"Fertig, Taehyungie?", hörte ich Jeonggukie melodische Stimme von seinem Zimmer.
"Ja ok, kannst kommen", erlaubte ich und hob meine Finger von den Tasten.
Der Klang war bezaubernd, so voll und alles umfassend, wow, tausend Mal schöner als mein Hybrid Piano zuhause. Der Anschlag der Tasten war viel empfindlicher, man konnte lautere und leisere Stellen ideal betonen. Not gonna lie, ich war hoffnungslos verliebt in den Flügel. Aber keine Sorge, Gukie war natürlich meine Nummer Eins.
"Ich spiel dir die erste Arabesque vor", kündigte ich an, als er sich schräg von mir auf einen der Esstischstühle fallen ließ.
"Kenn ich nicht"
"Ist von Claude Debussy"
"Oho, ein Franzose?"
"Genau. Er war halt Impressionist, also so Natur bewundern und stuff. Ja, mir gefällt der"
"Alright, dann lass mal hören"
Jeonggukie lehnte sich im Sessel zurück und hievte seine Beine auf den Tisch für die volle Gemütlichkeit. Komischerweise war ich gar nicht nervös. Bis jetzt hatte ich nämlich immer einen halben Kreislaufzusammenbruch erlitten, wenn ich vor Leuten spielen sollte. Deshalb hatte ich auch vor paar Jahren aufgehört, in der Musikschule Unterricht zu nehmen. Dort musste man zweimal pro Jahr auf einem Konzert spielen, da hatten sie mich ganz schnell verscheucht. Daheim üben war angenehmer. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass mir Jeonggukie Anwesenheit jetzt so wenig ausmachte. Ich wollte es gut machen, aber fühlte dabei keinen Druck auf mir. Wenn ich verkackte, verkackte ich halt, dann gab er mir ein Bussi und alles war wieder gut. Chillig, so eine Beziehung.
Konzentriert führte ich mir nochmal die ersten paar Takte zu Gemüte, dann legte ich auch schon los. Den Anfang spielte ich schön geschmeidig und leise, gut gut, auch der Rest des Stücks ging mehr oder weniger zufriedenstellend über die Bühne. Einige Fehler haute ich schon rein, aber nichts, das mich aus dem Konzept bringen würde. Und ein gefühlvoll falsch gespieltes Stück war immer noch berührender als ein mechanisch durchgerattertes.
Zu verschiedenen Passagen stellte ich mir in meinen Kopf bestimmte Szenarien vor, damit ich die Stimmung besser einfangen konnte. Bei dem einen Part war das ein Mädchen, das wie in Trance auf einer langen Schaukel unterm Mondlicht bei Nacht schaukelte. Oder das Heruntersegeln eines abgefallenen hellgrünen Blattes von seinem starken Baum. Bei dem Teil, den ich am liebsten spielte, spulte ich vor meinem inneren Auge das Wachstum einer kleinen Pflanze im Zeitraffer ab. Durch und durch idyllische Bilder.
Nach knapp fünf Minuten war der Zauber vorbei, glücklicherweise hatte ich in den letzten Takten nichts verschissen, und so beendete ich das Vorspiel mit den zärtlich gespielten abschließenden Akkorden. Kurz blieb ich noch flach atmend sitzen, ehe ich meinen Blick hob und Jeonggukies leuchtenden Augen traf.
"Das war ur schön, Taehyungie, wow. Diese Stelle, wo du so ganz schnell von den hohen Tönen zu den tiefen gekommen bist, so fucking schön"
"Meinst du das?", fragte ich und spielte nochmal Takt 99 bis 103.
"Ja, oh boy, klingt wie plätscherndes Wasser"
"Lol, das dachte ich mir auch, wie ich das zum ersten Mal gehört hab. Aber es gibt ein Stück von Ravel, der war auch Impressionist, das heißt Une Barque sur l'océan und das ist plätscherndes Wasser, ich sag's dir"
"Kannst du das auch spielen?"
"Nope, hab die Noten nicht und überhaupt ist es sau schwierig"
"Das war aber sicher auch nicht leicht. Hab echt nicht gewusst, dass du so gut spielen kannst, oha"
"Kch, danke"
Auf einmal hörte ich näherkommende Schritte hinter mir und dachte nur, dass das wieder mein Kopf war, der mir einen Streich spielte, doch als auch Jeonggukie seinen Hals reckte, um das Geräusch zu lokalisieren, erkannte ich, dass es doch real war. Hätte ja sein können, wenn mein Hirn schon meinen Sehsinn täuschte, warum dann nicht auch noch das Gehör?
"Wunderschön gespielt", gratulierte ein Mann, wahrscheinlich Jeonggukies Vater, mir und bog gerade um eine Ecke in unser Sichtfeld. Wie sein Sohn hatte er eine sportliche Figur und wache Augen, die kurz geschnittenen Haare wurden schon teilweise grau. Er war schon im Pyjama und ich hatte sofort Angst, dass ich ihn und die anderen Familienmitglieder mit dem Klavierspielen geweckt hatte. Wenigstens lächelte er mir freundlich entgegen, also konnte er Schaden nicht allzu groß sein. Sein Lächeln war nicht ganz so hasig wie Gukies.
"Danke", sprach ich etwas unsicher, doch zu, Glück übernahm Jeonggukie die Situation für mich.
"Papa, das ist Taehyung", stellte er mich vor, verblüffenderweise nannte er mich nicht bei meinem Spitznamen.
"Ah ja, dein Freund also. Schön, dich kennen zu lernen, Taehyung. Ich heiße Soori, kannst ruhig Du zu mir sagen"
"Okay. Hab ich dich aufgeweckt?", fragte ich sogleich nach.
"Nein nein, Hanmi und Linda schlafen schon und ich hab noch die Zeit im Bild Zwei geschaut, da hab ich dich spielen hören. Wirklich schön spielst du"
"Ja, nicht wahr?", fügte Jeonggukie begeistert hinzu und ich rutschte überfordert von der ganzen Aufmerksamkeit auf der Klavierbank herum.
"Danke. Wer spielt bei euch aller Klavier?", lenkte ich von mir ab.
"Meine Frau spielt manchmal. Welcher Komponist war das?"
"Debussy"
"Ah, von dem hat sie auch ein paar Noten. Irgendwas mit Lune, glaub ich. Und Rêverie"
"Clair de Lune?"
"Ja genau! Oder kennst du Rachmaninoff? Den spielt sie gern"
"Puh, der ist ordentlich schwer, ur cool, wenn sie das kann"
"Ja, sie spielt schon länger. Wie dem auch sei, ich lass euch jetzt wieder allein. Wenn ihr irgendwas braucht, kommt einfach rauf"
"Okay, danke"
"Kein Problem, gute Nacht"
"Nacht"
"Gute Nacht"
Jeonggukies Vater machte wieder einen Abflug und hatte durchaus einen netten Eindruck bei mir hinterlassen. Seine ehrliche Fürsorge plus die Leidenschaft seiner Frau hatten wohl Jeonggukie als Endprodukt ergeben. Cute.
"Cooler dude", kommentierte ich und stand auf, um wieder zu Gukie zu watscheln.
"Yeah. Aber deine Klavierskills sind très bien, wie die Franzosen sagen"
"Haha, merci beaucoup"
"Chill, soviel kann ich auch wieder nicht"
Ich lachte und spielte mit seinem linken großen Zehen, da sich sein Fuß da oben am Tisch anbot für solche Aktivitäten. Zwölf Härchen hatte er auf diesem Zeh, interessant, ich hatte bisschen weniger.
"Zeigst du mir jetzt das Lied von diesen...wie hießen die nochmal...Ass Animals?"
"Yooo", lachte Jeonggukie laut auf, "Glass nicht Ass, pfahaha"
"Ja, fast gleich, upsi"
"Haha, aber ja, komm mit, in meinem Zimmer hab ich geile Boxen"
Gezwungenermaßen ließ ich seinen süßen Zeh aus und wir trotteten rüber ins fluffige Emoland.
Tobs, mein cuter boyi, dieser Chapter Spam ist für dich btw :**
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Sandkastenfreunde || TaeGuk
Fiksi PenggemarTaehyung, als der gedankenversunkene Dorfbursch. Jeongguk, als der hingebungsvolle Wiener. Eine Story voller Unterstützung, Vertrauen und Fluff für mein Libra-Harmoniebedürfnis :) Mit random Zeichnungen und Edits von mir uwu Enjoy!