13 Wer Ist Wanda?

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unbekannte pov / nicht wanda's pov 

Ich stehe in der sicheren Dunkelheit der Nacht, im Schatten eines großen Baumes.
Eine Kastanie. Ich muss sie mir nicht einmal genauer ansehen, um zu wissen dass es eine ist. 
Ich erkenne es, allein an der Art wie sich das Holz durch meine Handschuhe anfühlt und wie die Luft in ihrem Umkreis riecht. 
Ganz klar Kastanie. 

Da stehe ich also und warte auf Anweisungen, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. 
Im großen Haus vor mir brennt noch Licht, und das obwohl es schon spät ist. 
Trotzdem könnte ich sie alle umbringen, ohne dass es irgendjemand merken würde. 
Ich könnte jeden einzeln besiegen, ohne dass jemand im Haus oder im Umkreis es sieht oder hört und man würde ihre Leichen erst Wochen, vielleicht sogar Monate später finden. 
Und bis dahin bin ich schon lange wieder von ihrem Radar verschwunden. 

Ich beobachte die erleuchteten Fenster eine Weile, während auf der anderen Seite der Leitung meines Funkgeräts Stille herrscht.
Das erste ist eins in der untersten Etage. Ein Mann steht dort und geht auf und ab, während er sich verschiedene Zettel anschaut. 
Wenn ich mich konzentriere kann ich seine Schritte auf dem Holzboden und das Rascheln seiner Papiere hören. Aber das ist nur mein erweiterter Verstand

Dennoch kommt er mir irgendwie bekannt vor. Seine Frisur, seine Augen und sein Auftreten. 
Es löst etwas in mir aus, dass mich beunruhigt. 
Als hätte ich diesen einfachen Mann schon gesehen und als könnte er mir etwas tun. Lächerlich. 
Ich erinnere mich an die Stimme des Trainers in meinem Kopf: 

Konzentrier dich Soldat. Nichts was dir mal wichtig war ist jetzt noch von Bedeutung. Nichts ist für dich wichtiger als die Mission. 

Richtig. Nichts hat eine höhere Priorität als die Mission. 
Meine Blicke wandern zum nächsten Fenster im zweiten Stock. 
Ich kann Stimmen hören die sich unterhalten und sehe zwei Gestalten, die hinter der Glasscheibe auf der Fensterbank sitzen. 

"Danke" höre ich die eine sagen. Ihre Stimme ist rau und tief. Hat etwas bedrohliches an sich. 
"Das du da bist, das wir Freunde sind...Du weißt schon" fährt sie fort und ich verdrehe die Augen.
Schwach. Freundschaft, Liebe, das alles sind Schwächen. 
Sie lenken einem vom eigentlichen Ziel ab und sind im Weg. 
Dann erklingt eine zweite Stimme. Eine Stimme, die automatisch meine volle Aufmerksamkeit auf sich zieht. 
"Das ist doch selbstverständlich" spricht sie. 
Meine Augen reißen unter der Maske auf und mein Schädel beginnt schrecklich zu brummen. 
Ich muss mich an der Kastanie abstützen.
Was die andere Antwortet kann ich nicht verstehen, so sehr rauscht es in meinen Ohren.

Ich versuche mich zu konzentrieren. Nicht schwach zu sein. 
Schließlich bin ich nur wegen einer Sache hier: Töten. 

"Natasha" haucht die Stimme, die mir so bekannt vorkommt. Ich würde am liebsten schreien, denn sie brennt sich in meinen Kopf, schleicht sich in meine Gedanken und flüstert in mein Ohr.
"Wanda?" 
Wanda. Der Name ist mir bekannt. Und doch so fremd. In Sekundenschnelle jagt er durch mein System und ich versuche mich krampfhaft zu erinnern. 
Wanda. Wer ist Wanda? 
Ich schaue auf den Boden und überlege fieberhaft. Ich bin ein Soldat. Ich weiß alles. Kann jede Aufgabe lösen. 
Wieso also weiß ich nicht wer Wanda ist? 

Als ich wieder hinauf zu dem Fenster schaue hat die Frau, die Natasha zu heißen scheint ihre Lippen auf die von Wanda gelegt. 
Bei dem Anblick: Wie zärtlich sie sind, wie ihre Hände durch das Haar von Wanda fahren und wie liebevoll sie miteinander umgehen zieht sich etwas schmerzhaft in mir zusammen. 
Es haut mich um, zieht mir den Boden unter den Füßen weg und lässt mich auf die Knie fallen. 

Warum tut es mir so weh? Wieso kann ich nicht anders als mir den Kopf zu halten und schreien zu wollen? 
Wer. Ist. Wanda? 

Ich schließe die Augen. Vor der Schwärze die ich sehe flackern Bilder auf. Bilder, die mir so bekannt vorkommen und doch so fremd sind. 
Ich sehe Feuer. Ich sehe ein kleines Mädchen das ihre Finger nach mir ausstreckt und schreit. 
Ich sehe einen Jungen der rennt und ein Mädchen mit Haaren, so rot wie Feuer.  

In meinem Ohr schreit jemand und holt mich in die Wirklichkeit zurück. 
"Aufwachen Soldat!" ruft eine Stimme.
"Пожар, Тринадцать, смерть, сорок пять, поезд, путешествовать, тридцать один"

( Feuer, Dreizehn, Tod, Fünfundvierzig, Zug, Reise, Einunddreißig )

Und dann ist alles weg. Jeder Gedanke. Jede Erinnerung. Alles was ich Gedacht habe oder geglaubt habe zu wissen wird zu einer einheitlichen, schwarzen Masse. 

"Bereit zu dienen Soldat?" fragt die Stimme in meinem Ohr. 
Ich schaue auf. 
"Ja!" 

wanda II back for youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt