Geschafft legte ich meinen Kopf auf den Tisch und atmete zum ersten Mal an diesem Tag wirklich durch. Die Luft roch zwar nach Schweiß und nach dem schwarzen Kaffee meines Sitznachbars, aber es war trotzdem erleichternd. Ich schloss meine Augen und genoss die Stille um mich herum. Einzig allein das Aufeinandertreffen von Stiften und Papier war zu hören und beruhigte mich auf groteske Weise.
Meine Schultern waren etwas weniger verkrampf, jetzt wo ich weiß, dass ich die Vorprüfung hinter mir hatte. Etwas weniger worüber ich mir Sorgen machen musste.
Diana drehte sich um und lächelte mich breit an, auch ich zog meine Mundwinkel nach oben. Sie reckte ihren Daumen hoch, was ich erwiderte. Ich hatte ein gutes Gefühl bei meinen Antworten. Die Fragen waren zwar kompliziert gestellt, aber nach öfteren Durchlesen hatte ich sie beantworten können.
Sie drehte sich zu Kris und sah ihn fragend an. Er zuckte mit den Schultern, seufzte und hielt seinen Daumen waagerecht. „So lala." hauchte er und widmete sich wieder seinen Blatt, um sich die Antworten ein letztes Mal durchzulesen.
Ich folgte seinem Beispiel und konzentrierte mich wieder auf meine Prüfung. Als ich das nächste Mal aufblickte und aus dem Fenster sah zuckte ich zusammen. Ein Sturm fegte durch meinen Kopf und verpasste mir heftige Kopfschmerzen. Mein Bauch krampfte und Galle stieg mir in den Hals.
Meine Hand schoss in die Höhe und ich schnipste ungeduldig. Brandon warf mir einen komischen Blick von der Seite zu, als ich aufstand und rausstürmte, als mir der Lehrer erlaubte auf die Toilette zu gehen.
Ich konnte kaum glauben, dass es meine Beine schafften noch zu rennen, obwohl sie sich anfühlten wie Wackelpudding. Ich fühlte mich von der Erde los gelöst, glaubte zu schweben.
Ich verließ das Schulgebäude und stolperte in den Hof. Mir stiegen Tränen vor Wut und Verzweiflung in meine Augen und meine Beine drohten nachzugeben.
Da stand er, Live und in Farbe. Mit seinem schiefen Grinsen im Gesicht lehnte er an den Eingangstoren. Seine altbekannte Lederjacke umspielte seine breiten Schultern. Er trug eine zerfetzte Hose und ein Slayer Shirt, seine Lieblingsband. Er stand auf Metal.
Sein Nasenpiercing verlieh ihn etwas verruchtes und die Tattoos machten ihn 10 Jahre älter, als er war und der drei Tage Bart erledigte den Rest. Er war umwerfend. Ich wünschte mir, dass er anders wäre. Das er liebevoll wäre und zuvorkommend. Aber das war eben nicht. Er war so wie er eben war.
Max war eiskalt und ein Nazist. Aber das hatte ich an ihm geliebt. Diese abweisende Art. Denn wenn er mir Aufmerksamkeit geschenkt hatte, dann gehörte sie vollkommen mir. Wenn er mir zeigte, dass er mich liebte, dann tat er es richtig.
„Hey, Prinzessin."
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Der Spitzname machte mich weich wie Mürbeteig und das wusste er genau. Früher hatte ich diesen Namen geliebt, aber jetzt erinnerte er mich an schlechten Zeiten.
„Du solltest nicht hier sein."
Er grinste und machte einen Schritt auf mich zu, weshalb ich ihn argwöhnisch betrachtete. „Es gibt keinen Ort an dem ich eher sein sollte, als an deiner Seite."
Ich schnaubte. „Unsere Zeit ist vorbei. Ich will nichts mehr mit dir und den anderen zu tun haben."
Max strich mir eine Strähne aus der Stirn. „Denkst du ehrlich, dass du aussteigen könntest. Du bist schon viel zu tief drinnen, Prinzessin."
Am liebsten hätte ich ihn geschlagen, beleidigt, geschubst. Ihn alles spüren lassen, was ich gefühlt hatte nachdem er mich zerstört hat - nachdem sie mich zerstört haben. Max verdiente es genauso zu leiden wie ich. So gerne hätte ich ihm alles an den Kopf geworfen, was er mir angetan hat.
Stattdessen schluckte ich und drehte meinen Kopf von ihm weg. „Ich bin nicht deine Prinzessin. Mir geht es endlich wieder gut." Die Verzweiflung in meiner Stimme überraschte selbst mich. „Wenn ich dir jemals etwas bedeute habe, dann bitte lass mich in Ruhe."
Ein Schatten huschte über ein Gesicht. Er dachte an diesen einen bestimmten Abend. Der Abend der alles verändert hatte. Nicht alles ist spurlos an ihm vorbei gegangen. Er hatte Gefühle. Das wusste ich. Einige davon auch für mich. Aber das war eben nicht genug gewesen. Max konnte sich gut verstellen. Ich hatte nie gewusst ob seine Gefühle wirklich echt waren. Er hatte so viele Seiten. An einem Tag schrie er mich an, am nächsten redete er gar nicht und am darauffolgenden konnte er nicht aufhören mich zu streicheln.
Es war verrückt.
Er war verrückt.
Aber ich war eben auch verrückt nach ihm.
Er wendete seinen Blick von mir ab, beinahe als könnte er es nicht ertragen mich anzusehen. „Selbst wenn ich wollte könnte ich dich nicht in Ruhe lassen, Kat. Mein Vater lässt niemand gehen und ich werde sein Respekt nicht verlieren, nur weil du es nicht ertragen kannst. Du hast dich für dieses Leben entschieden. Jetzt musst du damit leben."
„Ich hab mich für dich entschieden gehabt, nicht für deinen Lebensstil."
Seine Fingerspitzen fuhren durch seine orangenen Haare und ich folgte seiner Bewegung. Wie oft hatte ich an seinen Haaren gezogen, während er mich geliebt hat? Wie oft hatte ich über seine weiche Haarpracht gestreichelt, um ihn zu beruhigen, als er die Kontrolle verloren hat?
Jeden verdammten Tag hatte ich von ihm geträumt. Er war nicht der Ritter in scheinender Rüstung. Max war der Bösewicht, von dem man gerettet werden musste. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass er nicht der Böse wäre. Ich wollte das er mein Ritter war, der mich vor dem Ertrinken rettet. Stattdessen hat er mich unters Wasser gedrückt, ohne Chance zu entkommen.
„Ich gebe zu, dass ich Mitträger der Schuld bin, die dich in bestimmte Situationen gebracht hat. Aber am Ende hast du die Entscheidungen getroffen. Ich hab dich nie zu etwas gezwungen."
Ich hasste ihn.
Ich hasste das er recht hatte.
Ich hasste was passiert war.
Mir traten Tränen in die Augen. Schmerz flammte in meinem Inneren auf. „Du hättest mich beschützen müssen, Max. Du hättest sehen müssen, dass ich da nicht wieder alleine rauskommen würde. Aber du hast nur zugesehen, wie ich kaputt gegangen bin. Du hast mir immer mehr gegeben, bis ich nicht mehr ich selbst war. Solange bis-"
Ich schluchzte und schlug mir die Hände vor den Mund. „Du warst alles für mich. Jetzt bist du alles schlechte in meinem Leben."
Er gab eine gequälten Laut von sich, leise aber ehrlich. „Wie hätte ich dir helfen sollen, wenn ich nicht mal mir selbst helfen konnte."
Ich biss mir auf die Lippe und schüttelte meinen Kopf. „Lass einfach gut sein."
Mit nassen Wangen drehte ich mich um und lies ihn hinter mir. Das Atmen fiel mir schwer. Alles drehte sich, aber ich lief tapfer weiter. Der Schmerz in meiner Brust vervielfältigt sich um ein Tausendfaches, und ich kann mich kaum noch auf den Füßen halten. Doch das war egal. Hauptsache ich war weg von ihm.
„Wir werden uns wieder sehen!" rief er mir hinterher. Ich ignorierte ihn.
Arschloch.
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All the way to him
ChickLitSie kommen aus unterschiedlichen Welten. Und doch sind sie füreinander bestimmt. Geld, Glamour, Luxus, Macht - diese vier Wörter beherrschten Kat's Leben. Sie hatte das Leben, was alle wollten. Kat war die Königin Beverly Hills und jeder beneidete...