Tag in der Bibliothek

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Als ich am nächsten Morgen den Speisesaal betrete werde ich sofort stürmisch in die Arme geschlossen.
"Alfred ist alles in Ordnung? Ich habe dich den ganzen Abend nicht mehr gesehen und mir Sorgen gemacht." fragt mich Lisa besorgt als sie mich von oben bis unten mustert, um sicher zu gehen, dass ich keine Verletzungen habe.
"Alles gut Lisa. Mir war nur nicht so gut und Herbert und sein Vater haben mir Bettruhe verordnet. Ich fühle mich aber schon viel besser, wirklich." versichere ich ihr lächelnd. Den Grund warum es mir nicht gut geht sage ich ihr besser erst, wenn ich selber weiß was los ist. Sonst macht sie sich nur noch mehr Sorgen.
"Komm, du solltest etwas essen. Du bist eh schon zu dünn, mein kleiner Hungerhaken."
zieht sie mich nun deutlich entspannter auf und führt mich zu den anderen, welche tief in ihren Gesprächen und Essen vertieft sind.

"So meine Lieben, ihr werdet heute in Gruppen Arbeit mithilfe der Bücher aus der Bibliothek einen Aufsatz über die Schriften eines bestimmten Autors verfassen. Ihr habt bis morgen Mittag dazu Zeit." ertönt die Stimme des Professors, welche das darauf folgende Gestöhne der Studenten geflissentlich überhört und anfängt uns erst unsere Gruppen und Autoren zuzuordnen und dann einen Vortrag über die Wichtigkeit eben jener und derer Schriften zu halten. Ich seufze.
Das kann noch eine Weile dauern.

Es dauerte eine Stunde, in der nur er seinen Enthusiasmus empfand, während andere entweder schliefen, an ihren Handys spielten oder Tic Tac Toe spielten.
***

"Wenigstens ist es Edgar Allen Poe und nicht Aristoteles." seufzt Bard als wir von der Speisehalle entlassen werden, woraufhin Lisa, James und ich nur zustimmend Nicken können. Der Vortrag war die reinste Tortur.
Wie oft hat er ihn jetzt gehalten? 36 mal?
Frage ich mich als wir auch schon die Bibliothek erreichen, wo auch schon die anderen eher weniger motiviert die Regale durchstöbern.
Aber in einem waren sich alle einig: Besser als Vampire jagen!

Ich begebe mich zu einem der Regale, wo ich meine gestern Bücher von Poe gesehen zu haben. Nach einigen Minuten des Suchens finde ich sie auch, jedoch zu weit oben als dass ich dran kommen könnte. Die Leitern waren schon in Nutzung, also musste ich wohl warten.
„Hast du sie gefunden?" fragen mich die anderen und nicke.
„Sie sind dort oben. Wir müssen wohl warten bis eine der Leitern frei ist." erkläre ich, als sie bei mir ankommen. Nachdenklich schauen Bard und James nach oben.
„Alfred wie schwer wiegst du?" fragt mich Bard auf einmal. „Um die 70 Kilo. Warum fragst du?" frage ich verwirrt, doch gefragter schaut nur James an und sie nicken.
„Ich nehm dich auf die Schultern. Lisa nimmt die Bücher entgegen und James stützt mich. Dann brauchen wir nicht auf eine Leiter warten." Erklärt Bard seinen Einfall.
Ich schlucke und schau nach oben und dann wieder Bard an. Es war schon ein ganzes Stück hoch. Ich schüttle den Kopf.
„Ich kann das nicht, ich.." „Doch du kannst das. Fass etwas Mut, zumal es auch eine gute Übung ist um deine Angst zu überwinden und James und ich sind ja auch noch da. Dir passiert nichts." spricht Lisa mir Mut zu und schupst mich Richtung Bard. Ich schlucke nochmal. Sie hatte ja recht.
Zitternd kletter ich auf die Schultern des vor mir knienden Bard und Klammer mich krampfhaft an seine Hände als er sich aufrichtet.
„Alles gute du Hasenfuß, ich hab dich." versichert er mir, doch es hilft mir nicht im geringsten. Ich versuche ruhig zu atmen und beginne zögerlich und langsam Lisa die Bücher runter zu reichen.
Eine gefühlte Ewigkeit später, war es auch vorbei und alle Bücher unten.
„Siehst du du hast es doch geschafft." meint James lachend und klopft mir aufmunternd auf den Rücken, was mich nur gezwungen lächeln lässt.

Viele waren schon in ihre Zimmer gegangen um an ihrem Aufsatz zu arbeiten, doch wir haben die Sitzgruppe vor dem Kamin bevorzugt. Wir durchblättern Geschichte um Geschichte, Gedicht um Gedicht, Buch für Buch und schreiben uns Notizen.
Als ich meine durch das lange sitzen verspannten Muskeln strecke fällt mir auf, dass es schon dunkel geworden ist.
Ob der Graf und Herbert wohl schon wach sind?
Frage ich mich als auch schon eine hoch gewachsene, schwarz gekleidete Gestalt eintritt und uns eine bekannte dunkle Stimme anspricht.

„Guten Abend die Herrschaften. Haben Sie den Tag gut verbracht?"

Liebe über den Tod hinausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt