Sie verließen das Haus und waren kaum ein paar Meter gegangen, als ein Wolfswelpe aus dem Wald auf sie zu rannte. Sein Fell auf dem Rücken war schwarz, wurde auf der Brust und am Bauch immer heller und endete in weißen Pfoten. Er setzte sich vor sie hin und winselte leise.
»Hast du Hunger, Leon?«
Ein bestätigendes Schniefen kam von dem Welpen.
»Mappi geht zu Aaron, aber Dad ist da und macht dir was zu Essen. Geh schön rein.«
Gehorsam sprang der Kleine auf und rannte zum Haus.
»Das war Leon?«, staunte Nils und blickte dem Welpen hinterher.
»Ja. Er ist gleich nach dem Frühstück verschwunden und hat seitdem mit den anderen Kindern im Wald herumgetobt. Da hat er jetzt natürlich Hunger.«
Sie liefen an ein paar Häusern und Blockhütten vorbei, die sich Nils zum ersten Mal bei Tageslicht betrachten konnte. Die Bauten wirkten eher wie ein Bestandteil des Waldes, nicht wie unpassende Fremdkörper. Verschiedene Rudelmitglieder liefen ihnen über den Weg, die sie freundlich grüßten. Mit einigen davon hielt Rico ein kurzes Schwätzchen, dann setzten sie ihren Weg fort.
»Die Leute sind so jung hier. Gibt's keine alten Wölfe?«, wunderte sich Nils.
»Normal schon, aber wir sind da eine Ausnahme. In Nathans Ursprungsrudel in Polen gab es alle Altersklassen. Leider auch immer mehr Spannungen und Streitereien. Die alten Wölfe da waren sehr ... konservativ und wollten keine Änderungen. Sein Vater, der dortige Alpha, war da ganz schlimm, besonders nachdem er das mit Nathan und mir herausfand. Und die jüngere Generation forderte eben den Bruch mit alten Traditionen und ihre Freiheiten. In der Rudelversammlung kam es zum großen Streit und sein Vater hat ihn aus dem Rudel geworfen und gesagt, dass alle ›Unruhestifter‹ sich ihm gern anschließen können. Das haben dann auch hauptsächlich die jungen Wölfe gemacht.«
Nils schwieg nachdenklich. Das Korsett aus strengen Regeln und rigiden Moralvorstellungen konnte er sich gut vorstellen. Seine Eltern waren auch sehr religiös gewesen und hatten ihm jede Menge vorgeschrieben. Sie hatten ihn geliebt, ohne Frage, aber wichtiger war, was Gott oder eher noch »die Leute« von ihnen hielten. Nils hatte öfter das Gefühl gehabt, dass ihm die Luft zum Atmen fehlte, daher konnte er nachvollziehen, dass die jungen Wölfe gegangen waren.
Rico blieb vor einem Haus stehen und riss ihn aus seinen Erinnerungen.
»So, da sind wir.«
Nils schaute sich ihr Ziel näher an. Es unterschied sich nicht wesentlich von den anderen Häusern hier. In der Tür war ein Äskulapstab eingebrannt, der einzige Hinweis, dass hier der Rudelarzt wohnte.
Rico klopfte und öffnete schwungvoll die Tür.
»Hallo Viktoria!«
Die Frau sah von ihrem Computer auf und lächelte freundlich.
»Hallo Luna. Dann bist du sicher Nils, der Grund warum mein Mann die halbe Nacht im Labor verbracht und mich vernachlässigt hat.«
»Ja, ähm, das bin ich dann wohl«, sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
»Ihr müsst einen Moment warten, es ist noch jemand drin. Wollt ihr einen Kaffee?«
»Für mich nicht, ich hatte ein spätes Frühstück, danke.«
Auch Nils lehnte dankend ab. Viktoria betrachtete Ricos Bauch und meinte: »Na, bald hast du es ja hinter dir.«
»Ja, kann es kaum erwarten. Meine Füße schwellen ständig an und ich fühle mich wie ein gestrandeter Wal mit dem Bauch.«
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Gejagt!
FantasyStell dir vor, du schläfst ein und erwachst woanders... Der 17jährige Nils wacht alleine gefangen in einem verdreckten Raum auf. Er hat keine Ahnung, wie er dort hingekommen ist. Ihm gelingt die Flucht, doch schon bald wird er verfolgt. Selbst die P...