Kapitel 13

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Rob ist wie Glas, dachte Simon, als er verträumt den Bierkrug abwusch.

Er ist so leicht zu durchschauen, zerbrechlich, wunderschön.
Rob ist immer er, hat unterschiedliche Fassaden und ist gefährlich, falls er wirklich kaputt gehen sollte.

Rob ist wie Glas, dachte er, und fand keinen besseren Vergleich, auch wenn es wohl tausende gab.
Aber Simon beharrte innerlich darauf, dass Rob aus Glas war.

Vielleicht brauchte er nur jemanden, der ihn formt, der ihm zeigt, wie attraktiv er war.

Simon musste lächeln, immer wenn er an ihn dachte;
Wie elegant er sich bewegte, wie malerisch er im Schein des Mondes aussah, wie anziehend Simon ihn fand.

Er war in der Tat wie Glas, an seinen gefährlichen Kanten konnte man sich schneiden, an seine glatten Oberflächen anlehnen.

Wie gerne er mehr von ihm sehen würde...

»Simon? Tisch 3!« wurde er aus Gedanken gerissen.

Sein Kopf zuckte hoch, es war Mike, der ihm befohl, seinen Job in der Kneipe zu machen.
Da war ja was...

»Sorry...« murmelte er und ging zu besagtem Tisch, an dem Jim und Billi zwei weitere Bier bestellten.

»Ach, kleiner Simon!« sagte Jim freudig und klopfte ihm auf die Schulter, als er sich herunterbeugte um dir alten Krüge zu nehmen.

Auch wenn Jim und Billi wussten, dass Simon bereits 17 war, nannten sie ihn weiterhin Kleiner.
Sich darüber aufzuregen brachte nichts.

»Geht's euch gut Jungs?« fragte er lächelnd.

Billi nahm einen großen Schluck Bier und grinste.
»Jetzt schon!«

Schmunzelnd ging er zum Thresen zurück und wischte die Arbeitsfläche sauber, gerade, als Mike an seine Seite trat.

»Du weißt in ihren Saufköpfen bleibst du immer 12...« meinte er grinsend und klopfte ihm ebenso auf die Schulter.

»Jaja, ich weiß.«

Mit Blick auf die Uhr arbeitete er weiter.
Noch eine halbe Stunde, dachte er für sich, dann konnte er zu Rob.

Heute war der Tag an dem er endlich als offizieller Gast bei Rob klingeln und sich vorstellen durfte.
Seine Eltern waren nicht Zuhause, zum Glück, es endete sonst in endloser Fragerei.

»Mike, kann ich mich dann bei dir umziehen?« fragte er hoffnungsvoll, denn einen anderen Ort wusste er nicht.

Sein alter Freund musterte ihn eindringlich, wobei er die haarige Nase kräuselte.
»Wieso?«

Simon wusste, dass Mike ihm mehr vertraute als sonst wem, und er hörte in seiner Tonlage, dass diese Frage nicht wegen Vertrauensmangel gestellt wurde.
Mike ahnte etwas und das schien ihm nicht zu gefallen.

»Naja...weil ich meine neuen Klamotten nicht Zuhause lagern kann.« log er, doch Mike kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass was faul war.

»Nochmal, die Wahrheit?«

Seufzend legte Simon das Geschirrtuch weg und erkläre dem Kneipenbesitzer den Plan.

Mike hörte zwar aufmerksam zu, doch anhand der nachdenklichen Falte zwischen seinen Augenbrauen erkannte Simon, wie sehr ihm diese Idee nicht gefiel.

»Du bist verrückt.« sagte er schließlich, aber Simon zuckte wie ein trotziges Kind mit den Schultern.

»Ich bin verliebt.« erwiederte er bockig.

»Du bist in Gefahr!« entgegnete Mike.

»Wieso denn Gefahr? Was weißt du denn schon?«

»Simon, Robert Brosowski ist unberechenbar.« sprach er nun ruhiger weiter, aber in diesem belehrenden Tonfall, der einem signalisierte, besser auf das zu hören, was gesagt wurde.
»Du kannst nicht wissen, was er tut. Ich sage nicht, dass er dich verarscht, ich sage bloß, pass auf!«

In dieser Tonlage hatten seine Lehrer mit ihm geschimpft, bevor er die Schule verlassen hatte.
Sie sagten ihm immer wieder, wie viel Potential in ihm steckte, aber nachdem er die erste Etage der Turnhalle geflutet und darin Boot gefahren war, gaben sie auch das auf.

»Was weißt du denn schon?«

»Genug um dich zu warnen und mir Sorgen um dich zu machen!«

Simon schürzte die Lippen.
Mike war von allen Menschen immer der gewesen, der ihn wirklich wie einen Sohn behandelt hatte und ihm wirklich das Gefühl gab, gebraucht zu werden.

In jeder schlechten Lebensphase, also eigentlich die letzten 10 Jahre seines Lebens, war er für ihn da.
Vielleicht sollte er wirklich auf den alten Mann hören.

Simon fuhr sich unsicher durch die Haare.

»Ich weiß ja...aber ich liebe ihn echt. Er ist anders...ich will diese Herausforderung annehmen, ich will ihm eine Chance geben, genauso wie er mir eine gibt. Wir sind beide einsam...« gab Simon zu und sah schuldbewusst auf den Boden.

Seufzend lehnte sich Mike an den Thresen, ignorierte kurz die Rufe von Tisch 3.

»Geh dich schon umziehen« sagte er schließlich und lächelte, entblößte dabei seinen Goldzahn und die anderen Zähne, die man wegen der Farbe für welche halten könnte.

Begeistert umarmte Simon Mike und lächelte.
»Das bedeutet mir viel.«

Mike klopfte ihm herzlich auf den Rücken.
»Jetzt geh schon.«

Simon schnappte sich seine Tasche und rannte die Treppe hoch zur Wohnung von Mike, in der er sich umzog.

Theoretisch hatte Rob ihm Klamotten für drei Besuche gegeben, wenn er betrachtete, was er da anzog, dann hätte das auch locker für eine Modenschau sein können.

Egal was, es war mit Markenzeichen markiert, das wie ein Preisschild daran klebte.
Teure Sachen hatten ihm noch nie gefallen, egal ob es sich um gute oder schlechte handelte, ihm schien immer, als wolle man damit etwas kompensieren.

Oder imponieren, oder provozieren oder als müsste man jedem mit der Fähigkeit des visuellen Sehens unter die Nase reiben, dass man sich zwar Schuhe für 200 Euro leisten konnte, aber keinen Schein für den Bettler auf der Straße übrig hatte.

Dass Rob nicht so sehr darauf bedacht war, was er trug, gefiel Simon noch mehr.

Wenn er sich im Spiegel betrachtete, dann fragte er sich trotzdem, wie zur Hölle man sowas freiwillig trug, und es waren schon die "schlichteren Sachen".
Natürlich, zwei große G's tausend Mal quer über der Brust zu tragen war wahnsinnig unauffällig.

Egal, es musste sein, sonst könnte der Plan nicht funktionieren.

Er lief zur Hintertür raus, weil Mike ihn so nicht sehen sollte, oder die anderen.
Die alten Sachen würde er einfach später abholen.

Nervös machte er sich auf den Weg.
Wie es wohl werden würde?

Während er durch die Straßen lief, fielen ihm Blicke auf, die ihn noch nie getroffen hatten.
Von normalen Menschen, mit normalem Einkommen.

Es war kein Mitleid oder Besorgnis, es war Neid, Verwunderung und Begeisterung.
Er wurde auch nicht ignoriert, schon gar nicht von Leuten die ebenso teure Sachen trugen.

Blicke trafen ihn, von denen er wusste, sie bedeuteten: Dieser Typ hatte Geld.

Das erste Mal fühlte er sich tatsächlich gut, wenn er beachtet wurde.
Unbewusst hob er den Kopf, stolzierte fast schon durch die Straßen von Los Angeles, als würde ihm jeder Klumpen Dreck hier gehören.

Es war ein gutes Gefühl, er sah zum ersten Mal nicht aus, wie ein Verbrecher oder ein Straftäter, er sah aus, als hätte er etwas, um das man ihn beneiden konnte.

Und das gefiel ihm fast zu sehr.

So fühl ich mich auch immer, wenn ich neue Klamotten von H&M habe xD

Thief-The Cat Burglar || CrispyWill [Beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt