Bräkfest

35 7 12
                                    

"Gib uns Essen", klagte Felix, der wie eine hingeschmissene Leiche über der Lehne des Sofas hing. 

Elias tippte mit etwas wacheren Augen auf seinem Handy herum, rote Abdrücke vom Polster verzierten sein Gesicht. Basti lag wie ein ägyptischer Pharao in seinem prunkvollen Grab am Rücken und hatte die Augen geschlossen. Dass er noch schlief, konnte ich mir nur schwer vorstellen. 

"Ja ja", säuselte Jeongguk, "Brot passt eh? Wir haben ein paar Aufstriche und Gemüse"

"Perfetto Maestro", stimmte der Blonde zu und zeigte schwach einen Daumen nach oben. Warum waren die bitte so dead? Ach ja, ein bisserl Alkohol war ja auch im Spiel gestern Abend gewesen. Und vor vier Uhr in der Früh waren die sicher auch gestern nicht eingeschlafen. 

"Ich helfe dir", meldete Elias sich freiwillig, wurschtelte sich von der Couch mit dem Chaos aus bunten Stoffdecken und kraftlosen Körpern und latschte zu Jeonggukie und mir herüber. 

"Ok, schneidest du das Brot?", bat der Chefkoch seinen neuen Untertanen, "Dann hol ich derweil Paradeiser und so ausm Garten"

"Roger"

"Warte, was soll ich machen?", schaltete ich mich ein und sah zwischen den beiden Braunhaarigen hin und her. 

"Ach, chill dich einfach zu den anderen, wir erledigen das schon", wies Jeonggukie mich ab. 

"Boy, lass mich arbeiten"

"Wieso denn? Es passt schon, kannst noch fünf Minuten schlafen"

Ich machte keine Anstalten mich fortzubewegen und starrte Jeonggukie nur sturköpfig an. Wenn ich schon Essen bei ihm schnorrte, wollte ich es doch mindestens selbst zubereiten. Okay, bei einer Scheibe Brot gab es vielleicht nicht so viel zuzubereiten, aber ich könnte ja die Messer aus der Schublade holen. Oder Teller. Gemüse schneiden könnte ich auch. Schaut, es gab viel zu tun. 

"Na gut", gab mein Freund schließlich mit einem kleinen Grinsen nach, "Kannst ja das Geschirr rausstellen oder so"

"Alrighty"

Fröhlich schlenderten Elias und ich nebenan in die schön saubere Küche, Jeonggukie ging bei der gläsernen Terrassentür raus in den offenen Garten. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass es ja noch immer regnete da draußen. Hatte er nicht gestern noch gemeint, dass er bei Regen nicht unbedingt das Haus verlassen wollte? Oh je, und jetzt wurde er pitschnass. Spontan entschuldigte ich mich bei meinem Kochpartner, huschte schnell in den Vorraum und suchte nach einem Regenschirm oder einer wasserdichten Jacke. Gukie stand da schließlich nur in kurzer Stoffhose und T-Shirt, da konnte etwas Schutz nicht schaden. 

Im Handumdrehen hatte ich einen relativ kleinen hellblauen Regenumhang mit kunterbunten Punkten gefunden, wahrscheinlich Hanmis, und hastete zurück ins Wohnzimmer und bei der Tür hinaus auf die tiefgrüne Wiese zu Jeonggukie. Im mittelstarken Regen hockte er vor der Paradeiserpflanze und zupfte die handtellergroßen roten Tomaten ab. Armes Bebi, seine Schultern und Haare waren ja schon ganz nass. 

"Gukie!", rief ich und tapste barfuß durchs kurz geschnittene Gras zu ihm und den Gemüsebeeten. 

"Was machst du denn? Geh rein, es regnet ja!", entgegnete er mit der Hand fuchtelnd. 

"Hier, warte"

Ungeschickt spannte ich den farbenfrohen Umhang seiner kleinen Schwester über ihm auf, damit er einigermaßen von den Regentropfen geschützt war. Mir machten sie ja, wie gesagt, nichts aus, also reckte ich genießerisch meinen Kopf gen Himmel und nahm das angenehme Prasseln des Regens auf meinem Gesicht wahr. Wie flüssig gewordene Sonnenstrahlen fühlte sich Sommerregen an. 

"Du verkühlst dich vielleicht, bitte geh rein", bat Jeonggukie, während er hastig das reife Gemüse erntete, das er dann in einer improvisierten Tasche aus seinem Shirt lagerte. 

"Ach, es ist Hochsommer, ich bin safe"

Er seufzte unzufrieden, beschleunigte seine Arbeit und kam nach Paradeisern und Ribiseln schließlich bei den Erdbeeren an. Seine Familie war ja erst hergezogen, also mussten das noch die Pflanzen aus ihrer Wiener Wohnung sein. Aber wie sollte man diese ganzen Sträucher auf so engem Raum halten können? Ein Balkon dürfte da doch nur schwer genügen. 

"Da", unterbrach Jeonggukie meinen Gedankengang und streckte mir eine gepflückte Erdbeere entgegen, "Hast doch gesagt, du magst die"

Dankend nahm ich die saftige Beere entgegen und snackte sie gleich mal. Äußerst delikat, meine lieben Freunde. 

"Habt ihr die alle aus Wien mitgenommen?", fragte ich ihn, da mein Gehirn mir keine zufriedenstellende Antwort bieten konnte. 

"Nein, nein, in Wien hatten wir nur so Kräuter und normale Pflanzen, die sind da drüben. Die hier waren schon da, wir wir eingezogen sind"

"Ach so, ergibt Sinn"

"Yep. Okay, bin fertig, schnell rein!"

Jeonggukie hopste über die Wiese, wobei ich mir Mühe gab, den Regenumhang möglichst effektiv für ihn zu halten. Ich versagte dezent, aber wenigstens hatte ich ihn ein bisschen schützen können. 

"Danke für den Umhang", sagte Jeonggukie drinnen und schenkte mir ein warmes Lächeln. 

"Kein Ding"

Basti hatte es mittlerweile geschafft, sich aufzurichten und lungerte jetzt gegen durch Rücklehne des Sofas gestützt herum. Felix hätte man noch immer für eine Leiche halten können, wäre da nicht seine bewegte Brust gewesen. Noch immer zog der Bösendorfer Flügel meinen Blick an sich, es musste wundervoll klingen. Ich stellte mir vor, in tiefster Nacht unterm hereinfallenden Mondlicht das bittersüße Clair de Lune von Debussy zu spielen. Zerbrechliche Akkorde von fernen Sternen beleuchtet, traumhaft. Mein Herz begann, aufgeregt zu flattern. 

"Wann spielst du mir eigentlich was vor?", fragte Jeonggukie, der meine sehnsüchtigen Blicke sicher bemerkt hatte. 

"Wenn ich wieder mal hier penn"

"Nice"

"Du spielst Klavier?", warf Basti mit müder Stimme dazwischen. 

"Ja, seit 8 Jahren. Spielst du auch ein Instrument?"

"Nicht mehr, früher hab ich mal gemeinsam mit Jeongguk Gitarre gelernt, aber ja"

"Warum habt ihr eigentlich aufgehört?"

"Zu teuer", erklärte Basti achselzuckend. 

"Und allein wollte ich dann auch nimmer", fügte Jeonggukie hinzu, "Wie auch immer, ich wasch jetzt das Gemüse. Du musst nicht mitkommen, Elias hilft mir eh"

"Doch, doch, ich komm schon"

Schnell folgte ich ihm in die Küche, wo besagter Küchenjunge schon das Brot in dünne Scheiben schnitt. Er sah noch immer ziemlich zerknautscht aus, vor allem weil er ja in seinen Straßenklamotten geschlafen hatte. Das Privileg für einen Jeonggukie Pyjama hatte anscheinend nur ich. Obwohl, er hätte ihnen sicher etwas gegeben, wenn sie gefragt hätten. Immerhin hatte er gerade ja auch Gemüse für sie im Regen gepflückt, da wäre so ein bisschen Kleidung wirklich nicht zu viel verlangt. 

Jeonggukie leerte die Paradeiser und Beeren von seinem Shirt auf der Theke aus, nahm einen nach dem anderen zum Waschen und reichte sie mir dann zum Schneiden weiter. Elias stapelte derweil die Brotscheiben in einem hölzernen Körbchen, in das eine kleine, rot-weiß karierte Decke gelegt worden war. Anschließend holten wir noch diverse Aufstriche und Butter aus dem leise summenden Kühlschrank und trugen alles nacheinander gemeinsam mit dem glänzenden Geschirr rüber auf den Esstisch. So langsam kamen auch Felix und Basti in die Gänge und schlurften zu den gepolsterten Sesseln. Fünf Jungs beim Frühstücken, nichts sonderlich Sensationelles und das war ja das Schöne dran. Trotzdem bemerkte ich, wie ich etwas unruhig mit der Zeit wurde. Das Festl gestern plus die Bussis mit Jeonggukie waren schon etwas viel zum Verarbeiten für mich. Ich nahm mir vor, nach dem Frühstück abzuhauen. 

Sandkastenfreunde || TaeGukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt