3. Von Sprachlosigkeit und Mut

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Mein Gesicht schlief bei diesen Worten ein und die Weintraube, die ich soeben runterschlucken wollte, blieb mir wortwörtlich im Hals stecken. Husten schüttelte meinen Körper und Jenny klopfte mir auf den Rücken. Irgendwann ging es wieder und die Weintraube war hinunter. Mit noch hoch rotem Kopf vom Husten warf ich Julius einen fassungslosen Blick zu. Ich dachte, mich verhört zu haben. Nach einem letzten besorgten Blick in meine Richtung wandte sich Jenny zu Julius. "Du meintest das gerade ernst, oder?", fing sie langsam an. Julius nickte stumm. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich mich erneut verschlucken würde, wenn er etwas sagt. Unwahrscheinlich ist es nicht.

Jenny hakte nach: "Wie stellst du dir das vor? Ich kenne keinen richtigen Club, der es Sechzehnjährigen erlaubt, dort zu feiern. Und wie sollen wir am Abend wieder nach Hause kommen?" Unser Gegenüber grinste nur überlegen. Anscheinend hatte er alles ausgeklügelt.

Es stellte sich heraus, dass er von seinem älteren Bruder erfahren hatte, dass ein Hotel in der Innenstadt morgen Abend eine Jugenddisco veranstalten würde. Vermutlich wegen der vielen Feriengäste aus anderen Bundesländern. Nach weiteren Besprechungen hatten wir einen kompletten Plan für diesen Samstag ausgeklügelt. Am Vormittag werden wir uns zum Baden treffen, so wie es auch geplant war. Unsere Sachen für die Disco werden wir ebenfalls mitnehmen, da wir anschließend zu Jenny fahren werden. Von ihr aus haben wir eine gute Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum besagten Hotel. Abends werden wir dann von Julius' Eltern wieder abgeholt.

Wir waren ziemlich aufgeregt und hofften, dass es so funktionieren wird wie geplant. Nun musste ich es nach der Schule nur noch meiner Mutter beibringen.

Nachdem die Schule vorbei war beeilte ich mich also, um nach Hause zu kommen. Zum Einen kribbelten meine Zehenspitzen schon den gesamten Vormittag vor freudiger Erregung wegen des heutigen Fußballtrainings meines Bruders, zum Anderen musste ich mit meiner Mutter reden. Ich schloss die Haustür auf und war erstaunt, sie schon zu Hause vorzufinden. Mit einer flüchtigen Umarmung begrüßte ich meine Mutter, anschließend ging ich hoch, um meinen Schulranzen hoch in mein Zimmer zu schaffen. Moritz schien noch in der Schule zu sein, denn seine Zimmertür stand offen und ich sah unsere Katze rücklings auf seinem Bett liegen. Mit einem Grinsen auf den Lippen öffnete ich meine Zimmertür. Schnell stellte ich den Rucksack an seinen Stammplatz und holte Brotdose und Trinkflasche heraus. Ein kurzer Blick auf mein Handy verriet mir, dass Jenny und Julius bereits mit ihren Eltern gesprochen und die Erlaubnis für Samstag bekommen haben. Außerdem geht unser Plan mit Hinfahrt und Abholung auf. Ich holte einmal tief Luft und sprach mir Mut zu. "Wird schon schief gehen," murmelte ich zu mir, als ich im Flur an Mos Zimmer vorbei lief. Die Katze hob verschlafen den Kopf und gurrte mich beinahe fragend an. Lächelnd schüttelte ich den Kopf und ging, nachdem ich sie einmal kurz gestreichelt habe, nach unten.

Meine Mutter fand ich schließlich im Trainingskeller. Seit Neustem versuchte sie es mit Yoga, doch mir war es immer noch ein Rätsel, warum sie so enorm viel Aufwand für ihren Körper betrieb, denn in meinen Augen sah er gut aus. Verlegen blieb ich in der Tür zum Sportraum stehen und schaute meiner Mutter eine Weile lang betreten zu. Trotz all meiner guten Vorsätze fehlten mir plötzlich die Worte. Die Nervosität stieg immer schneller in mir auf. Ich kaute, wütend auf mich selbst, auf der Innenseite meiner Wange. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, dass ich dieses Verhalten endlich in den Griff bekommen würde, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Während ich also verzweifelt meine Sprache suchte und auf meiner Wange herumkaute, nahm ich nicht wahr, dass meine Mutter mich bemerkt hatte. "Katharina? Ist alles in Ordnung?", riss mich ihre energischer werdende Stimme aus meinen Grübeleien. "Mh?", kam es mir nur über die Lippen und ich schaute noch immer leicht verwirrt zu ihr. Dass sie sich auch immer gleich solche Sorgen machen musste. Als meine Mutter ihre Frage wiederholte, sah sie mich etwas Vorwurfsvoll an. "Ich wollte wissen, was dir auf dem Herzen liegt und ob bei dir sonst alles in Ordnung ist," wiederholte sie schließlich. "Ähm, ja. Alles in Ordnung. Wollte nur nach dir schauen und fragen, ob ich noch irgendetwas machen soll," stammelte ich meine automatisierte Antwort. Meine Mutter zog eine Augenbraue verwundert in die Höhe, antwortete dann aber: "Nett von dir Kate, aber eigentlich muss nichts mehr gemacht werden. Sonst ist alles gut." 'Verdammt!', schoss es mir durch den Kopf. Ich nickte aber nur, weil der Moment zum Fragen verstrichen schien. Enttäuscht von mir selbst und deswegen wütend, drehte ich auf dem Absatz um und wollte nach oben gehen. Ich könnte mich selbst Ohrfeigen! Warum war ich nur so? Warum fehlten mir in den entscheidenden Momenten die Worte? Ich wusste es nicht. Doch seit ich mich erinnern kann, ist genau das mein entscheidendes Problem. 

'Du musst jetzt etwas ändern!', schoss es mir durch den Kopf. Mit einem Mal hatte ich neuen Mut und die Worte lagen plötzlich ordentlich in meinem Kopf zurecht. "Komisch," murmelte ich. "Was hast du gesagt Kate? Ist wirklich alles in Ordnung?" Meine Mutter schien mich gehört zu haben. Noch einmal atmete ich tief ein und ging die wenigen Schritte zurück zu ihr. "Eigentlich wollte ich dich noch was fragen," fing ich an. "In einer Woche sind ja Sommerferien, also muss ich nichts mehr für die Schule machen." Ihre Augenbraue wanderte langsam wieder nach oben, doch ich redete einfach weiter. Jetzt war ich so richtig in Fahrt. "Du kennst doch das große Hotel in der Stadt oder? Julius hat von seinem Bruder erfahren, dass die morgen Abend eine Jugenddisco veranstalten. Wir treffen uns morgen Mittag sowieso zum Baden und da wollte ich fragen, ob ich abends mit ihm und Jenny hingehen darf." Noch immer machte ich keine Pause beim Reden. "Wir haben das mit dem Hinbringen und Abholen auch schon geklärt. Ich werde auch vor Mitternacht wieder zu Hause sein. Ehrenwort!" Mit diesen Worten beendete ich meine Ansprache und sah meine Mutter hoffnungsvoll an.

 Ehrenwort!" Mit diesen Worten beendete ich meine Ansprache und sah meine Mutter hoffnungsvoll an

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