1. Kapitel

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2 Jahre zuvor

Ich betrat die Pizzeria, in der ich seit zwei Wochen arbeitete. Meine Mutter hatte zwar eigentlich genug Geld, um mir mehr Taschengeld zu geben, aber sie bestand darauf, dass ich mir etwas Geld selbst verdiente. Erst wollte ich in der Winkelgasse arbeiten, aber da ich noch nicht volljährig war, durfte ich noch nicht außerhalb von Hogwarts zaubern, weshalb es sich schwierig gestaltete, in der Zaubererwelt zu arbeiten. Meine Mutter war Leiterin des Büros gegen den Missbrauch von Magie und stellvertretende Zaubereiministerin und hatte deshalb immer viel zu tun. Es blieb wenig Zeit für die Familie. Oft verbrachte ich meine Ferientage in „Weasleys zauberhafte Zauberscherze", ein Scherzartikelladen, in dem mein Vater, Ronald Weasley, arbeitete. Ursprünglich gehörte der Laden meinen Onkel Fred und George Weasley. Allerdings lebte nur noch George, dem der Laden jetzt gehörte. Freds Tod, in dem wohl brutalsten Zaubererkrieg aller Zeiten im Jahre 1998, war für die ganze Familie Weasley eine Tragödie gewesen. Und selbst jetzt, 24 Jahre später, war George noch nicht über den Tod seines Zwillingsbruders hinweggekommen, weshalb er immer noch in psychischer Behandlung war.

Flüchtig warf ich meinem Vorgesetzten, einem jungen Mann namens Mr. Jorden, ein freundliches „Guten Morgen" entgegen, bevor ich meine Tasche im Büro abstellte und mich hinter meinen eigenen Schreibtisch setzte. Es waren schon fünf andere Mitarbeiter anwesend, die tief über ihre Computer gebeugt saßen und arbeiteten. Man hatte auch mir eine eigene Arbeitsecke gegeben, wo ich eigenständig Anrufe von Kunden entgegennehmen konnte. Eifrig fuhr ich den Computer hoch und schaltete das Telefon auf Bereitschaft. Und da bekam ich auch schon den ersten Anruf. Das Telefon surrte und vibrierte.

Ich räusperte mich. „Guten Tag. Granger-Weasley von 'Call a pizza'. Was kann ich für Sie tun?"

„Ich hätte gerne eine Pizza Frutti di Mare mit einer doppelten Menge Käse." Die männliche Stimme am anderen Ende der Leitung klang kratzig und tief. Die Worte wirkten seltsam ausgewählt und der Mann redete so langsam, dass die Worte einen komischen Nachklang in meinem Kopf hinterließen. Immer noch sehr irritiert wegen dieses Anrufes, notierte ich mir die Bestellung.

„Alles klar. Wie ist die Adresse?", fragte ich und plötzlich war meine Stimme genauso kratzig wie die des Anrufers.

Zuerst kam keine Antwort und ich dachte schon, dass derjenige aufgelegt hatte, aber dann erwiderte er zögerlich: „Loring Road 38".

„Okay, die Pizza wird in circa einer Stunde da sein", sagte ich mit einem kurzen Blick auf die Stadtkarte.

„Gut." Die Stimme klang überraschend kühl und überheblich.

Ich ignorierte die leichte Gänsehaut, die mich plötzlich überkam. In diesem Moment hörte ich nur noch das Piepen aus dem Hörer und wusste, dass der Kunde aufgelegt hatte. Zögernd legte ich den Hörer zurück. Ich hatte auf einem Mal ein sehr schlechtes Gefühl, was diese Lieferung betraf. Dieser Anruf war anders gewesen als die üblichen Anrufe. Andere riefen an und waren in guter Stimmung, wirkten so, als würden sie sich auf die Pizza freuen, doch dieser Mann klang nicht, als würde er gerne eine Pizza essen wollen. Ich schob meine unguten Gedanken zur Seite und gab die Bestellung schnell an die Küche weiter. Inständig hoffte ich, dass ich die Pizza nicht liefern musste.

Ein paar Anrufe später war die Pizza Frutti di Mare fertig und mein Vorgesetzter beauftragte ausgerechnet mich, diese Pizza an der besagten Adresse vorbeizubringen. Ich stöhnte innerlich auf, ließ mir jedoch äußerlich nichts anmerken und holte den Pizzakarton aus der Küche ab. Ich warf noch einmal einen Blick in das gläserne Fenster der Eingangstür, in der ich mein Spiegelbild betrachten konnte. Meine langen, roten, leicht gewellten Haare schmeichelten meiner Gesichtsform und passten zu meinem roten Tuch, das ich sehr oft trug. Meine blauen Augen funkelten mich erwartungsvoll an. Vor der Tür parkte mein Moped, das ich von der Pizzeria bereitgestellt bekam. Ein Glück hatte ich letzten Sommer meinen Mopedführerschein gemacht. Sonst hätte ich jetzt ein ziemlich großes Problem gehabt. Die Adresse war nämlich abseits gelegen, irgendwo in den Londoner Vororten. Nebenbei bemerkt waren Mopeds die genialste Erfindung der Muggel, die ich kannte. Und ich hatte schon von vielen Dingen gehört, die Muggel erfunden hatten. Nicht nur durch meinen Job in der Muggelwelt, sondern auch durch Hermine, die aufgrund ihrer Muggeleltern ohne Zauberei aufgewachsen war. Ich schaltete den Motor ein und fädelte mich in den Londoner Innenstadtverkehr ein. Das konnte jetzt eine Weile dauern, bis ich ankam.

Entführt und VerliebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt