Kapitel 23

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Rico versuchte vergeblich, sich panisch zu befreien. Nils packte einen der Arme, die das Wesen um ihn geschlungen hatte, aber ebenso hätte er versuchen können, einen Stahlträger zu verbiegen. Der junge Werwolf wehrte sich und zappelte hin und her. Sein Gegner ließ eine Hand nach oben gleiten und packte ihn am Hals. Der andere Arm verschwand blitzschnell nach hinten und die zweite Hand umfasste fest Ricos Genick. In diesem Griff gefangen stellte Rico seine Gegenwehr ein.

»Lass ihn los! Ihr wollt doch nur mich!«, schrie Nils und versuchte, den Würgegriff vom Hals zu lösen.

Das Wesen wandte ihm sein Nicht-Gesicht zu. Schlieren waberten über diesen Bereich, die sich langsam zu etwas Erkennbarem zusammenfügten. Entsetzt schaute Nils in die verzerrte Fratze des Anzugträgers. Es war kein echtes Gesicht, sondern wirkte mehr wie die Projektion eines Bildes auf dieser Fläche.

»Nils Bender. Ich warte schon lange darauf, mit dir reden.«

»Was willst du?«

»Ich werde dir bei deiner Entwicklung helfen.«

»Warum lässt du mich nicht in Ruhe?«

»Das ist keine Option. Es steht zu viel auf dem Spiel.«

Rico versuchte, sich zu verwandeln, aber die Hände um seinen Hals drückten nur fester zu. Erst als er erneut komplett in seiner Menschengestalt war, ließ der Druck nach und er konnte wieder atmen.

»Das wird dir nichts nutzen, kleiner Wolf. Ich kann dich jederzeit erwürgen oder das Genick brechen. Möchtest du das?«

»Tu ihm nichts. Was verlangst du?«

»Komm freiwillig zu mir. Dorthin, von wo du geflohen bist. Dann wird niemand verletzt. Du hast drei Tage Zeit.«

»Und wenn nicht?«

»Du hast gesehen, dass wir dich überall finden. Deine Freunde können dir nicht helfen. Falls du nicht kooperierst, werden wir dich mit Gewalt holen und jeden beiseiteschaffen, der im Weg steht. Kommst du freiwillig, wird niemand verletzt.«

Das Gesicht wurde wieder zu Schlieren und verschwand. Der Gesichtslose löste sich auf und verwehte im Wind wie Nebelschwaden. In Sekunden deutete nichts mehr darauf hin, dass er überhaupt dagewesen war.

»Bist du in Ordnung?«

Rico rieb sich den Hals und atmete hektisch, aber nickte. Er setzte sich auf den Rand eines großen Pflanztopfes.

»Das war also derjenige, der hinter dir her ist. Ich bin fix und fertig, ich dachte, dieses Ding bringt mich um. Danke Nils, dass du mir geholfen hast.«

»Dank wofür? Wäre ich nicht gewesen, wäre nichts passiert.«

»Nathan hat dir gestern schon gesagt, dass du so nicht denken darfst. Das ist Bullshit.«

Nils war froh, dass Rico es so betrachtete, aber fühlte sich dennoch schuldig.

»Ich frage mich nur, warum er dich nicht direkt entführt hat, nachdem er uns hier alleine ohne den Schutz des Rudels überrascht hat. Ich wäre ja nicht wirklich ein Hindernis gewesen.«

»Vielleicht ist es für ihn einfacher, wenn ich freiwillig zu ihm komme und bei dem mitmache, was er auch immer geplant hat. Ich weiß es nicht.«

Rico griff sich an die Schläfe und war kurz abgelenkt, dann wandte er sich wieder an Nils: »Die Kavallerie rückt an. Nathan kommt gleich.«

»Woher weiß der denn, was passiert ist?«

»Die Mateverbindung. Er hat meine Panik und meine Schmerzen gefühlt und ist direkt losgerast. Ich habe ihm zwar jetzt mitgeteilt, dass alles in Ordnung ist, aber das hält ihn nicht auf.«

Gejagt!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt