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" Wie geht's dir? ", fragte ich Taylor am Sonntagabend. Ich hatte sie angerufen.
" Ganz gut. Es könnte besser sein. Wenn da die Übelkeit und die Kopfschmerzen nicht wären. Wie war die Party gestern?" Stimmt ja. Sie wusste nicht, dass ich nicht dort war.
" Pete meint, sie war toll. Keine Ahnung. Ich war nicht da. Mir ging es dann auch nicht mehr so gut ", log ich. Naja, also eigentlich ging es mir wirklich nicht gut.
" Oh schade ", sagte sie. In ihrer Stimme war sehr viel Mitleid. Am Wochenende habe ich mich in meinem Zimmer verkrochen. Ich habe nur so wenig wie möglich mit Mom und Pete geredet. Auch Jay's Anrufe habe ich vollkommen ignoriert. Es tat mir leid. Ich wollte zwar nicht gestört werden, aber ich wollte mich auch nicht komplett abschirmen. Ich weiß. Das klingt kompliziert. Aber ich kann es nicht anders erklären.
Selbst als Dad's wöchentlicher Anruf kam, ging ich nicht aus dem Zimmer und sprach nicht mit ihm.
Aber dann wurde mir klar, dass ich nicht so weiter machen konnte, bis die Sache geklärt war. Also rief ich Taylor an.
Nach einem langen Schweigen fragte Taylor " Wie geht es Pete denn? Hatte er Spaß? " Das hatte mich nicht überrascht. Schon vor etwa einem halben Jahr bemerkte ich, dass Taylor etwas mehr für Pete empfand. Aber ich habe sie nie darauf angesprochen.
" Ihm geht's gut. Hatte gestern Kopfschmerzen, aber sonst ist alles gut. Er hatte wohl viel Spaß." Ich hörte ein "Hmm" vom anderen Ende der Leitung. Dann wieder Schweigen.
" Ich muss Jay anrufen. Er macht sich sicher Sorgen. Wir sehen uns dann morgen. "
"Ok." Taylor legte auf. Wir beide waren keine Leute die viel und gerne telefonierte. Deshalb bestand das meiste Telefongespräch aus Schweigen.
Eigentlich wollte ich Jay nicht anrufen. Ich tat es auch nicht. Ich wollte morgen mit ihm reden und ihm alles erklären. Okay, vielleicht nicht alles.
" Hey Liv! Würdest du vielleicht runterkommen, um zu beweisen, dass du noch lebst? " Das war Mom. Sie war gerade zurück. War es wirklich schon acht Uhr abends? Waren es nicht erst ein paar Minuten her, dass ich aufgewacht bin?
Widerwillig ging ich runter. Ich trug noch immer meinen Schlafanzug.
Mom saß mit dem Rücken zu mir. Als sie meine Schritte hörte, drehte sie sich um.
" Sag mir bitte, was mit dir los ist ", fragte sie.
" Was meinst du? "
" Du hast dich das ganze Wochenende in dein Zimmer verzogen. Du hast weder mit mir, oder Pete, noch mit deinem Vater geredet. Und ich kenne dich. Das ist gar nicht deine Art. Ist es, weil du nicht auf der Party warst? "
" Nein, nicht deswegen", meinte ich und schaute verwegen weg.
" Was ist es dann? ", drängte sie.
" Mir geht's einfach nicht gut. Ich weiß nicht, was es ist. Es ist einfach so. " Ich wusste nicht, wie ich es erklären sollte ohne etwas zu verraten. Und dann auch noch bei meiner Mutter. Meine Mutter war wie ein menschlicher Lügendetektor. Deshalb erwartete ich ihre Antwort " Das stimmt nicht. Das wissen wir beide. Also tu uns doch beiden einen Gefallen und sag einfach, was mit dir los ist. " Sie stemmte ihr rechte Hand in ihre Hüfte und setzte einen strengen Blick auf.
" Ich kann nicht, okay! Ich kann es dir nicht sagen! Ich kann es niemandem sagen! ", schrie ich und Tränen liefen mir die Wangen runter. Tränen der Verzweiflung.
" Warum denn nicht? "
" Es geht einfach nicht! Ich kann nichts sagen! Nichts! Niemandem! Verstanden? " Mom seufzte. Sie war enttäuscht und das tat mir leid. Ich wollte sie nicht so sehen. So sauer und enttäuscht. Ich konnte sie nicht so sehen. Ich war kurz davor ihr alles zu erzählen, doch dann kam wieder dieses Gefühl, dass ich beobachtet werde. Von ihnen. Wieder spürte ich ihre Blicke im Nacken. Ich hätte niemals aus dem Zimmer gehen sollen.

SchweigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt