er es nicht kann, nicht nach dieser einen Nacht, macht ihn einfach verrückt. "Wir wissen beide, dass das nicht stimmt." Ich entferne mich von ihm und versuche meine Stimme fest klingen zu lassen. Aber es funktioniert nicht. Ich schluchze trotzdem weiter und langsam weiß ich nicht einmal mehr, warum ich überhaupt weine. Wegen Jace? Wegen Dan? Wegen Mia? Wegen meiner Mum?

"Doch, es stimmt und ich weiß, dass es dir auch so geht." Er macht erneut einen Schritt auf mich zu und zieht mich wieder an sich. "Du fühlst dich genauso zu mir hingezogen, wie ich mich zu dir." Er haucht mur einen sanften Kuss auf den Scheitel und am liebsten hätte ich mich enger in seine Umarmung geschmiegt. Aber das geht nicht. "Nein. Ich bin nicht eine von Vielen, okay. Du willst mich nur flachlegen, das wars. Und da mach ich nicht mit." Ich stoße ihn von mir und gehe zum Auto. "Und wehe, du läufst mir hinterher. Geh zurück zu deiner Tussi und lass mich endlich in Ruhe." Ich steigt ins Auto und als ich vom Parkplatz rolle werfe ich einen letzten Blick in den Rückspiegel. Einen allerletzten Blick auf den Typen, der Gefühle in mir weckt, die ich nicht kenne. Der mir so nahe ist aber gleichzeitig so fern, weil ich weiß, dass er mir nie das geben kann - oder besser gesagt will - was ich brauche.

Dark Love - mich kannst du nicht vergessen (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt