Kapitel 5

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Xaras Sicht:

Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Kopf. Mir tat alles weh. Meine Augenlider flatterten nervös, als ich eine hoch am Himmel stehende Sonne erblickte. Ich drehte meinen Kopf auf die Seite, wo schon Charlie stand. Als ich mich aufrichten wollte, stöhnte ich vor Schmerzen auf. Hoffentlich war nichts gebrochen. Charlies Blick ruhte auf mir. „Dornröschen ist auch endlich mal wach" gab sie sarkastisch von sich und wand sich wieder ihrem Arm zu. Ich sah alles verschwommen und musste mehrfach blinzeln, bis meine Sicht klarer wurde. Als sich meine Augen endlich erholt hatten und ich wieder besser sehen konnte, betrachtete ich das rothaarige Mädchen genauer. Sie sah furchtbar aus. Ihre roten Locken waren zerzaust und mit kleinen Stöckchen und Blättern verknotet. Ihr Körper hatte unzählige Schnittwunden, an den meisten klebte noch getrocknetes Blut. Ihre Kleidung war dreckig und aufgerissen. Doch das Schlimmste war ihr linker Arm. Dort prangte eine hässliche Wunde, bei der mir fast übel wurde. Wie konnte sie bei solch einer Wunde nur so ruhig auf dem Boden sitzen und in den Himmel starren? Hatte sie nicht unglaubliche Schmerzen? Plötzlich schoss die Erinnerung durch meinen Kopf. Der laute Knall ertönte erneut in meinem Kopf und ich schrie auf. Erneut kamen mir die Tränen. Sie kullerten wie riesige Regentropfen meine Wangen hinunter. Auf einmal hatte ich Angst. Panische Angst. Das konnte doch nicht unmöglich alles passiert sein! Ich spürte den Regen des Gewitters noch förmlich auf meinem Kopf, wie er an mir herab lief, sich in meine Kleider zog und mich hinab in die Tiefe zog. Ich fing vor lauter Panik bitterlich an zu weinen. Wie konnten nur so schreckliche Dinge geschehen? Ich schüttelte mich, doch der Schmerz und die Angst, die mein Herz fest umklammert hielten, ließen nicht mehr von mir ab. Auf einmal wurde eine Hand auf meine Schulter gelegt und jemand hockte sich neben mich. Charlie sagte nichts. Sie war einfach nur da. Mit tränenverschleierten Augen konnte ich nur noch ihre Gestalt ausmachen, bevor ich erschöpft einschlief.

Die Sonne kitzelte meine Nase und ich musste niesen. Meine Kleidung hing wie ein nasser Sack an mir herab und klebte zugleich. Es war schwül. Ich wusste nicht, ob die Nässe auf meiner Haut Wasser oder Schweiß war. Der Platz neben mir war leer. Wo war Charlie? Erneut wollte mich die Panik überkommen, dann entdeckte ich sie in der Nähe auf einem umgefallenen Baumstamm sitzend. Wir hatten überlebt. Wir haben ein abstürzendes, brennendes Flugzeug überlebt. Ich hatte keine Worte dafür. In diesem Moment schoss einfach nur pure Erleichterung durch meinen Körper. Dies währte jedoch nur für ein paar Sekunden. Wo waren wir? Irgendwo zwischen Louisiana und Asuncion? Ich lag am Flussbett eines breiten Flusses auf einer kleinen Lichtung. Ringsherum ragten riesige Dschungelbäume in den Himmel und der Farn war hüfthoch. Ein paar Nebelschwaden waberten zwischen den Baumstümpfen herum und man hörte durchgängig lautes Vogelgezwitscher und ein Rascheln der Blätter auf dem Boden, wenn in der Nähe irgendein ekliges Tier durch das Gebüsch kroch. Verwirrt blickte ich wieder zu Charlie, welche gerade dabei war, winzige Splitter aus ihrer Haut zu entfernen. Zwischendurch zischte sie auf oder fluchte, aber war mit ihrer gesamten Aufmerksamkeit bei ihrem Arm. Ich entschied mich dazu, lange genug auf dem Boden gelegen zu haben und begann mich aufzusetzen. Dies war aber deutlich schwerer als erwartet, denn ich hatte überall Schmerzen und wollte mich eigentlich gar nicht bewegen. Einige meiner Muskeln wollten nicht so, wie ich wollte, und nach einiger Zeit wurde ich frustriert. „Ach verdammt, was soll denn das" zeterte ich, als ich es immer noch nicht geschafft hatte mich aufzusetzen. Ich fühlte mich wie eine Schildkröte auf dem Rücken und ich war mir sicher, dass ich mit meinen herumrudernden Armen genauso aussah. Resigniert bleib ich liegen und starrte den Himmel an, als ein Schatten über mich trat. Charlie stand über mir und blickte auf mich hinunter. Sie hatte ihre Beine links und rechts von mir positioniert und streckte mir ihre Hände entgegen. Ich ließ mir von ihr aufhelfen und schaffte es mich hin zusetzen. Dann ließ Charlie meine Hände los und trat hinter mich. Verwundert drehte ich meinen Kopf zu ihr. Was hatte sie vor? Sie schob ihr Arme unter meine Achseln und verschränkte diese vor meiner Brust. Dann zog sie mich mit einem Ruck hoch und ich stand, wenn auch wackelig, auf meinen Beinen. Meine Beine zitterten ein wenig, doch nach ein paar Anläufen konnte ich schon ohne Charlie gehen. Daraufhin ließ mich diese nun komplett los und sah sich um. Sie schien etwas entdeckt zu haben, denn sie begann sich zielstrebig auf etwas zuzubewegen. Ich beeilte mich, ihr zu folgen und stolperte unbeholfen hinter dem rothaarigen Mädchen her. „Wo gehen wir jetzt hin?" fragte ich sie neugierig, woraufhin sie stehen blieb und sich zu mir umdrehte. „Wir?" fragte sie und sah mich kalt an. „Ja, wir. Es ist immer gut einen Freund an seiner Seite zu haben." erwiderte ich zaghaft, bemüht fröhlich zu klingen. „Wir sind keine Freunde", knurrte Charlie und blickte mich finster an. Damit konnte ich vorerst leben. „Und warum hast du mich dann gerettet?" gab ich frech zurück und sah Ginger fragend an. Ich war gespannt, was sie darauf antwortete. Diese machte ihren Mund auf um sich zu verteidigen, doch schloss ihn schnell wieder, als ihr auffiel, dass sie dazu keine passende Antwort hatte. Jedenfalls keine, die ihr gefiel. Mit einem „Pff" drehte sie sich wieder um und begann zu gehen. Gewinnerisch grinste ich und folge ihr. „Also, wo gehen wir hin?".

Ginger und Little XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt