Outer Banks

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Der Meerwind wehte um ihren Körper herum, spielte mit ihren langen, rotbraunen Haaren, die inzwischen von der Sonne und dem Salzwasser ausgebleicht worden waren.
Genüsslich atmete sie tief ein und genoss den salzigen Geschmack den die Luft auf ihrer Zunge hinterließ. Es tat ihr gut wieder an der Küste zu sein. In Chicago hatte sie das Gefühl gehabt zu ersticken, ebenso in Phoenix. Weder die Großstadt, noch die Wüstengegenden der Vereinigten Staaten waren etwas für sie. Das Surfen war ihr Leben. Seit sie schwimmen konnte stand sie auf dem Brett und zum surfen waren Gewässer, sowie Wellen eben unerlässlich. Sie verstärkte den Griff um ihr Surfboard. In freudiger Erwartung erstmals nach fast zwei Monaten wieder auf den Wellen zu reiten trugen sie ihre Beine wie von selbst über den warmen Sand. Es war ein unglaublich heißer Tag in North Carolina. Die Sonne brannte unerbitterlich auf das Land nieder. Eine Welle der Euphorie überrollte sie, als sie hinaus auf das offene Meer padelte. Die Wellen heute waren gut. Mehr als das, sie waren fantastisch! Sie tauchte unter einigen Wellen hindurch, um weiter hinaus zu kommen. Die Bewegungen kamen von ganz allein. Ihr Körper erinnerte sich. Sie war erleichtert. Zwischenzeitlich hatte sie bereits die Befürchtung gehabt sie könnte es verlehrnt haben. Zwei Monate ohne ins Meer zu können waren definitiv zu viel gewesen. Was hatte sie sich jemals dabei gedacht? Nachdem sie in Hauntington Beach Kalifornien gelebt hatte hatte sie einfach weiterziehen wollen. Zunächst war es geplant weiter die Küste hinauf zu fahren, doch die Leute ihres Vaters hatten ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Pheonix war eine Schnappsidee gewesen und Chicago ein Zwischenstopp, um Geld zu verdienen, auf dem Weg zurück an die Küste.

Outer Banks war ein kleines, ein unbedeutendes Kaff. Unbedeutend war gut. Unbedeutend bedeutete sicher, zumindest so sicher wie es für sie sein konnte. Auf dieser Insel tummelten sich nur zwei Arten von Menschen. Es gab die Arbeiterklasse, welche sich ihren Buckel abarbeitete, um über die Runden zu kommen und die Superreichen, die keine Notiz von den kleinen Leuten nahmen, die ihre Gärten, oder Jachten pflegten. Dazwischen gab es nichts. Wenn sie sich nur weiterhin unauffällig verhielt könnte sie zwischen 'den Pouges', den Begriff hatte sie am Vormittag aufgeschnappt, untertauchen. Niemand würde bemerken, dass sie hier war. Sie hatte zwei Jobs. Für eine Weile könnte sie bleiben.

Die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen. Inzwischen färbte sich der Himmel bereits in ein farbenfrohes orange rot. Bald würde es dunkel werden. Die junge Frau entschied sich, dass die nächste Welle ihre letzte für diesen Tag sein würde. Sie sollte raus aus dem Wasser und zurück zu ihrem Pick up bevor die Nacht einbräche. In der Dunkelheit auf Kleinganoven zu treffen stand nicht auf ihrer Wunschliste. Nicht ohne eine gewisse Nostalgie zu verspüren steuerte sie auf den Wasserberg zu, der sich in der Ferne vor ihr auftürmte. Immerhin wäre diese Welle ein gebührender Abschluss.

Sie hatte die anderen Surfer ausgeblendet, sie kaum bemerkt, doch nachdem sie ihre letzte Welle bezwungen hatte konnte sie nicht umhin kurz auf ihrem Board zu sitzen und sie zu beobachten. Sie waren nicht schlecht. Einer von ihnen stach jedoch hervor. Er war mehr als nicht schlecht. Er war gut. Das musste sie ihm ganz neidlos zugestehen. Trotz ihres Vorsatzes nach der letzten Welle zu gehen fühlte sie wie durch das Können, des fremden Surfers ihr Ehrgeiz angeschürt wurde. Mit einem letzten Blick auf die Sonne, die vielleicht noch zehn Minuten zu sehen sein würde entschied sie sich ihren Vorsatz zu verwerfen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die anderen Surfer sie sahen minimal war wollte sie zeigen was sie konnte für den Fall, dass sie es doch taten. Sie holte alles aus sich herraus, griff tief in die Trickkiste. Ihre Performance wäre wettbewerbswürdig. Zufrieden mit sich selbst sprang sie kurz ins Wasser, um sich ein letztes Mal abzukühlen. Eine Dusche wäre schön, doch das könnte sie zunächst einmal vergessen. Als sie nach wenigen Sekunden wieder auftauchte stemmte sie sich zurück auf ihr Brett. Das Salzwasser tropfte von ihren Haarspitzen hinab. Mit ihren Händen strich sie sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich nach dem Tauchen dorthin verirrt hatten. Es störte sie wie sie an ihrer Stirn klebten und sich teils in ihren Wimpern verfangen hatten. Mit einem Haargummi band sie sie sich zu einem unordentlichen Dutt im Nacken zusammen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine Bewegung, einen Schatten in der untergehenden Sonne. Sie verkrampfte sich. Im vergangenen Jahr hatte sie sich unglaubliche Fluchtinstinkte angewöhnt. Mit schnell schlagendem Herzen warf sie einen Blick über die Schulter. Ein anderer Surfer hatte sich ihr genährt. Auf seinem Brett padelte der junge Mann in ihre Richtung. Ihre Gedanken rasten. Sie versuchte ihn möglichst unauffällig zu mustern, um zu entscheiden wie sie reagieren sollte. Ihr Blick fiel auf sein Board. Sie erkannte es. Er war der talentierte Surfer, den sie vorhin beobachtet hatte.
Sie wusste nicht wie sie ihn einschätzen sollte. Unentschlossen blieb sie wo sie war. Der leichte Wellengang wiegte sie hin und her. Die eigentlich warme Luft fühlte sich kühl auf ihrer nassen Haut an, sobald eine Brise über sie streifte. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen.

Outer BanksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt