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Während die Jungs beim Soundcheck waren chillte ich in ihrem backstage Zelt. "Tascha?" hörte ich eine Stimme. Erschrocken sah ich hoch. Ein gut aussehender muskolöser Mann stand vorm Zelt. Seine Gesichtszüge kamen mir so bekannt vor. Aber ich konnte es nicht zu ordnen. "Kennst du mich nicht mehr? Ich bins... Nick" stellte er sich vor. Nick. Sofort kamen alle Erinnerungen zurück. Tausend Bilder schossen in meinen Kopf. "Oh gott! Wie lange ist das denn her?" quieckte ich und fiel ihm um den Hals. "Du hast dich kein Stück verändert." grinste Nick. "Das kann man von dir nicht gerade behaupten." lachte ich und boxte in seinen gut trainierten Bauch. Es fühlte sich an als wäre unter seinem Tshirt ein Sixpack versteckt. "Was machst du hier?" fragte ich verwundert. "Ich bin Reporter. Ich muss gleich noch ein paar Interviews halten. Du?" erklärte er. Das ergab Sinn. Er wollte früher in der Schule schon immer was in den Medien machen. "Freunde von mir haben grade Soundcheck. Später schau ich mir noch ihr Konzert an." schwärmte ich voller Vorfreude. "Von SDP?" fragte er neugierig nach und deutete auf das Schild vorm Backstagezelt. Ich nickte. "Wahnsinn wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben." bemerkte ich und bekam sofort flashbacks an die schöne Zeit mit Nick. "Ja aber du bist ja einfach unter getaucht." Er war noch immer beleidigt. Das konnte man deutlich an seinem Unterton hören. Irgendwo kann ich es ja auch verstehen. Ich hab ihn ohne viele Worte stehen lassen. Nicht gerade die feine Englische. "Ich weiß. Aber die Zeit war für mich nicht gerade einfach." versuchte ich es zu entschuldigen. "Ich hätte dir doch Beistand geleistet. Ich wäre für dich da gewesen." sagte Nick in einem scharfen Ton. "Verdammt Nick, wir waren 17. Du warst mein erster Freund. Meine Welt ist zusammengebrochen. Ich wusste nicht wo oben und unten ist. Wie hättest du mir denn beistehen können?" patzte ich ihn an. Ich wusste nicht, dass das nach all diesen Jahren noch immer so Thema war. "Du hättest mir eine Chance geben können. Ich hätte dich nicht im Stich gelassen. Ich habe dich geliebt." hauchte er verletzt aber mit Nachdruck. "Ich hab dich im Regen stehen lassen. Ja das war scheiße. Aber ich war 17. Ich hatte genug mit mir selbst zu kämpfen. Was erwartest du von einem Teenie?" schluchzte ich. Es waren wieder alle Bilder da. Es fühlte sich an als wäre der Unfall erst gestern passiert. "Ach und mit 17 ist es ok, der großen Liebe das Herz zu brechen. Einfach abzutauchen. Ich wusste nicht mal ob du den Unfall überlebt hast." warf Nick mir vor. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Noch immer reagierte ich so empfindlich wenn es um dieses Thema ging. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. "Nick es tut mir leid! Ich kann die Zeit nicht mehr zurück drehen. Glaub mir wenn ich könnte, ich würde es sofort tun. Aber wie ich sehe geht es dir auch ohne mir gut. Du bist deinen Weg gegangen." sagte ich so nett ich konnte und zeigte auf seinen Ringfinger. Ein dicker Ehering zierte diesen. Er setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf. "Ja ich hab alles erreicht was ich wollte. Ich habs geschafft. Du hingegen bist stehen geblieben. Du siehst nicht nur aus wie früher, du hast dich auch nicht entwickelt. Du bist noch immer das kleine 17 Jährige Mädchen, dem alles zu viel wird. Das ist nicht unbedingt positiv." fauchte er mich an. Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Was urteilt er über mich? Er hat mich 12 Jahre nicht gesehen und denkt er kennt mich. Was bildet er sich eigentlich ein? "Alles klar?" mischte sich Vincent ins Gespräch mit ein. Dag musterte Nick von oben bis unten. Ich kämpfte mit den Tränen. Warum verdammt ist das Alles nur so hart? Es tut weh! Seine Worte, die Gedanken an früher. Er. Irgendwie alles. Vinnie legte besorgt den Arm um mich. "Ich glaub du gehst jetzt besser." plusterte sich Dag vor Nick auf. "Wie früher. Tascha und die Männer." bemerkte Nick schnippisch und machte sich vom Acker. Besorgt sahen mich die Jungs an. Auch der Rest der Band trudelte langsam wieder im Zelt ein. Alle waren still. Es fühlte sich so an als wäre die ganze Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Ich wollte nicht reden und schon gar nicht vor ihnen heulen. "Ich brauch schnell frische Luft!" flüsterte ich und rannte aus dem Zelt. "Tascha, warte!" riefen mir die Jungs hinterher. Doch ich konnte nicht. Ich rannte Richtung Parkplatz. Hier war wenig los. Zwischen den Nightlinern hockte ich mich versteckt auf den Boden. Hier hatte ich für einen Moment Ruhe. All die Erinnerungen holten mich wieder ein. Ich hab meinen Vater auf dem Gewissen. Wie soll ich das denn Vincent und Dag erklären? Ich hab gedacht Dag wäre mein größtes Problem. Weit gefehlt. Fuck! Warum kann ich das nicht einfach hinter mir lassen. Diesen Teil meines Lebens hatte ich doch so erfolgreich verdrängt. Warum kocht das immer zu den blödesten Zeitpunkten wieder auf?  In 3 Stunden ist das Konzert. Ich hab mich so darauf gefreut aber kann ich das jetzt noch genießen? Mein Handy klingelte zum tausendsden Mal. Ich wollte meine Ruhe! Versteht das denn keiner? Ich war kurz davor mein Handy wegzuschleudern aber konnte mich gerade noch beherrschen. Sie machen sich meinetwegen Sorgen. Das wollte ich nicht. *Macht euch keine Sorgen. Ich bin beim Tourbus. Freue mich auf euer Konzert später* versendeten ich schnell an Dag. Keine 10 Minuten später saß Dag neben mir auf dem Boden. Vincent hockte vor mir. Beide sahen mich besorgt an. Schnell wischte ich meine Tränen weg und zwang mir ein Lächeln auf. Das mit dem alleine sein hat ja gut funktioniert. "Sag was los ist." forderte Vinnie. Wie soll ich da nur raus kommen, ohne ihnen alles zu erzählen. "Nick war mein erster Freund. Ich hab mich damals blöd von ihm getrennt. Hab ihn stehen lassen. Bin untergetaucht. Das nimmt er mir nach 12 Jahren immer noch übel." erklärte ich die halbe Wahrheit. Das war der harmlose Teil. Den kannten viele. Mehr wussten nur Mama und Sabina. Ich hoffte das reicht ihnen an Informationen. "Wie untergetaucht?" fragte Vincent verwirrt. "Können wir das Thema einfach lassen? Lass uns das Festival genießen." versuchte ich dem Gespräch aus dem Weg zu gehen. "Du kannst immer kommen. Ich hab mich ja auch bei dir ausgeheult, Kleine." sagte Vincent und reichte mir eine Packung Tempo. "Ich kann euch grade nicht mehr erzählen. Aber danke, dass ihr für mich da seid." sagte ich und tupfte meine verlaufene Schminke weg. "Komm her mein kleiner Panda!" sagte Dag und zog mich in seine Arme.

SDP - Feuerzeuggefühle (Teil I) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt