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Nachdem er jeden einzelnen Spiegel in diesem Haus zugehängt hatte, als wäre gerade jemand gestorben, fühlte er neben der unbändigen Wut noch etwas anderes. Es fühlte sich fast an wie Rache, aber wen wollte er schon rächen? Sich selbst? Tatsächlich wollte er das irgendwie. Er wollte den Menschen zeigen, wen sie hinter der Krankheit vergessen hatten. Das war der erste Abend, an dem er einfach alles, was er finden konnte in sich hineinfraß. Er zählte nicht, nichts von alledem. So wichtig konnte das ganze gar nicht sein. Das würden sie schon sehen. Diese Krankheit bestimmte ihn nicht! Wie lange hatte er das alles schon nicht mehr gegessen? Viel zu lange. Ihm war nur eine bestimmte Menge an Insulin täglich erlaubt, Produkte mit vielen Kohlehydraten waren ihm also so gut wie verboten, aber all das interessierte den Jungen nicht mehr. Er lachte, vollkommen außer sich, er verlor sein Zeitgefühl und aß, über seinen Hunger hinaus. Er konnte sich nicht mehr stoppen und er fühlte sich auch nicht so, als müsste er das.

Er würde es wie ein Hoch-Gefühl beschreiben.

Und zum ersten Mal dachte er nicht mehr an den Diabetes.

Er dachte an gar nichts.

Und weil er an nichts dachte, ging er tief in der Nacht ins Bett, ohne auch nur einen Gedanken an seinen Blutzuckerwert zu verschwenden.

Ohne, dass seine Mutter etwas davon mitbekam, kaufte sich der Junge seine eigene Nahrung. Er verbrachte fast jede Nacht damit, alles zu essen, was er finden konnte. All die Kontrolle, er hatte es einfach satt.

DiabulimiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt