Kapitel 10

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Xaras Sicht:

Heute hatte ich die Möglichkeit, mich für gestern zu rächen. Ich hatte schon die Flaschen mit dem Wasser gefüllt, da wir so viel Wasser wie möglich brauchten. Vielleicht kamen wir dann heute auch noch weiter. Listig grinsend schlich ich zu Ginger und kippte zwei der Flaschen über ihr aus. Prustend schoss sie hoch und blickte verwirrt umher. Als sie begriff, was ich gemacht hatte, sah sie mich wütend an und knurrte leise. Ich konnte nicht mehr und begann schallend zu lachen. Doch plötzlich begann sie diabolisch zu grinsen. Ich hörte sofort auf zu lachen und ging sicherheitshalber zwei Schritte zurück. Dieser Blick konnte nichts Gutes bedeuten. Ich beobachtete, wie das kleinere Mädchen aufstand und einen großen Schritt auf mich zu machte. Ich ging wieder ein paar Schritte zurück, Charlie folgte mir. Ich blickte kurz hinter mich, um zu sehen, wie nah ich am Wasser war. Diese Unaufmerksamkeit nutze Charlie aus, denn als ich wieder nach vorne sah, stand diese plötzlich vor mir und stieß mich an meinen Schultern zurück. Ich verlor mein Gleichgewicht und landete mit einem lauten Platsch im Wasser. Prustend tauchte ich wieder auf und sah Charlie fassungslos an, doch diese stand nur lachend am Ufer. Ich schmollte kurz, doch konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf mein Gesicht schlich. Ich muss sagen, Charlie war echt sehr hübsch, wenn sie lächelte. Nicht so ein sarkastisches Grinsen, ein echtes Lächeln. Nicht, dass Charlie sonst hässlich wäre, doch wenn sie lachte, wirkte sie so frei und freundlich. Nicht zu vergleichen mit ihrem sonst so verbissenen Ausdruck. Mir fiel erst jetzt auf, dass Charlie Grübchen hatte, wenn sie lachte. Vielleicht war es mir auch nur noch nicht aufgefallen, da sie vorher nicht wirklich gelacht hatte. Ich schüttelte meinen Kopf und stieg aus dem Wasser, das rothaarige Mädchen grinste immer noch.

Ich glaube zu erzählen, wie wir das Lager abgebaut und in die Behälter Wasser gefüllt hatten, wäre nicht wirklich interessant, weshalb ich diesen Part jetzt einfach einmal nicht erzähle. Das Wandern, wenn man es denn so bezeichnen kann, war dem von gestern ziemlich ähnlich. Es war nichts anderes als beschwerlich, weshalb Charlie und ich auch kaum redeten, um Kraft und Luft zu sparen. Man glaubt ja eigentlich, dass der Regenwald ein tolles Wanderziel ist, doch wenn man aufpassen muss, dass man nicht in einem Sumpf stecken bleibt, ertrinkt oder von Schlangen oder anderen Viechern gebissen wird, dann ist das alles andere als ein entspannender Trip.

Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und sah zu Charlie herüber. Das trainierte Mädchen hatte ebenfalls sichtlich Probleme, denn ihre Gesichtsfarbe ähnelte stark der ihrer Haare. Sie hatte sich genau wie gestern ihre Haare in einen Zopf gebunden und die Locken, welche ihr anfangs immer ins Gesicht gefallen waren, klebten ihr jetzt an der Stirn. Ich sah wieder nach vorne, der Weg wurde heller, doch ehrlich gesagt traute ich dem Ganzen nicht. Ich blickte fragend zu Charlie, doch diese kniff nur die Augen zusammen und fixierte das Licht, auf welches wir uns zu bewegten. Sie zuckte mit den Schultern und sah wieder auf den Boden, darauf bedacht, nicht zu stürzen. Wir gingen noch geschlagene fünf Minuten, bis wir das Ende des Waldes erreicht hatten und mein Verdacht sich bestätigt hatte. Wir standen an einer großen Schlucht und blickten hinunter in einen reißenden Fluss. Ich war mir nicht sicher, wie hoch wir waren, doch schätzte es auf gute 20 bis 30 Meter. Was allerdings sicher war, war, dass wir einen Sturz aus dieser Höhe nicht überleben würden. Wir hatten dies schon einige Male erlebt, doch diesmal wollte Charlie nicht umkehren und einen anderen Weg nehmen. Sie wollte an der Schlucht entlang gehen und sehen, wo wir auskommen würden. Also gingen wir nebeneinander her, ich auf der Waldseite und Charlie zur Schlucht hin. Wir setzten schwitzend und erschöpft unseren Weg fort und schwiegen uns an. Plötzlich rutschte Charlie neben mir auf losen Steinen aus und fiel zur Seite, dabei drohte sie in die Schlucht zu rutschen. Aus Reflex griff ich nach ihrem Arm und hielt sie so davon ab, in die Tiefe zu stürzen. Ich packte mit der anderen Hand ihren Rucksackgriff und versuchte sie hochzuziehen. In wenigen Sekunden, welche sich für mich wie Stunden anfühlten, hatte ich das kleinere Mädchen hochgezogen und zusammen saßen wir schwer atmend nebeneinander, so weit wie möglich von der Schlucht entfernt. „Damit hast du wohl deine Schuld beglichen, nicht? Wir sind quitt." keuchte Charlie und grinste mich schwach an. Ich schüttelte fassungslos grinsend meinen Kopf. Dieses Mädchen! Ist beinahe gestorben und hat immer noch einen frechen Spruch auf den Lippen. Aber ich glaube, genau das war Charlie. Ich hatte mir innerhalb der letzten drei Tage oft gewünscht, dass sie sich einen Spruch einfach mal verkneifen würde, aber ihre sarkastische Art gehörte einfach zu ihr dazu. Und wenn ich ehrlich bin, so schlimm fand ich das gar nicht.

Nach diesem kleinen Zwischenfall hatte ich durchgesetzt, dass wir nun unseren Weg im Wald fortführten und nach einigem Zetern stimmte Charlie zu. Die Argumente, dass es an der Schlucht erstens zu gefährlich war und zweitens wir im Wald eine höhere Chance hatten, auf Wasser oder dergleichen zu treffen, gewannen. Also stapften wir jetzt im Wald wieder weiter. Wir sparten zwar mit dem Wasser, jedoch wäre eine neue Wasserquelle nicht gerade verkehrt gewesen, da das Wasser definitiv nicht bis morgen reichen würde und erst recht nicht für einen weiteren Tag. Doch wie das Glück so wollte, fanden wir eine kleine Quelle. Nichts Großes, doch groß genug, um unsere fast leeren Flaschen mit neuem kalten Wasser zu füllen und uns abzukühlen. Mit dem neuen Wasser konnten wir es noch weiter schaffen. Unser Ziel war, genau wie gestern, ungewiss. Wir hofften dabei auf eine weitere Quelle.

Ginger und Little XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt