6. Kapitel

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Ich verlor so langsam das Gespür für die Zeit. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir schon hier waren oder welche Tageszeit wir gerade hatten. Der Raum war immer gleich beleuchtet. Es gab keine konkrete Lichtquelle. Das Licht schien einfach von überall zu kommen. Vermutlich handelte es sich um ein sehr starken, permanenten Lichtzauber. Die Wache hatte in der Zwischenzeit bereits zum dritten Mal gewechselt. Nachdem mich Nathan zurückgebracht hatte, war ich ziemlich direkt danach einfach auf meiner Pritsche eingeschlafen. Jetzt war ich wieder wach und dribbelte nervös mit meinen Füßen auf den Boden. Alexander saß auf dem Steinboden und starrte seit längerer Zeit die Wache an. Albus lag auf seiner Pritsche, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt. Die Langeweile machte mich langsam mehr fertig als die Angst davor, was mit uns passieren würde.

„Warum, denkt ihr, sind wir hier?", durchbrach ich diese unangenehme Stille.

Albus stöhnte und richtete sich dann auf.

„Naja... unsere Eltern sind alle in bedeutsamen Positionen und haben einen großen Einfluss auf die Zaubererwelt", gab Alexander zu Bedenken.

„Denkst du, wir sind nur unserer Eltern wegen hier?", fragte ich Alexander.

„Ja", antwortete er sofort. „Oder denkst du, Todesser würden sich ernsthaft für drei sechzehnjährige Schüler aus Hogwarts interessieren?"

Ich zuckte die Achseln.

„Nein, dann hätten sie uns schon längst umgebracht", behauptete er. „Außerdem ist das das einzige, was wir drei gemeinsam haben. Dass wir uns kennen, ist praktisch Zufall."

„Wow, Alexander, jetzt komm mal wieder runter, man", rief Albus von der anderen Seite des Raumes, „du weißt nichts genau. Vielleicht haben sie uns auch einfach nur ausgewählt, um Rache an meinem Vater zu üben."

„Aber ich stehe doch Harry überhaupt nicht so nah wie James zum Beispiel. Warum wurde er dann nicht entführt? Oder warum nicht gleich Ron und Hermine?", überlegte Alexander.

Ich musste dem braunhaarigen Jungen zustimmen. Ich war mir inzwischen auch ziemlich sicher, dass wir wegen unserer Eltern hier waren.

„Denkt ihr, sie suchen nach uns?", flüsterte ich nachdenklich.

„Ich glaube James wird ganz froh sein, seinen nervigen Bruder mal nicht bei sich haben zu müssen", scherzte Albus.

Ich schaute meinen besten Freund ernst an. „Ich glaube, Ginny wird fast ihre Fingernägel aufessen vor Sorge." Ich kannte Albus' Eltern sehr gut, da meine Mutter mit seinen Eltern schon seit ihrer Kindheit gut befreundet war.

„Nicht nur fast. Ich glaube, wenn ich wiederkomme, wird sie keine Fingernägel mehr haben", lachte Albus und ich musste auch unwiderruflich grinsen.

„Und wie sieht es mit deinen Eltern aus, Alexander?", fragte ich ihn.

„Sie werden das Ministerium ziemlich nerven, denk ich. Ich glaube, mein Dad wird auch selbst nach mir suchen oder zumindest versuchen, die Auroren zu unterstützen. Und meine Mum..." Er zögerte kurz. „Ich habe sie erst einmal weinen sehen. Und das war nachdem sie das eine Mal mit meinem Dad meine Großeltern besucht hat. Als sie wieder da war, ist sie in Tränen ausgebrochen."

Ein dicker Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet. Meine Mutter hatte mir die Geschichte von Alexanders Großeltern mehrmals erzählt. Es war eine absolute Tragödie.

„Deshalb denke ich, dass sie weint, wenn ich nicht mehr wiederauftauche", fügte er hinzu. Ich schaute ihn mitfühlend an. „Meine Mutter weint bestimmt auch", sagte ich mit belegter Stimme und schluckte, doch der Kloß in meinem Hals wollte nicht verschwinden. 

Entführt und VerliebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt