Kapitel 11

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RM stand ganz vorn und er war es, der einen ersten vorsichtigen Blick um die Ecke wagte. Sofort wich er allerdings zurück und drückte sich wieder gegen die Häuserfassade.

Alle Blicke waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet und als sein Gesicht ein wenig ausweglos verzog und leise mit der Zunge schnalzte, ahnten wir alle nichts Gutes. Er warf Suga einen Blick zu und schüttelte nur den Kopf. Dieser drückte sich sofort nah an den anderen vorbei, um sich vorne neben RM stellen zu können und selbst einen Blick zu riskieren.

Ich zuckte vor Schreck zusammen, als der Motor völlig unerwartet erneut aufheulte. Abermals hörte ich Frauen lachen und einige Wortfetzen drangen zu uns hinüber, die ich allerdings nicht verstehen konnte. Da Suga seine Position verlassen hatte, stand ich nun neben Taehyung, der sich gleich bei mir einhakte und meinen Arm festhielt.

Suga sah sich um und als etwas seine Augen eingefangen hatte, folgte ich seinem Blick.

Er hatte die Metro Rail Station entdeckt, die sich vielleicht dreißig Meter vor uns befand und in den Untergrund führte und ich wusste sofort was ihm durch den Kopf ging. Dort unten in den U-Bahn Tunneln, wäre es vielleicht sicherer, als sich hier oben auf den turbulenten Straßen aufzuhalten. Natürlich konnte man da nie ganz ohne Zweifel sein aber einen Versuch war es wert. Wenn wir nun zurückgehen würden, würden wir vielleicht den NFFA Typen in die Arme laufen. 

Suga drehte sich zu uns um und deutete mit seiner Hand in Richtung des Metro Rail Tunnels und wir alle nickten stumm. Sodann hielt er seine Hand hoch, um uns zu zeigen, dass wir warten sollten. Zeitgleich checkte er noch einmal die Lage ab und lugte vorsichtig um die Ecke. 

Ich war so angespannt. Sollten wir nun auf ein Zeichen warten und dann losrennen? Oder würden wir einzeln gehen? Das ging mir einfach alles zu schnell und ich fühlte mich vollkommen überfordert.

Doch in genau dem Moment heulte der Motor auf und ein schwarzer Hummer raste vor uns auf der Straße vorbei. Am Steuer saß eine Frau mit einer rosafarbenen Hasenmaske. Sie gröhlte laut und im Hintergrund hörte man andere Frauen in ihren Jubel mit einstimmen. 

Ich konnte plötzlich Schüsse von Maschinengewehren hören, die dem Klang nach nicht nur von einer Waffe in die Luft abgefeuert wurden. Sie waren also irgendwie an Waffen gekommen. Diese Tatsache machte sie noch gefährlicher.

Sofort war mir klar, dass ich dieses Auto schon einmal gesehen hatte. Es musste sich hier um die Gruppe der vier Frauen handeln, die uns früher an diesem Abend schon einmal unwissentlich den Weg versperrt hatte und die uns noch einmal begegnet waren, als wir aus der Seitengasse den beiden Kerlen entkommen waren. Gott, ich dachte man sieht sich immer nur zweimal im Leben.

Zu den jubelnden Frauenstimmen mischte sich jedoch auch noch etwas anderes. Ich konnte Männer schreien hören. Kläglich und voller Schmerz. Und als der Hummer an uns vorbeiraste, erkannte ich auch die Ursache dieser furchtbaren Geräusche. 

Hinten an dem Hummer befanden sich drei lange schwere Eisenketten. Und an den Enden waren drei Männer angekettet. Sie trugen die Ketten um ihren Oberkörper und wurden erbarmungslos hinter dem Auto über die Straße geschleift.

Ich konnte im Vorbeifahren und auch noch als sie die Straße entlangfuhr erkennen, wie die Männer immer wieder auf dem Boden aufschlugen, hochgerissen wurden, sich komplett in den Ketten verdrehten und gegeneinander prallten. 

Mit weit aufgerissenen Augen sah ich dem Wagen hinterher. Dieses Schauspiel würde sich in meine Seele brennen und, wenn ich diese Nacht überleben sollte, würde ich sicher genau hiervon noch monatelang, wenn nicht sogar mein Leben lang, Alpträume haben.

Die Frau fuhr mit Vollgas die komplette Straße hinauf, drehte dann vorsichtig, um die Körper nicht zu überfahren und schliff die Männer sogleich wieder in vollem Tempo hinter sich her, bis sie bei ihren Freundinnen ankam, die sie laut lachend in Empfang nahmen. Wir konnten von unserer Position aus zwar nicht mehr das Auto sehen, wohl aber lagen nun diese drei Männer fast genau vor uns.

"Was ist das für 'ne Scheiße...", flüsterte Jungkook in weinerlichem Tonfall, "was machen die da, Mann..." Ich schüttelte fassungslos und mit offenem Mund einfach nur den Kopf. Ich konnte dazu nichts sagen. Es machte mich komplett sprachlos.

"Ganz ruhig bleiben", flüsterte Suga uns zu und unsere Blicke waren entsetzt auf diese drei Toten gerichtet. 

Die Männer waren allem Anschein nach tot. Das mussten sie einfach sein und um ehrlich zu sein wünschte ich es ihnen auch, so übel wie sie zugerichtet waren. Man konnte es gar nicht mehr genau sagen, doch ich nahm an, dass sie sicher auch schon vor dieser Tortur gefoltert worden waren. Nicht umsonst hatten die Frauen sich für diese Nacht mit Baseballschlägern und Macheten bewaffnet.

Die Männer lagen reglos und vollkommen verrenkt auf dem Boden. Sie mussten jeden einzelnen Knochen in ihrem Leib gebrochen haben, nach dem, was ihnen hier angetan wurde.

"Na, wie geht es denn unseren Männern?", hörten wir eine der Frauen sagen, "lebt ihr noch oder brauchen wir Nachschub?" Gleich darauf konnte man das Klappern von Absatzschuhen vernehmen, die sich den Männern näherten.

"Fuck", flüsterte J-Hope und hielt seine Waffe fester. Auch Jungkook und Taehyung zogen ihre Pistolen und ich selbst stellte den Sicherungsriegel meines Maschinengewehrs auf Dauerfeuer, so wie Suga es mir gezeigt hatte.

"Schhh...", machte Suga und hielt sich einen Zeigefinger vor den Mund.

Dann konnten wir eine farbige schlanke Frau sehen, die in einem pinken Ballerinaröckchen und mit einem ebenso pinken BH bekleidet auf die Männer zulief. Ihre weißen Stilettos verursachten ein feines Echo in der mittlerweile ruhigen Straße. Ihr Gesicht war hinter einer Miss Piggy Maske versteckt und in ihrer Hand hielt sie ein Machinengewehr. Ihr schwarzes gelocktes Haar trug sie wie eine wilde Löwenmähne offen.

Ich hielt den Atem an und bewegte mich nicht. Vielleicht würde sie uns gar nicht bemerken, wenn wir uns ganz ruhig verhielten und wenn sie wieder gingen, um sich neue Opfer zu suchen, könnten wir einfach hinunterrennen in die U-Bahn Tunnel.

"Die Schlappschwänze sind tot!", rief sie ihren Freundinnen zu. Dann machte sie eine Drehung und wollte zurückgehen zu den anderen. Doch ihr Blick fiel auf uns. Sofort richtete sie ihr Machinengewehr auf uns. 

Reglos sahen wir uns an, bis sie ihren Kopf schieflegte und einen Arm lässig in ihre Seite stemmte.

"Was ist los, Liz?", rief eine ihrer Freundinnen.

"Ich habe soeben Nachschub gefunden", rief sie zurück und ich schluckte.

Purge Night --- YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt