Die Augenbraue meiner Mutter wanderte wieder nach unten und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Wer wird euch denn morgen Abend aus der Stadt abholen? Und sind es nur Jenny und Julius, mit denen du gehst?", fragte sie mich. Ich musste grinsen und erzählte ihr von unserem Plan. Sie nickte oft und sagte dann nach kurzem Überlegen: "Von mir aus kannst du morgen Abend mit deinen Freunden weg gehen. Aber du rufst sofort an, wenn irgendetwas ist oder falls ich dich doch abholen soll." "Ja, das mache ich. Versprochen!", versicherte ich meiner Mutter freudestrahlend und umarmte sie kurz. Mein Glück immer noch kaum fassend, ging ich wieder hoch in mein Zimmer und wartete auf Mo, schließlich wollte er mich später noch zum Fußballtraining mitnehmen.
Gegen halb fünf saßen Mo und ich auf unseren Rädern und fuhren zum Sportplatz. Ich hatte meine Sportsachen angezogen, um nicht allzu sehr aufzufallen, auch wenn ich nur an der Seite sitzen würde. Außerdem hatte ich mir neben einer Wasserflasche auch ein Buch und eine Decke eingepackt. Man weiß ja schließlich nie. Ich habe meinem Bruder schon lange nicht mehr beim Training zugeschaut. Beim letzten Mal war ich neun oder zehn Jahre alt. Schon in diesem Alter fand ich Fußball toll. Nur leider war ich damals noch schüchterner und ängstlicher und saß deswegen immer nur an der Seite und schaute zu. Von dem heutigen Training erwartete ich ehrlich gesagt nicht viel mehr. Die Jungen in der Mannschaft waren alle ungefähr in seinem Alter, also zwischen 17 und 19. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie keine Fünfzehnjährige beim Training dabei haben wollen.
Bei all meinen Grübeleien stellte ich erst ziemlich spät fest, dass wir am Sportplatz angekommen sind. Moritz warf mir einen prüfenden Blick zu, als wir unsere Räder neben den vielen Anderen anschlossen. "Bereit Schwesterchen?", fragte er mich, als wir auf den Eingang zuliefen. Ich lächelte ihn beruhigend an und nickte nur.
Während Mo direkt zu seiner Mannschaft lief, schaute ich mich kurz um. Es gab nicht allzu viele Sitzplätze am Rand, lediglich vier kleine Tribünen mit je drei Sitzreihen. Also entschied ich mich für einen Platz im Schatten eines Baumes neben dem Sportplatz. Von dort aus konnte ich den ganzen Sportplatz überblicken. Ich ließ meine Tasche auf den Sitz neben mir fallen und schaute hinüber zu den Fußballern. Die Mannschaft meines Bruders bestand nur aus Jungen und jeder einzelne von ihnen war um ein Vielfaches größer als ich. Meine Augen suchten die Gruppe ab und schließlich fand ich Moritz. Er begrüßte gerade einen Anderen mit einem Handschlag. Mir entwich ein kleiner Seufzer. Wie gern ich doch auch solche Freunde hätte. Ein Team, auf das man sich verlassen kann. Eigentlich darf ich mich nicht beschweren, schließlich habe ich Jenny als beste Freundin und auch Julius würde ich als besten Freund bezeichnen. Doch sie sind trotzdem nicht wie Familie und auch nicht in jeder Situation für mich da. Wenn es hart auf hart kommt, würde doch jeder von uns zuerst seinen eigenen Arsch retten. Ich bin da auch nicht besser.
Mein Blick fiel wieder auf meinen Bruder. Er schien auf der Suche nach etwas zu sein. Irgendwann sah er mich. Nachdem er etwas seiner Mannschaft zu gerufen hatte, joggte er auf mich zu. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht kam er die letzten Meter auf mich zugelaufen. "Kate? Warum willst du denn nicht mit zur Mannschaft kommen und Hallo sagen?", fragte er mich noch immer grinsend. "Ich wollte nicht aufdringlich sein," meinte ich verlegen. Ehe ich mich versah, schulterte Mo meine Sporttasche, griff meine Hände und zog mich auf die Füße. "Bist du nie. Los komm mit," konterte er und lief los auf die andere Seite des Fußballfeldes. "Deine Sportsachen hast du ja auch schon an, also kannst du genauso gut mitmachen!", rief er mir noch über die Schulter zu. Perplex blieb ich kurz stehen. Mein Bruder schien es ernst zu meinen.
Bei der Mannschaft angekommen, begrüßten mich alle. Anscheinend konnten sie sich doch noch an mich erinnern. Sie schienen auch kein Problem damit zu haben, dass ich heute mitmachen werde. Alle grinsten mich an und schließlich meldete sich der Trainer zu Wort. "So Jungs! Und Mädels! Da unser Altersdurchschnitt etwas gesunken ist, schlage ich eine etwas andere Erwärmung vor! Fünfzehn Minuten Fangspiel! Wer gefangen wurde, ist der neue Fänger! Basti ist der erste Fänger! Und los!" schon ertönte die Trillerpfeife und wir alle rannten über den Sportplatz. Noch ehe mein Hirn verarbeitet hatte, was gerade passiert war, reagierte mein Körper von selbst. Ich rannte nun mit zwanzig mehr oder weniger Erwachsenen über den Sportplatz und spielte Fangen. Na hoffentlich sehen das nicht so viele, dachte ich mir.
Nach den fünfzehn Minuten Erwärmung, ging es weiter mit Dribbeln üben und später Laufkoordination. Es machte mir Spaß, obwohl ich dachte, dass ich nicht wirklich gut darin war. Auf diese Übungen folgten noch einige Übungsspiele, bei denen der Trainer sehr darauf achtete, dass das eben Geübte auch umgesetzt wurde.
Kaputt vom Training und der Hitze, die trotz der Abenddämmerung drückend über der Stadt hing, ließ ich mich auf den Rasen vor den Tribünen fallen. So ausgepowert und gleichzeitig glücklich war ich schon lange nicht mehr. Schon bald bekam ich Gesellschaft auf dem Rasen, denn auch die anderen Fußballer ließen sich, geschafft vom Training, einfach nach unten sinken. Mo und sein bester Kumpel setzten sich neben mich und mein Bruder reichte mir seine Wasserflasche. Dankend sah ich ihn an und stillte meinen Durst. Danach gab ich ihm die Wasserflasche zurück. "Hat echt Spaß gemacht," sagte ich ihm kurz angebunden und konnte nicht anders als zu lächeln. Er lächelte ebenfalls. "Das freut mich. War schließlich auch mein Ziel." "Und ich muss sagen Kleines, du scheinst Potenzial zu haben," wandte sich Moritz Kumpel an mich. Bei diesen Worten schoss mir das Blut ins Gesicht, was man mir hoffentlich wegen der Anstrengung beim Training nicht ansah. "Das sagst du doch nur, weil ich die kleine Schwester deines besten Kumpels bin," murmelte ich und sah nach unten. Schon spürte ich den unsanften Stoß von Mos Ellbogen in meiner Rippe. Ich funkelte ihn böse und verständnislos an, doch sein Kumpel sprang für ihn ein: "So schlecht hast du ehrlich gesagt gar nicht gespielt. Klar kann man nicht viel erwarten, so ganz ohne Training, aber das Talent scheint in eurer Familie zu liegen."
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Ein Sommer voller Überraschungen | DWK
Fiksi PenggemarKate träumte schon immer vom Fußballspielen. Ihre Schüchternheit und kaum vorhandenes Selbstbewusstsein standen ihr aber immer im Weg, ihren Traum tatsächlich zu leben. In diesem Sommer jedoch schien ihr Leben eine Kehrtwende der feinsten Art zu vol...