~*~
Wie vor den Kopf geschlagen verließ ich dein Zimmer, nur um völlig bedröppelt auf dem Flur stehen zu bleiben. Regungslos starrte ich auf deine Tür. Leise hörte ich dich reden, konnte allerdings nicht verstehen was du gesprochen hattest. Lauschen kam für mich schon damals nicht in Frage. So ein Kontrollfreak bin ich einfach nicht. Doch obgleich ich deine Worte nicht verstand, konnte ich dich lachen hören. Das tat mir wirklich weh. Schon damals wollte ich derjenige sein, der dich zum Lachen bringt. Ich hasste deinen damaligen Freund von Beginn an. War mir doch egal, dass ich ihn nicht kannte.
In diesem Augenblick kam mir das Leben verdammt ungerecht vor. Es war dieses Gefühl, das man hatte, wenn man etwas gezeigt bekommt und im gleichen Moment erklärt dir jemand, du darfst es aber nicht haben. Einfach unfair und scheiße. Ich fühlte mich wie ein Teil eines Experimentes. Leider war ich in der Probandengruppe für die Placebos gelandet. Ich hatte echt gedacht, dass etwas zwischen uns wäre, aber das schien eben nur Einbildung gewesen zu sein.
Ich war nicht bereit, nach unten zu gehen und erklären zu müssen was passiert war. So entschloss ich mich, einfach abzuwarten. Ein bisschen Hoffnung hatte ich noch, dass dein Gespräch vielleicht nicht so lange dauern würde und du nach mir sehen würdest. Das war natürlich Blödsinn. Ich hatte vor dir selbst schon mal eine Freundin gehabt. Nichts wirklich Ernstes. Wir taten nichts Unanständiges. Also, du weißt wovon ich rede. Allerdings hatte ich regelmäßig stundenlang mit ihr telefoniert. Obwohl meine Eltern in Zeiten, in welcher man noch pro Minuten fürs Telefonieren gezahlt hatte, die dazugehörige Telefonrechnung definitiv als unanständig empfunden hatten.
Mit jeder Minute, die verging, kam ich mir dümmer vor und dann schlug dieses Gefühl plötzlich in Frust um, um schließlich in Wut zu enden. Es war verdammt unhöflich von dir gewesen, mich einfach so rauszuschmeißen. Wo war die sogenannte Gastgeberfreundlichkeit, die man immer beigebracht bekam? Du hättest doch auch rangehen können und sagen können, dass du Besuch hattest. Der Idiot hätte auch später nochmal anrufen können. Doch das zeigte, dass ich weiter – auch wenn wir uns toll unterhalten hatten und ich sowas wie eine Verbindung zwischen uns gespürt hatte, einfach nur ein Typ für dich war.
Trotzdem blieb ich. Ich weiß nicht wieviel Zeit schlussendlich vergangen ist, bis endlich meine Mum nach mir rief und ich gehen konnte. Du hattest dich die ganze Zeit nicht mehr blicken lassen. Ich hoffe du hast wenigstens heute ein schlechtes Gewissen, aufgrund deines unhöflichen Verhaltens, junge Dame.
Auf dem Weg zurück nach Hause blieb ich schweigsam. Dort angekommen machte ich mich direkt bettfertig. Ich wollte nur noch schlafen. Dieser ganze Scheiß mit dir nervte mich und am liebsten wollte ich den gesamten Tag aus meinem Gedächtnis streichen.
Am nächsten Morgen riss mich mein Wecker aus einer unruhigen Nacht. Ständig hatte ich mich hin und her gewälzt, geschlafen und irgendwie auch nicht. Ich fühlte mich wie gerädert und hatte wirklich keine Lust zur Schule zu gehen und dir dort wieder zu begegnen. Denn ich wusste, dass ich dir nicht aus dem Weg konnte. Wenngleich ich es so sehr wollte. Doch du hattest nun mal von Beginn an diese besondere Anziehung auf mich. Allerdings war ich damals noch nicht bereit, mich dieser zu ergeben.
Kurz überlegte ich meiner Mutter zu sagen, dass ich krank sei. Nachteil dieser Lüge wäre allerdings, dass meine Mutter sie mir so oder so nicht abgekauft hätte. Hätte also bedeutet, dass sie mich nur gefragt hätte, was los wäre. Also beschloss ich, mich anzuziehen. Ich war schon recht spät dran gewesen. Daher schnappte ich mir irgendeine Hose und ein Shirt. Für wen hätte ich auf mein Aussehen achten sollen. Du hattest ja schließlich einen Freund und eine Andere interessierte mich ohnehin nicht. Kurz gesagt, es war der Tag, an dem ich in der Schule mit einem T-Shirt auftauchte, das ich links herum trug. In der ersten Stunde war ich das Gespött der gesamten Klasse. Auf diese peinlichen fünfundvierzig Minuten werde ich hier nicht mehr näher eingehen.
Kurz vor Unterrichtsbeginn kam ich schließlich atemlos im Klassenraum an. Du hattest wie auch am Tag zuvor bereits neben Nadine gesessen, die mir fröhlich zugewunken hatte. Ich nickte lediglich. Auf dem Weg zu meinem Platz bekam ich noch mit, wie auch du mir freundlich zugelächelt hattest, doch ich ignorierte es tapfer.
Auf dem Weg zur Schule hatte ich mir selbst eingebläut, dass ich mich wieder auf mein Ziel konzentrieren wollte. Es konnte doch nicht wahr sein, dass du mich bereits am ersten Tag unwissend davon abgebracht hattest. Abschätzig lachte ich selbst über mich, was ich doch für ein Idiot gewesen war.
Ich weiß genau, dass du über mich lachen wirst, wenn du das hier jemals lesen solltest. Du würdest irgendwas sagen wie, dass wir uns erst einen Tag kannten und mich damit aufziehen, was du für einen Eindruck hinterlassen hattest. Um mir anschließend einen Kuss zu geben, der mir zeigen würde, wie süß du das insgeheim finden findest.
Ich war nun mal von Beginn an so heftig in dich verknallt gewesen und da du vergeben warst, blieb mir nur noch, dir so gut es eben ging aus dem Weg zu gehen.
Dies sollte mir in den nächsten Wochen auch recht gut gelingen. Im Unterricht versuchte ich mich nur auf den Lehrer zu konzentrieren, was es einfacher machte, dich nicht ständig anzustarren. Da du dich hervorragend in unsere Clique integriert hattest, standest du in den Pausen natürlich immer in unserer Gruppe. Während du dich jedoch meistens mit den Mädels unterhalten hattest, tat ich dasselbe eben mit den Jungs. So kamen wir also nicht direkt ins Gespräch. Dennoch bekam ich mit, dass du nicht nur mir aufgefallen warst. Auch Martin zeigte auffallend viel Interesse an dir. Er war immer ein netter Kerl gewesen, wenngleich er nicht die hellste Kerze auf der Torte war. Ich behielt ihn ab da im Auge, denn er sollte dir gefälligst auch nicht zu nah kommen. Du hattest ja schließlich einen Freund. Doch schon bald wurde mein Fokus auf jemand anderen gerichtet.
Gemeinsam mit Ben und Martin saß ich auf einer flachen Steinmauer, den Blick auf den Schulhof gerichtet. Eigentlich hatten wir über ein gemeinsames Schulprojekt, welches wir für Kunst ausarbeiten sollten, gesprochen, doch wie üblich schweiften wir schnell ab. Wir faselten dummes Zeug und irgendwann ging es natürlich auch um euch Mädels. Wieder kam Martin auf dich zu sprechen und wie toll er dich doch fand. Ich musste mir quasi auf die Zunge beißen, um nicht ein Revier zu markieren, das nicht meins war und wohl auch nie sein würde.
„Wisst ihr ob sie einen Freund hat?", erkundigte sich Martin, während er dich aus einigen Meter Entfernung in Augenschein nahm.
Ich gab nach und folgte seinem Blick. In dem hellen Kleid und deinen üblichen roten Chucks sahst du wieder einmal bezaubern aus.
„Du hast eh keine Chance bei ihr."
Ohne Rücksicht auf Martins Gefühle knallte ich ihm diesen Satz um die Ohren und die Luft zwischen uns wurde sofort dünn. Bevor wir uns allerdings an die Gurgel gehen konnte, sprang Ben als Puffer ein.
„Reg dich ab Mann", beruhigte er Martin. „Sie hat schon ewig lange einen Freund."
Mir blieb nur noch, meinen besten Freund anzustarren. Woher verdammte Scheiße wusste er das? Hatte er etwa hinter meinem Rücken Kontakt zu dir? Ich hatte ihm schließlich nichts von dem Abend in deinem Zimmer erzählt.
~*~
DU LIEST GERADE
How We Love
RomanceDie Geschichte einer Liebe, welche ein gesamtes Leben überdauern sollte. Eine Liebe die durch Höhen und Tiefen geht. Eine Liebe die glücklich macht und Narben hinterlässt. Die Geschichte von Laura und Julian. Cover von @little_ophelia Betaleserin @S...