Kapitel 19: Zu Zweit

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Zu Zweit

Ich lag mit meinem Kopf auf einem kalten, nassen Stein irgendwo im Wald.
Chloé hatte Feuerholz zusammen gesucht und versuchte es gerade zum Brennen zu kriegen.
Ich konnte nicht klar denken.
Ich lag einfach da heulend, mit Schmerzen in den Armen und Beinen.
Eigentlich müsste ich Chloé helfen, mit dem Feuerholz, und mich um sie sorgen.
Was machte sie? Sie sorgte sich um mich und sie war 6. 6, verdammt.
Ich sollte mich zusammenreißen, ich hätte sie schon nicht alleine Holz suchen lassen sollen, aber ich konnte nicht, ich war zu nichts im Stande.
Toby, war er tot?
Waren die anderen tot?
Mein Vater…?
Ich hob vorsichtig meinen Kopf um nach Chloé zu sehen.
Sie war nicht da, scheiße wo war sie.
Ich griff zu meinem Gürtel und bemerkte etwas, ich hatte das Tagebuch nicht mehr.
Stöhnend ließ ich meinen Kopf wieder sinken, wie konnte das nur passieren?
Wieso war das im Zentrum passiert, und wo zur Hölle waren wir?
„Chloé?“, hob ich vorsichtig meine Stimme.
Ich richtete mich langsam auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, ich muss stark bleiben.
„Chloé?“, sagte ich wieder nun etwas lauter.
Jemand tippte mich von hinten an, instinktiv drehte ich mich um und sah wie die kleine Chloé vor mir stand.
„Kannst du mir helfen Feuer zu machen?“
„Klar, aber lange können wir hier nicht bleiben.“ Wenigstens funktionierte mein Gehirn wieder vollständig.
Sie nickte vorsichtig und gab mir ein Feuerzeug.
Ich tastete das Holz ab und bemerkte, dass es nass war, klar konnte es kein Feuer fangen.
„Chloé? Das funktioniert nicht. Der Boden ist viel zu nass.“
Sie schaute traurig auf das Holz, was sie geholt hatte und setzte sich erschöpft hin.
Ich ging zu ihr und nahm sie in den Arm.
„Wir haben jetzt nur noch uns, Chloé. Ich hab dich so lieb.“
Sie nickte stumm und ich spürte, wie auch sie jetzt anfing zu weinen.
Sie hatte ebenfalls Toby gern gemocht und auch den Rest der Truppe und jetzt waren wir alleine.
„Komm mit.“, sagte ich nach einer Weile und nahm sie an die Hand.
„Wir müssen uns einen trockenen Platz suchen.“
Wieder nickte sie, sie ließ sich mitziehen.
Mir war kalt.
Dankbar zog ich mir meine Winterjacke ganz zu.
Ich spürte wie Chloé an meinem Arm zog und sie mir etwas hinstreckte.
Perplex drehte ich mich zu ihr um und sah wie sie mir ein offenes Buch hinstreckte, mein Tagebuch.
Ich kniete mich vor sie und nahm es in meine Hände. 
Eine Seite wurde von einem Bild bedeckt, was sie an jenem Abend gemalt hatte, an dem Toby mit meinem Vater wieder kam, sie hatte es die ganze Zeit.
Dankbar nahm ich sie in die Arme und betrachtete das Bild genauer.
Es war eine Zeichnung von Chloé, Mir und… Toby.
Tränen stiegen mir in die Augen. Sie mochte ihn total gern.
Ich umarmte sie noch mal ganz fest und diesmal lange.
Sie sollte sich beschützt fühlen, nicht einsam.
Ich steckte das Tagebuch in meinen Gürtel und nahm sie wieder an die Hand.

2 Wochen ist das ganze nun schon her?
Ich kanns immer noch nicht glauben.
Wir ziehen nun wirklich schon ganze 2 Wochen umher? 
Wann hörte das endlich auf?
Aber aufgeben und sich umbringen? Das konnte ich nicht, Chloé zu liebe und auch wegen Toby, er hätte es nicht gewollt.
Mal wieder schlichen wir Hand in Hand zu einem Haus, was relativ sauber aussah.
Wir hatten uns entschieden dort eine Nacht zu verbringen, falls es klappte.
Ich durchsuchte das ganze Haus, es war sauber.
Erschöpft ließ ich meinen Rucksack fallen und verriegelte jedes Fenster und jede Tür.
Chloé hatte in den 2 Wochen viel von mir gelernt.
Sie wusste nun im schlimmsten Fall, wie sie überlebte.
Ich ließ mich auf eine Couch fallen und klappte mein Tagebuch auf.
Es war längst fällig mal wieder rein zu schreiben.
Chloé hockte sich auf das andere Ende der Couch und klappte ein Buch auf.
Sie hatte es sich mitgenommen, als wir letzte Nacht in einer Bibliothek übernachtete hatten. 
Sie laß still, das heißt ich konnte ganz in ruhe in mein Tagebuch schreiben.
Ich schrieb vom Zentrum, und von Chloé und mir.
Mehr zu schreiben ergab keinen Sinn, das nötigste zu wissen reichte.
Ich blätterte es durch.
Fast schon ein verdammtes halbes Jahr, seit dem ich von Zuhause weg bin, seit dem meine Mutter gestorben ist.
Die Zeit verfliegt so schnell und diese Hölle endet einfach nie.
Ich strich noch einmal vorsichtig über Chloés Zeichnung und klappte das Buch zu.
„Melina? Kann ich schlafen?“
Ich nickte und stand auf.
Sie streckte sich, schnappte sich eine Decke und schloss die Augen.
Sie sah so unglaublich friedlich aus.
Aus purer Neugier ging ich die Treppe nach oben zu den Schlafzimmern.
Wir hatten uns darauf geeinigt, so nah wie möglich am Ausgang zu schlafen, für den Fall, dass wir fliehen mussten, also nutzen wir die Betten gar nicht, die so verführerisch flüsterten und einen quasi zu sich zogen. 
Klar es war verlockend, aber Sicherheit geht vor.
Ich ging in eines der Schlafzimmer und fand mich in einem Kinderzimmer wieder.
Auf dem Boden stand ein unvollendetes Schachspiel.
Ich ging auf den Kleiderschrank zu und öffnete ihn, man konnte ja immer neue Kleidung gebrauchen aber ich befürchtete, dass er leer war.
Er war leer, meine Rede.
Mit einem Seuftzer schloss ich ihn wieder und betrachtete den Rest des Zimmers.
Klar, es gab einige verlockende Dinge, wie Bücher oder Kuscheltiere für Chloé, aber es war alle Last die wir tragen mussten.
Ich hatte Chloé erlaubt ein Buch mit zu nehmen, eins, und das war schon genug.
Essen, Kleidung, das war wichtig, so was wie Bücher, konnte man in jetziger Lage nicht gebrauchen. 
Das klingt vielleicht hart, ja, ich les auch gerne Bücher, aber es gab einfach Dinge, die hatten Priorität.
Ich sah aus einem der Fenster.
Wir waren total eingeschneit, ich bezweifelte, dass uns ein Beißer angreifen wird.
Doch dann sah ich einen Schatten unten an der Hintertür.
Ich erstarrte, das konnte doch nicht sein?
Ich öffnete ein Fenster leicht, in dem ich es kippte und lauschte.
Es hörte sich nicht nach einem Beißer an, es war eher das verzweifelte Geräusch eines Menschen…, warte eines Menschen?
Es klang nach einer Frau.
Ich beobachtete die Gestalt ein wenig.
Sie versuchte, den Schnee, der sich vor der Hintertür angesammelt hatte weg zu schaufeln.
War es nicht doch einfach nur ein Beißer, der uns gewittert hatte?
Wie sollte er? Wir waren still, und zwar die ganze Zeit über.
Die Gestalt gab auf und ließ sich in den Schnee sinken.
Nein, so was würde ein Beißer nicht machen.
Sollte ich mich zu erkennen geben?
Ich wartete und überlegte.
Scheiße was sollte ich machen, ich hatte keine Ahnung.
Ich schloss geräuschlos das Fenster.
Mit eiligen Schritten stolperte ich die Treppe hinab, bevor ich fallen konnte, hielt ich mich am Geländer fest.
Ich huschte in die Küche und versuchte unbemerkt die Person zu beobachten.
Sie sah mich nicht, punkt für mich.
Doch dann, als hätte sie es bemerkt stand sie auf und starrte direkt in mein Gesicht.
Total schockiert fing ich an zu schreien.
Es war Marilyn, doch sie war alleine, wo war Ricky?!
Ich gab ihr ein Handzeichen, dass sie zur Haustür gehen sollte.
Sie nickte.
Chloé war anscheinend aufgewacht, als ich zur Haustür stürzte.
Sie rieb sich verschlafen die Augen und starrte mich an.
Ich riss die Tür auf und zog Marilyn rein, die total verfroren und hungrig aussah.
Ich schloss sie in die Arme, doch sie brach in Tränen aus.
Irgendwie versuchte ich sie zu beruhigen, ich wusste nicht was sie hatte.
Schnell gab ich ihr meine Jacke und hüllte sie darin ein, ich gab ihr auch etwas zu Essen.
Dankend setzte sie sich auf die Couch und biss zitternd in ihr Brot.
„Marilyn.“, streichelte ich sie am Arm.
„Wo sind die anderen?“, fragte Chloé ungeduldig und rutschte auf ihrem Platz hin und her.
„Ich weiß es nicht.“, sagte Marilyn und schluckte.
„Ricky…“, heulte sie und hielt sich die Hände vor die Augen.
„Was ist mit Ricky?“, fragte Chloé. An ihrem fehlenden Taktgefühl konnte man ganz klar erkennen, dass sie noch 6 war.
„Tot.“, murmelte sie.
Ich schlug mir die freie Hand vor den Mund und spürte wie mir selbst Tränen in die Augen stiegen.
Chloé starrte mich ungläubig an, ihr stiegen ebenfalls Tränen in die Augen.
Wir schlossen sie in die Arme. 
Keine Ahnung wie lange wir noch so da saßen.
Wir waren nun zu dritt, Marilyn hatte Ricky verloren, ich wusste nicht wie, aber ich würde sie auch nicht danach fragen.
Ich konnte es mir schon denken und nachdem das mit Ricky passiert ist, hatte ich wenig Hoffnung, dass es Toby besser geht, ich hoffe es.

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