Dark Times-Maze Runner

Kapitel 12

Kapitel 12
Mit jedem Wort lief sie näher auf den Abgrund zu.

Mit jedem Lächeln verlor sie die Federn ihrer rettenden Flügel.

Mit jeder kleinsten Berührung starb ihre Vernunft.

Es war, als hätte der hübsche, blauäugige Junge seine langen, schwarzen Krallen ausgefahren. Als hätte er sie gefangen genommen und sie still und langsam ins Dunkel gezogen.

Er hatte sich ihr Vertrauen erschlichen.

Seit knapp 15 Tagen war sie nun schon auf der Lichtung. Und in den 15 Tagen hatte er sie komplett herum gekriegt. Doch der eigentliche Auslöser war nicht er.

Es war Minho.

Jennifer fing an Phil zu vertrauen, doch die Geschichte mit Alby und den anderen hatte sie ihm nicht so richtig abgekauft.

Bis jetzt

Erst gestern hatte sie einen Streit mit Minho gehabt, es war die letzte Sitzung gewesen.

..

So rasch wie möglich führte sie die nun ihr bekannten und geübten Griffe durch. Weder Minho, noch Jen schauten sich einmal an. Er war die ganze Zeit gereizt und kalt gewesen, ließ seine Wut an Ben aus, der sich auch bei der Brünetten beschwert hatte.

Nun stand sie mit beiden Läufern auf den Kriegsfuß, auch, wenn sie Ben noch mochte.

Jen reichte ihm das Hemd und wartete geduldig, bis er aufstand. Und fast wäre er auch schon draußen gewesen, fast hätte sie wieder ihren erleichterten Seufzer losgelassen. Doch nur fast.

Der Hüter der Läufer blieb am Eingang stehen und betrachtete das kleine, zierliche Mädchen vor ihm. "Du machst einen riesen Fehler."flüsterte er. "Woher willst du das wissen? Du kennst ihn doch überhaupt nicht!"entgegnete sie verzweifelt. Jen wollte keinen Streit anfangen. Und erst recht nicht mit Minho. Er war in gewisser Hinsicht interessant. Er war wie eine Nuss, die es zu knacken galt. Und genau das machte ihn so ansprechend. Doch bis jetzt schien das in unendliche Ferne gerückt zu sein. Lieber nahm sie ihren einzigen Freund hier in Schutz, als mit Minho Hand in Hand zu gehen.

"Du weißt gar nichts. Du bist hier der Frischling! Jen du bist naiv! Einfach naiv! Ich weiß nicht, was er dir erzählt hat, aber was es auch war, glaub ihm nicht!"schnauzte er. Langsam wurde es ihm zu bunt. Sie war dümmlicher als Frypan! Er wollte doch nur ihr bestes und sie musste schon wieder anfangen aus der Reihe zu tanzen! Er konnte sich nicht erklären, warum er sich überhaupt die Mühe gab! Ben war ja noch schlimmer! Er redete sogar in seiner freien Zeit mit ihr. Wie der das bloß schaffte!

"Ich bin nicht naiv."

Sie war sichtlich verletzt. Mag sein, dass sie schüchtern und kindlich war, aber sie wollte nicht, dass jemand ihr das so offen ins Gesicht sagte. Auch, wenn es die Wahrheit war.

"Wir versuchen hier alle zu funktionieren. Warum tanzt du dann aus der Reihe? Versteh' doch, ich will nicht, dass dir etwas passiert!"

"Du interessierst dich doch gar nicht für mich! Was willst du eigentlich?!"

Ihre Stimme wurde beachtlich lauter. Und plötzlich ging er auf sie zu, packte Jen an ihren Schultern und rüttelte sie durch.

"Das du mal wach wirst."

Er schenkte ihr einen enttäuschten Blick und ging.

Die Augen waren vor Schreck geweitet und der Mund leicht geöffnet.
Warum redet eigentlich jeder auf mich ein?
Warum?

..

Und die ganze Nacht hatte sie wach gelegen. Und die ganze Nacht hatte sie nachgedacht. Es schien zu viel, für ihre schüchterne, reine Seele zu sein. Zu viel für ihre schmalen Schultern zu tragen. Aber es machte ihr auch klar, dass wirklich etwas hier vorging. Ein kleiner Krieg.

Zwischen Alby und Billy.

Und es gab nur zwei Möglichkeiten.

Zu dem einen, oder den anderen.

Und das war die schwerste Entscheidung, die sie je treffen musste.

~

Am Morgen ließ sie sich nicht beim Essen blicken, zu groß war die Angst vor Minho und seiner Reaktion. Also lief sie ein wenig am Waldesrand umher, den Blick gen Himmel gewandt. Ihre Ohren realisierten zuerst die Schritte, dann die Stimmen.

Da kamen welche aus dem Wald. Direkt auf sie zu. Sie könnte hier stehen bleiben. Aber ein drückendes Gefühl sagte ihr, sie solle sich verstecken. Jen befolgte die Anweisung ihres Bauches. Sie hatte eh keine Lust auf eine Unterhaltung.

Und in den nächsten zwei Sekunden war sie noch nie so dankbar gewesen.

Es waren Minho und Alby.

Jen duckte sich mehr hinter dem Strauch und lauschte leise mit, während die Beiden an ihr vorbei gingen.

"Was machen wir jetzt?"

"Weiter wie bisher. Das wird uns auch nicht viel helfen."

"Aber es wäre eine Möglichkeit."

"Minho wir .."

Schon waren sie vorbei.

Ihre Brauen zogen sich zusammen, nachdenklich schaute sie ihnen hinterher und dann in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Das war ihre Chance.

Ihre Chance eine Entscheidung zu treffen, die nicht komplett falsch war.

Die Neugier und der Druck trieben sie in den spärlichen Wald hinein. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie sich eigentlich geschworen hatte nicht in den Wald zu gehen.

Aber das war mittlerweile doch egal.

Eine Weile lief sie einfach nur gerade aus. Weit und breit war nichts zu sehen, also entschied Jen sich dafür, nach rechts abzubiegen.

Und wie der Zufall es wollte, fand sie das, wonach sie gesucht hatte. Es war eine kleine, hölzerne Hütte, aus Bambus gebaut, mit einer Tür, nur durch ein Seil geschlossen.

Jennifer öffnete den Knoten und trat ein. Überall lagen Papier und Tafeln. Sachen waren drauf geschrieben und skizziert.
Das ist der Raum der Läufer.

Inmitten dieser Hütte stand ein riesiger, hölzerner Tisch, auf dem eine große, graue Decke lag. Unsicher klappte sie eine Ecke um. Da waren nur kleine Hölzer in unbestimmter Anordnung geklebt. Noch einmal schaute sie hinter sich.

Weit und breit war niemand zu sehen.

Jen fasste sich ein wenig Mut und riss die Decke ganz runter.

In diesem Moment, hatte sie ihre Entscheidung getroffen.

Es war die Lichtung in der Mitte zu sehen. Und außen herum das Labyrinth. Mit all seinen Gängen und Ausgängen.

"Er ist einer von ihnen."
"Sie stecken alle unter einer Decke."

"Ich will doch nur, dass dir nichts passiert."
"Werde endlich wach."

Ich bin wach.

~