Nils zog sich in die Schatten zurück, um sich zu verstecken, und wartete. Allmählich wurde ihm doch etwas kalt, so ohne Jacke. Er wollte schon nach Ed Ausschau halten, als ein Motorengeräusch näher kam. Kurz darauf bog ein VW Transporter mit der Aufschrift »Baustoffhandel Behrends« in den Hof. Das »Ba« von Baustoffhandel und das »Be« von Behrends waren größer als der Rest geschrieben und in Fettdruck. Daneben war eine großbusige Blondine mit Latzhosen und Sturzhelm abgebildet. Nils schüttelte den Kopf.
Marketing on point. Wer hat sich denn das ausgedacht?
Die Beifahrertür wurde von innen aufgestoßen und der Vampir zischte ihm zu: »Rein hier! Worauf wartest du?«
Er schwang sich auf den Beifahrersitz und schloss die Tür. Ed wendete den Wagen und fragte ihn: »Weißt du, wo wir hier sind? Und kennst du den Weg zu deinem Kumpel?«
Er nickte.
»Prima, das vereinfacht die Sache. Dann sag an.«
Nachdem sie eine Weile gefahren waren, murrte Nils: »Wir sehen aus wie ein Nutten-Lieferservice mit diesem Firmenschild.«
»Du darfst gern das nächste Auto klauen. Dann erwarte ich aber mindestens einen Rolls-Royce! Hast du keine anderen Sorgen?«, bügelte Ed sein Gemecker ab.
»Ich meine ja nur!«, brummte Nils beleidigt. Er dirigierte den Vampir weiter zu ihrem Ziel.
»Da vorne! Das Haus auf der linken Seite, das ist es!«
Ed stellte den Wagen ab und sie stiegen aus.
»Wir müssen zum Hintereingang. Simon hat mit seinem Bruder eine Einliegerwohnung im Haus seiner Eltern mit einem eigenen Eingang.«
Er ging vor und klingelte kurz. Nichts geschah.
»Bist du sicher, dass er da ist?«
»Ja, der hat nur einen gesunden Schlaf«, antwortete Nils und verlegte sich auf Dauerklingeln. Nach einer Minute wurde das Licht hinter der Tür eingeschaltet und man hörte von drinnen eine wütende Stimme: »Ist ja gut! Ich komme ja schon! Simon, wenn du wieder den Schlüssel vergessen hast, ich schwöre dir ...«
Ruckartig wurde die Tür geöffnet. Benny stand in Boxershorts und mit verstrubbelten Haaren vor ihnen. Er musterte überrascht seine nächtlichen Besucher.
»Nils? Wo kommst du denn her?«, hauchte er perplex.
»Dürfen wir reinkommen? Es ist kalt hier draußen.«
»Was? Äh, ja, klar, kommt rein. Du kennst dich ja hier aus.«
Benny räumte eine halbvolle Chipstüte und einige Controller von der Couch und sagte: »Setzt Euch!«
Er fixierte Ed auffällig und Nils wollte zu einer Erklärung ansetzen, als der Vampir vorpreschte.
»Hi, wir kennen uns nicht. Ich bin Mirco, ein Freund von Nils und habe ihn hergefahren.«
»Ja, freut mich. Ich bin Benny. Was bringt Euch hierher?«
»Benny, wir waren bei mir zuhause. Es war alles dunkel und die Tür ist von der Polizei versiegelt. Was ist da los? Wo sind meine Eltern? Hast du eine Ahnung?«, fragte Nils verzweifelt.
»Du weißt es nicht?«, gab Benny verblüfft zurück und überlegte kurz, »Ich weiß nicht recht, wie ich dir das jetzt erklären soll ... Warte mal einen Moment hier, ich hole nur was.«
Nach einigen Minuten kam er wieder zurück und legte einen zusammengefalteten Zeitungsausschnitt auf den Tisch.
»Es tut mir leid, Nils. Ich lass Euch mal kurz alleine und rufe Simon an. Der ist bestimmt schon unterwegs. Sein Stammclub schließt ja bald. Lies dir das durch.« Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck deutete Benny auf den Ausschnitt und ging vor die Tür. Verwirrt griff Nils nach dem Stück Papier und faltete es auseinander. Als er die Schlagzeile las, zog er die Luft scharf ein.
»BLUTBAD IN LÖVENICH! Kölner Ehepaar ermordet!
In den späten Abendstunden wurde die Polizei von Anwohnern alarmiert, die Schreie aus dem Haus von Robert B. (42) und seiner Ehefrau Elvira B. (38) gehört hatten. Den Beamten bot sich ein Bild des Schreckens. Das Ehepaar war brutal mit mehreren Messerstichen niedergestochen worden. Die Leichen wurden zur Obduktion abtransportiert. Die zuständige Staatsanwaltschaft geht von Mord aus. Die Ermittlungen dauern noch an.«
Nils ließ den Ausschnitt sinken. Tränen liefen seine Wangen hinunter.
»Sie sind tot«, flüsterte er erstickt, »Ich kann es nicht glauben.«
Ed legte eine Hand auf seine Schulter und drückte ihn stumm.
»Was ist passiert? Warum ist es passiert?«, entfuhr es Nils.
»Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden.«
»Die haben mich entführt und meine Eltern umgebracht. Wieso?«, fragte er tränenüberströmt.
»Das werden wir herausfinden, ganz sicher.«
Nils sah ihn an, nickte kurz und warf sich dann hemmungslos schluchzend Ed an den Hals. Der Vampir strich ihm beruhigend über den Rücken.
»Wo bleibt denn dein Freund? Der hatte doch nur vor, seinen Bruder anrufen?«
»Wahrscheinlich wollte er uns einen Moment geben und nicht stören. Ich hole ihn mal.«
Kurz darauf kam er wieder zurück.
»Draußen ist keiner. Ich verstehe das nicht«, sagte er verwirrt und schaute Ed an.
»Das gefällt mir nicht. Lass uns rausgehen und nach ihm sehen.«
Nils griff sich schnell den Zeitungsausschnitt und folgte dem nervös wartenden Edward.
Kaum hatten sie das Haus verlassen, da hörten sie sich nähernde Martinshörner und sahen das Flackern von Blaulichtern.
»Dein Freund hat dich bei der Polizei verpfiffen! Weg hier!«
Ohne weitere Umschweife warf sich Ed wieder Nils über die Schulter und raste los, quer durch Gärten, Wiesen und Grundstücke.
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Gejagt!
FantasyStell dir vor, du schläfst ein und erwachst woanders... Der 17jährige Nils wacht alleine gefangen in einem verdreckten Raum auf. Er hat keine Ahnung, wie er dort hingekommen ist. Ihm gelingt die Flucht, doch schon bald wird er verfolgt. Selbst die P...